Sind jetzt alle geizig? Die Schweiz im Sparfieber – warum plötzlich alle auf Schnäppchenjagd gehen

Samuel Walder

4.4.2025

Der niederländische Discounter Action mischt das Geschäft mit Non-Food in Deutschland auf – und kommt jetzt in die Schweiz.
Der niederländische Discounter Action mischt das Geschäft mit Non-Food in Deutschland auf – und kommt jetzt in die Schweiz.
Fabian Strauch/dpa

Lidl, Aldi, Denner und jetzt auch Action. In der Schweiz gibt es immer mehr Discounter. Doch wie verändern sie unser Kaufverhalten? Ein Experte erklärt, warum die Schweiz nicht geizig ist, sondern preisbewusster wird.

Samuel Walder

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der neue Non-Food-Discounter «Action» setzt auf den psychologischen «Treasure-Hunter-Effekt» und trifft damit den Nerv preisbewusster, aber nicht geiziger Schweizer Konsumenten.
  • Konsumexperte Felix Murbach erklärt, dass Schweizer*innen heute gezielter einkaufen und bewusst auf günstige, nicht billig wirkende Angebote achten.
  • Der Erfolg neuer Discounter hängt von ihrer Positionierung ab, während etablierte Händler wie Migros und Coop durch steigenden Preisdruck und Online-Konkurrenz zunehmend unter Zugzwang geraten.

Wer würde schon zu einem Schnäppchen nein sagen? Die Schweizer*innen jedenfalls nicht. Discounter breiten sich seit Jahren in der Schweiz aus. Am Samstag öffnet nun auch der niederländische Discounter «Action» in Bachenbülach ZH.

Sind wir zu geizig geworden, einen höheren Preis in der Migros oder im Coop zu bezahlen? Ein Experte schätzt ein und erklärt, wieso wir gerne sparen und warum Discounter so beliebt sind.

Der «Treasure-Hunter»-Effekt

Felix Murbach ist Konsumentenexperte. Er sagt, die Schweiz sei nicht geiziger geworden – aber wählerischer. «Wir geben unser Geld heute bewusster aus», sagt Murbach. Die Inflation habe das Konsumverhalten verändert, viele Menschen seien zurückhaltender geworden.

Mit dem Eintritt des niederländischen Non-Food-Discounters «Action» bekommt der Schweizer Markt frischen Wind. «Da ist die Verlockung relativ hoch. Denn man hat super Preise und ein ständig wechselndes Sortiment», so Murbach.

Dahinter steckt ein psychologisches Prinzip: der «Treasure-Hunter-Effekt». Wer ein Schnäppchen macht, fühlt sich kurzzeitig stolz – und will dieses Gefühl immer wieder erleben. «Das rationale und das emotionale Denken schaukeln sich da gegenseitig hoch.»

Die Schweiz kauft bewusst ein

Dass das Sortiment bei Action laufend wechselt, erhöht den Reiz. «Man muss fast täglich vorbei, um zu sehen, ob es etwas Neues gibt.» Ein Modell, das auch in der Schweiz aufgehen könnte – wenn die Marke richtig positioniert wird.

Denn: «Der Schweizer kauft nicht gern billig, sondern günstig. Das ist ein grosser Unterschied.» So lässt man sich beispielsweise mehr Zeit, um die Preise im Internet abzugleichen. «Man macht sich bewusst Gedanken zum Preis. Vor zwanzig Jahren war das noch anders», erklärt Murbach. 

Ob es in der Schweiz noch einen weiteren Discounter brauche? «Brauchen tun wir’s nicht», sagt Murbach. «Aber es ist etwas Neues – und das macht neugierig.» Schon bei Aldi und Lidl sei man skeptisch gewesen – heute sind sie etabliert. «Lidl in Deutschland ist zwar viel günstiger, aber die Qualität in der Schweiz ist sehr gut.» Entscheidend sei der Auftritt eines Discounters – als Marke mit Profil oder als Ramschladen. Beides sei möglich.

Das Preisbewusstsein nimmt eine neue Form an

Die etablierten Detailhändler wie Migros und Coop stehen unter Druck. Die Migros hat längst reagiert und dreht bei Eigenmarken an der Preisschraube. Doch nicht nur Supermärkte spüren die Konkurrenz: «Ein Jelmoli oder Franz Karl Weber – beide mussten schliessen. Auch Premiumformate geraten unter Druck.»

Ein weiterer Faktor: der Online-Handel. Wer im Laden nicht findet, was er sucht, bestelle es einfach online. Das ist oft günstiger, schneller und flexibler. «Der gesellschaftliche Wandel zeigt sich auch im Kaufverhalten», sagt Murbach. Bio und Nachhaltigkeit sind zwar weiterhin wichtig, aber das Preisbewusstsein hat eine neue Form angenommen.


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