Die Justiz holt zum Schlag gegen LafargeHolcim wegen Schutzgeldzahlungen im syrischen Bürgerkrieg aus: In einer gemeinsamen Aktion haben die französischen und belgischen Behörden Razzien in Paris und Brüssel durchgeführt.
Polizisten hätten am Dienstag den Firmensitz in Paris durchsucht, sagte ein Unternehmenssprecher auf Anfrage zu entsprechenden Medienberichten. Parallel dazu habe eine Hausdurchsuchung in Brüssel stattgefunden, erklärte die belgische Staatsanwaltschaft ihrerseits.
Die Razzia sei durch einen auf Terrorismus spezialisierten Untersuchungsrichter angeordnet worden. Es gehe um den Verdacht der Finanzierung einer terroristischen Gruppe durch einen internationalen französischen Konzern - ein Firmenname wurde von den belgischen Ermittlern aber nicht genannt. Weitere Informationen würden nicht gegeben, hiess es.
Die Durchsuchung in Brüssel fand nicht bei LafargeHolcim selber statt, sondern bei Grossaktionär GBL. Die belgische Gruppe gestand in einem dürren Communiqué ein, dass die Justizbehörden die Büros wegen des Verdachts auf Finanzierung von Terrorgruppen durchkämmt hätten.
LafargeHolcim und GBL betonten, vollumfänglich mit den Behörden zu kooperieren. Angaben dazu, was beschlagnahmt worden sei, machte ein Konzernsprecher nicht: "Das wissen nur die Behörden."
Schutzgelder gezahlt
In Frankreich läuft seit Juni eine offizielle Untersuchung zu den Vorgängen um das Lafarge-Werk in Syrien in den Jahren 2013 und 2014. Im Mittelpunkt steht laut früheren Angaben der Pariser Staatsanwaltschaft der Vorwurf der "Finanzierung von terroristischen Vorhaben" und die Gefährdung von Leben.
So soll das Unternehmen etwa nach Beginn des syrischen Bürgerkriegs Schutzgelder an verschiedene Gruppierungen gezahlt haben, um den Betrieb des Werks aufrecht zu erhalten. Menschenrechtsorganisationen hatten im vergangenen Jahr Anzeige erstattet und Lafarge vorgeworfen, möglicherweise zur Finanzierung der Terrormiliz Islamischer Staat (IS) beigetragen zu haben.
Zuvor hatte eine interne Untersuchung von LafargeHolcim ergeben, dass die Massnahmen zur Weiterführung des Betriebs in dem nordsyrischen Werk 2013 und 2014 nicht akzeptabel gewesen seien. Die regionalen und lokalen Mitarbeiter hätten Gelder an Dritte gezahlt, damit Vereinbarungen mit bewaffneten und sanktionierten Truppen getroffen werden konnten, um den Betrieb weiterzuführen.
Es sei auch zu Entführungen gekommen, hatte Verwaltungsratspräsident Beat Hess im Mai an der Generalversammlung gesagt: "Wir haben bezahlt, man macht das Beste um die Leute frei zu kriegen". Wer Empfänger dieser Zahlungen gewesen sei, habe sich nicht eindeutig ermitteln lassen.
Rücktritt des Konzernchefs
Nach der internen Untersuchung gab Konzernchef Eric Olsen seinen Rücktritt bekannt. Der Amerikaner sprach von "grossen Spannungen im Zusammenhang mit Syrien, aber auch anderswo".
Verwaltungsratspräsident Beat Hess stellte an der GV indes klar, dass es keinen Zusammenhang zwischen den Vorfällen in Syrien und dem Rücktritt von Olsen gebe.
Er stellte ihm einen Persilschein aus. "Die internen Untersuchungen zu Syrien bei der damaligen Lafarge haben den Verwaltungsrat zu dem Schluss verholfen, dass der Konzernchef Eric Olsen nicht verantwortlich ist für das Fehlverhalten", sagte Hess. Olsen war in der betreffenden Zeit für die operativen Abläufe bei Lafarge verantwortlich.
Anlässlich der GV hatte bereits Co-Präsident Bruno Lafont seinen Rückzug aus dem Verwaltungsrat angekündigt, ohne einen Grund zu nennen. Lafont war in der Zeit des Syrien-Vorfalls, vor der Fusion, von 2007 bis 2015 Konzernchef und Präsident von Lafarge.
Die französische Lafarge-Gruppe hatte sich 2015 mit dem Schweizer Konzern Holcim zum grössten Zementhersteller der Welt zusammengeschlossen. Das Unternehmen hat 90'000 Mitarbeiter in mehr als 80 Ländern.
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