Hintertüren Experten halten US-Kampagne gegen Huawei für übertrieben

Frank Bajak, AP

2.3.2019

Die USA warnen immer wieder vor möglichen Hintertüren in Huawei-Geräten.
Die USA warnen immer wieder vor möglichen Hintertüren in Huawei-Geräten.
Bild: Andy Wong/AP/dpa

Experten zufolge haben die USA kaum Belege für ihre Anschuldigungen gegen den Technologiegiganten vorgelegt. Was sie den Chinesen vorwerfen, haben sie längst selbst getan.

Die USA haben wiederholt vor möglichen Hintertüren in Huawei-Geräten gewarnt. Sie könnten für Spionage oder gar Schlimmeres genutzt werden, heißt es seit dem vergangenen Jahr aus Washington. Bei der Umstellung auf den neuen Mobilfunkstandard 5G rät die Regierung allen Ländern zu einem Ausschluss des chinesischen Herstellers. Indirekt wird sogar mit Sanktionen gedroht. Sicherheitsexperten sind skeptisch.

Die Zweifel beruhen vor allem auf zwei Gründen. Erstens hat Washington bisher kaum konkrete Details zur Begründung des Verdachts vorgelegt. Und zweitens wird in der Argumentation ignoriert, dass Peking gar nicht auf derartige Schnittstellen angewiesen wäre, um Netzwerke anzuzapfen. Staatliche Hacker zeigen meist keine Präferenz für Hardware bestimmter Marken. Die vom Kreml ausgehenden Cyberattacken etwa greifen auf Ausrüstung diverser Anbieter zurück, die allesamt nicht russisch sind.

In den USA herrscht die Angst, dass Huawei die eigenen Produkte mit Software versieht, die chinesische Geheimdienste nutzen könnten, um Datenverkehr abzugreifen oder Störmanöver zu starten. Ist dies aber wirklich plausibel? Wenn die Chinesen die globalen Systeme manipulieren wollten, würden sie das unabhängig von der Art der verwendeten Ausrüstung tun, sagt Jan-Peter Kleinhans von der Stiftung Neue Verantwortung in Berlin.

Über die mögliche Auslieferung der Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou an die USA hat nun ein kanadisches Gericht zu entscheiden.
Über die mögliche Auslieferung der Huawei-Finanzchefin Meng Wanzhou an die USA hat nun ein kanadisches Gericht zu entscheiden.
Bild: Keystone/AP The Canadian Press/Darryl Dyck

Auch Priscilla Moriuchi, die bis 2017 beim US-Geheimdienst NSA für Ostasien zuständig war, bezeichnet die Gefahr durch Hintertüren in Huawei-Geräten als «nahezu null» – und zwar gerade «wegen der Möglichkeit, dass sie entdeckt würden». Denn wäre eine solche Verstrickung nicht mehr zu leugnen, dürfte dem Unternehmen erheblicher wirtschaftlicher Schaden drohen. In ihrer Zeit bei der NSA habe sie gemeinsam mit Kollegen Huawei-Produkte überprüft, dabei aber nie irgendwelche Hinweise auf entsprechende Manipulationen gefunden, sagt Moriuchi, die heute für das IT-Sicherheitsunternehmen Recorded Future arbeitet.

Europa bislang zurückhaltend

Die Regierungen in Europa sind angesichts der Zweifel bisher nicht auf den Kurs der Amerikaner eingeschlagen. Doch der Druck aus Washington steigt. Der für Cybersicherheitspolitik zuständige US-Diplomat Robert Strayer sagte am Dienstag auf dem Mobile World Congress in Barcelona, mit einem Gesetz von 2017 zwinge die Kommunistische Partei Chinas «ihre Bürger und Unternehmen zur Mitwirkung an Geheimdienst-Aktivitäten». Auch Huawei sei somit verpflichtet, Anweisungen der Regierung zu befolgen. Auf Nachfrage von Reportern führte Strayer aber nicht aus, warum etwa Router oder Funkstationen von Huawei für Missbrauch anfälliger seien als die der Konkurrenz.

Washington belässt es derweil nicht bei Empfehlungen. An Länder, die eine Anschaffung weiterer Huawei-Technik in Erwägung ziehen, richtete US-Aussenminister Mike Pompeo vergangene Woche eine kaum verhohlene Drohung. Dies würde nicht nur die geheimdienstliche Kooperation mit den USA gefährden, sondern könne auch eine Verlegung von amerikanischen Militärstützpunkten zur Folge haben, sagte er. Die Botschaft dürfte unter anderem den Nato-Partnern Polen und Tschechien gegolten haben, die bisher stark auf Huawei setzen.

Gegründet wurde das chinesische Unternehmen 1987 von einem ehemaligen Militäringenieur. In der breiten Öffentlichkeit ist es heute vor allem für seine Smartphones bekannt. Im Geschäftsfeld Kommunikationsausrüstung löste Huawei im Jahr 2017 den schwedischen Konkurrenten Ericsson als Weltmarktführer ab. Nach eigenen Angaben beliefert das Unternehmen heute 45 der 50 weltweit grössten Telekommunikationsanbieter und hat mit 30 Betreibern Verträge für Tests mit dem 5G-Standard.

In den USA führte ein Kongressbericht von 2012 dazu, dass Huawei in vielen Bereichen vom nationalen Markt verbannt wurde. Eine direkte wirtschaftliche Motivation kann dabei zwar nicht unterstellt werden, denn der dritte grosse Netzwerkausrüster ist ebenfalls europäisch – Nokia aus Finnland. Indirekt könnte es Washington aber durchaus auch darum gehen, die Marktmacht des Unternehmens zu brechen. «Hintergrund des Ganzen ist vor allem der Aufstieg Chinas zu einem Technologieführer», sagt Paul Triolo von der Risikoberatungsfirma Eurasia Group. Aktuell werde in einer «grossen Kampagne» versucht, Huawei als einen «unverantwortlichen Akteur» darzustellen.

Amerikaner machen es vor

Die Ironie an der Sache ist die, dass die Amerikaner das, was sie den Chinesen vorwerfen, selbst längst getan haben. Laut streng vertraulicher Dokumente, die 2013 von dem Ex-Geheimdienstler Edward Snowden veröffentlicht wurden, bauten die USA Abhörtechnik in Netzwerkausrüstung ein und verbreiteten diese weltweit. Betroffen waren demnach auch Geräte von Cisco Systems aus dem Silicon Valley. Dessen Router wurden daraufhin von China auf eine Schwarze Liste gesetzt.

Auch in Europa wird das Risiko von Spionage mithilfe von Huawei durchaus ernst genommen. Die meisten Regierungen bemühen sich aber um eine differenziertere Betrachtung. In Grossbritannien etwa gibt es schon seit längerer Zeit eine Reihe von Beschränkungen. Unter anderem dürften Geräte von Huawei nicht in besonders sensiblen Netzwerken zum Einsatz kommen, betonte Ciaran Martin, Leiter des National Cyber Security Center, vergangene Woche in einer Rede.

In einer jährlichen Bewertung der Aktivitäten des chinesischen Unternehmens verwies das britische Zentrum im Juli auf «Schwachpunkte», die mit «neuen Risiken für die Telekommunikationsnetze» des Landes verbunden seien. Die Probleme seien allerdings kontrollierbar und nicht Ausdruck einer chinesischen Feindseligkeit, sagte Martin.


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