Experten meinen Experten: Kommen US-Autozölle, steigen Preise und Arbeitslosenzahl 

von Tom Krisher, AP

20.6.2018

Etwa 7400 Laster mit Autoteilen rumpeln jeden Werktag über die Ambassador Bridge zwischen Detroit und Kanada. 
Etwa 7400 Laster mit Autoteilen rumpeln jeden Werktag über die Ambassador Bridge zwischen Detroit und Kanada. 
dpa

US-Präsident Trump droht mit Strafzöllen auf importierte Autos und Fahrzeugteile. Das könnte aber ein jahrzehntelang gewachsenes Wirtschaftsgeflecht zwischen den USA, Kanada und Mexiko zerstören. Die Folge: weniger Absatz, weniger Jobs.

Etwa 7400 Laster mit Autoteilen rumpeln jeden Werktag über die Ambassador Bridge zwischen Detroit und Kanada. Die Sattelschlepper sorgen immer wieder für ein Verkehrschaos auf der geschäftigen Strecke. Auf beiden Seiten des Flusses wird in Fabriken bis an die Kapazitätsgrenze produziert. Doch das könnte sich ändern, wenn US-Präsident Donald Trump seine Drohung wahr macht und Strafzölle in Höhe von 25 Prozent auf importierte Fahrzeuge und Autoteile verhängt.

Zwar könnte diese Drohung ein Trick sein, um die ins Stocken geratenen Verhandlungen über das Freihandelsabkommen Nafta mit Kanada und Mexiko wiederzubeleben. Doch sie könnte auch ernst gemeint sein, hat die US-Regierung bereits Strafzölle im Wert von 50 Milliarden Dollar auf chinesische Importe verhängt, ebenso wie auf Stahl- und Aluminiumeinfuhren aus China, der Europäischen Union, Kanada und Mexiko.

Die Strafmassnahmen gegen China treffen bereits einige Autos und Fahrzeugteile. Falls sie auch gegen die US-Nachbarländer eingeführt werden, hätte dies weitaus grössere Auswirkungen: Der Automobilbau verbindet die drei seit fast einem Vierteljahrhundert.

Das US-Handelsministerium teilte vergangene Woche mit, es habe «soeben eine Untersuchung begonnen, inwiefern der Import von Fahrzeugen und Autoteilen der nationalen Sicherheit zu schaden droht. Diese Untersuchung, die noch am Anfang steht, wird dem Präsidenten Empfehlungen geben zu handeln oder nicht zu handeln.»

Sollten umfassendere Autozölle verhängt werden, unterbrechen sie nach Ansicht von Experten eine Jahrzehnte alte symbiotische Lieferkette für Fahrzeugteile. Sie lassen zudem Autopreise steigen, drosseln den Verkauf von Neuwagen, kosten Jobs in den USA, Kanada und Mexiko und bremsen angrenzende Wirtschaftszweige aus. «Es scheint so katastrophal zu werden, dass ich mir nicht vorstellen kann, dass sie es wirklich machen», sagt Kristen Dziczek, stellvertretende Leiterin des Bereichs Arbeit und Wirtschaft im Center for Automotive Research, einer Denkfabrik der Autoindustrie in den USA.

Trump hat sein Handelsministerium mit der Prüfung beauftragt, ob die nationale Sicherheit als Rechtfertigung für die Strafzölle dienen kann. Seine Hoffnung ist, Fabrikjobs in die USA zu holen. Experten zufolge würden die Abgaben allerdings das Gegenteil bewirken:

Autopreise steigen, Absatz sinkt

Die Strafzölle würden für Autoteile und zusammengebaute Fahrzeuge anfallen. Kanada, Mexiko und andere würden sich mit Gegenzöllen wehren, wobei die Autohersteller wohl nicht alle Erhöhungen ausgleichen könnten. Die Folge wäre ein Preisanstieg: Importierte Einzelteile, die in allen Autos und Lastern verbaut werden, verteuern sich und treiben die Kosten weiter in die Höhe. «Wir alle werden sehr viel mehr für Autos bezahlen», sagt Tim Galbraith, Verkaufsleiter bei Cavalier Tool and Manufacturing in Windsor bei Detroit, einem Hersteller von Stahlschablonen, in denen Autoteile aus Plastik gegossen werden.

