Kein Ende in SichtInflation in der Türkei springt auf knapp 49 Prozent
dpa
3.2.2022 - 16:26
Der Anstieg der Inflation in der Türkei nimmt kein Ende – im Januar springt die Rate hoch bis knapp 50 Prozent. Angesichts der Teuerung wächst auch der Unmut bei den Menschen.
03.02.2022, 16:26
03.02.2022, 16:37
In der Türkei hat sich der rasante Anstieg der Inflation im neuen Jahr fortgesetzt. Im Januar sprang die Inflationsrate bis knapp unter die Marke von 50 Prozent. Im Jahresvergleich seien die Verbraucherpreise um 48,7 Prozent gestiegen, teilte das nationale Statistikamt heute in Ankara mit. Nach einem massiven Kursverfall der türkischen Lira im vergangenen Jahr und einem starken Anstieg wichtiger Rohstoffpreise haben Analysten den erneuten Preissprung erwartet.
Vor einem Jahr hatte die Inflationsrate in der Türkei bei 15 Prozent gelegen. Ende 2021 setzte ein rasanter Höhenflug der Teuerung ein mit Inflationsraten von 21 Prozent im November und 36 Prozent im Dezember. Auch im Monatsvergleich steigen die Preise in der Türkei stark. In dieser Betrachtung meldete das Statistikamt für Januar einen Zuwachs um 11,1 Prozent.
Die hohe Teuerung ist vorwiegend Folge der schwachen Lira, da sie Einfuhren verteuert. Nach einem dramatischen Sinkflug 2021 ist der türkischen Regierung mittlerweile eine Stabilisierung der Landeswährung gelungen, indem sie für Verluste aus Währungsschwankungen unter bestimmten Bedingungen einspringt.
Wie stark sich der Preisanstieg importierter Güter in die Türkei auswirkt, zeigt unter anderem die Entwicklung der Erzeugerpreise. Die Preise, die Produzenten für ihre Waren verlangen, legten im Januar um 93,5 Prozent im Jahresvergleich zu. Die Erzeugerpreise dürften mit einer Verzögerung zumindest teilweise auf die Verbraucherpreise durchschlagen.
Höhepunkt des Preisanstiegs im April?
Als Hauptgrund für den starken Anstieg der Verbraucherpreise gilt die lockere Ausrichtung der türkischen Geldpolitik. Trotz der hohen Inflation hat die türkische Notenbank im vergangenen Jahr den Leitzins mehrfach gesenkt, auf zuletzt 14,0 Prozent. Staatspräsident Recep Tayyip Erdogan ist erklärter Gegner hoher Zinsen, die von Ökonomen als Mittel gegen hohe Inflation empfohlen werden.
In einem heute veröffentlichten Interview mit der japanischen Wirtschaftszeitung «Nikkei» sagte der türkische Finanzminister Nureddin Nebati, dass er den Höhepunkt des Preisanstiegs im April erwartet. Seiner Einschätzung nach dürfte die Inflationsrate dabei nicht über die Marke von 50 Prozent steigen.
Analyst Tatha Ghose von der Commerzbank verwies allerdings auf den kürzlich erfolgten Wechsel an der Spitze des türkischen Statistikamtes. Am Markt gebe es mittlerweile die Sorge, dass die personelle Veränderung Konsequenzen für die Zuverlässigkeit künftiger Konjunkturdaten aus der Türkei haben könnte.
«Wenig glaubwürdige Geldpolitik»
«Dieser Cocktail aus wenig glaubwürdiger Geldpolitik, Irrungen und Wirrungen der Zentralbank und Dazwischengrätschen der Regierung ist ein alter Bekannter und dürfte mit hoher Wahrscheinlichkeit früher oder später die nächste Lira-Krise auslösen», warnte Ghose.
Angesichts der hohen Inflation wächst auch der Unmut bei den Menschen: Seit Tagen streiken in der Türkei Mitarbeiter mehrerer Unternehmen, darunter solche des Online-Shops Hepsiburada oder dem Lieferdienst Yemeksepeti. Unter anderem legten Kurierfahrer ihre Arbeit nieder. Sie forderten höhere Löhne angesichts der krassen Preissteigerungen etwa bei Lebensmitteln und Energie.
In der Türkei gebe es Tausende Universitätsabsolventen, die mehrere Sprachen sprechen und als Kurierfahrer arbeiteten, weil sie sonst keine Arbeit fänden, sagte Ali Riza Kücükosmanoglu, Chef der Speditionsgewerkschaft Nakliyat-Is, der Deutschen Presse-Agentur. Die Jugendarbeitslosigkeit lag nach offiziellen Angaben im November bei mehr als 22 Prozent. Die Gewerkschaft geht aber von einer noch höheren Zahl aus.
Am Devisenmarkt geriet die türkische Lira nach der Veröffentlichung der Inflationsdaten unter Druck. Allerdings hielten sich die Kursverluste im Handel mit dem US-Dollar und dem Euro in Grenzen und betrugen jeweils weniger als ein Prozent.
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