Rund 44 Prozent der 17,2 Millionen Neuwagen, die im vergangenen Jahr in den USA verkauft wurden, waren Importe aus anderen Ländern, die Hälfte davon aus Kanada und Mexiko. Sie alle sind mit Teilen von ausserhalb der USA gebaut, manche zu bis zu 40 Prozent. Entsprechend dem 24 Jahre alten Nafta-Abkommen, liefern Autohersteller und Zulieferer laufend sowohl komplett montierte Wagen als auch Motoren, Getriebe und Tausende kleine Teile über beide US-Grenzen. Auch aus China und anderen Ländern kommen Teile.

Wie stark die Preise ansteigen werden, ist schwer zu bestimmen. Aber grob überschlagen könnte ein SUV des Modells Chevrolet Equinox, der in Kanada gebaut wird, in den USA etwa 5250 Dollar (5233 Franken) mehr kosten, wenn der Mutterkonzern General Motors das nicht teilweise kompensiert. Die Berechnung legt einen Durchschnittspreis von 30'000 Dollar (29'900 Franken) für den Verkaufsschlager Equinox zugrunde, der hauptsächlich in der kanadischen Provinz Ontario gebaut wird. Die Zölle werden auf die Herstellungskosten fällig, die etwa 70 Prozent des Verkaufspreises ausmachen.

Steigen die Preise, behalten viele Menschen ihre derzeitigen Autos oder kaufen gebrauchte: Jeff Schuster, Vorstand beim Industrieberater LMC Automotive, erwartet, dass die Neuwagen-Verkäufe in den USA jährlich um ein bis zwei Millionen zurückgehen würden, sollten die Zölle in Kraft treten. Laut Schuster arbeiten die US-Fabriken, die beliebte Modelle herstellen, an ihrer Kapazitätsgrenze — sie könnten kurzfristig also nicht einfach mehr Autos in den USA herstellen, um die Zölle zu umgehen.

Jobverlust

Sinkt der Absatz, werden die Hersteller ihre Kosten senken, indem sie Arbeiter entlassen. Mexiko und Kanada würde dies als Erste treffen, aber da sie einzelne Teile aus den USA importieren, müssten auch die US-Zulieferer beim Personal kürzen. Ähnlich ginge es den Händlern, die importierte Autos verkaufen: Auch sie müssten Mitarbeiter entlassen, wenn der Absatz stockt. Das dem Freihandel positiv gegenüberstehende Peterson Institute prognostiziert einen Rückgang bei der US-Autoproduktion von vier Prozent. Den Zahlen zufolge könnte dies binnen ein bis drei Jahren 624 000 Jobs in den USA kosten.

Auch andere Wirtschaftsbereiche wären wohl von den Strafmassnahmen betroffen. Dziczek vom Center for Automotive Research sagt, die Gegenzölle anderer Länder würden die US-Landwirtschaft und andere Unternehmen treffen, Exporte beschränken und Jobs kosten. Zwar könnten US-Firmen, die von den Zöllen profitieren, ihre Produktion hochfahren. Doch Jeff Schuster von LMC Automotive und andere Fachleute erwarten, dass dafür keine neuen Mitarbeiter eingestellt werden dürften. Auch Trumps Annahme, Autohersteller und Zulieferer würden wieder in den USA produzieren, halten Experten für unwahrscheinlich. Es könne ja sein, dass der nächste Präsident die Zölle wieder abschaffe, sagt Dziczek - und darauf werde die Industrie wahrscheinlich warten.

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