ErnährungKonsumenten schätzen Umweltbelastung von Vegi-Produkten zu hoch ein
stsc, sda
15.12.2021 - 09:40
Fälschlicherweise bewerten Konsumenten viele Fleischersatzprodukte wie Tofu, Falafel und vegetarische Würstchen als weniger umweltfreundlich und ungesünder als Fleisch. Dies könnte mit ein Grund sein, warum Vegi-Produkte nach wie vor ein Nischendasein fristen.
stsc, sda
15.12.2021, 09:40
SDA
Fleischersatzprodukte können zu einer nachhaltigeren und gesünderen Ernährungsweise beitragen. Doch Konsumentinnen und Konsumenten stehen neuen Lebensmitteln, die traditionelle Produkte ersetzen sollen, tendenziell skeptisch gegenüber. Und tatsächlich: Obwohl allein im Jahr 2020 rund 150 neue Fleischersatzprodukte auf den Schweizer Markt kamen, lag deren Marktanteil nur bei 2,3 Prozent.
Wieso diese Zurückhaltung? Das untersuchten Forschende des Instituts für Umweltentscheidungen der ETH Zürich um die Ernährungswissenschaftlerin Christina Hartmann. Sie liessen 534 Personen aus der deutschsprachigen Schweiz zwanzig proteinreiche Lebensmittel, darunter Fleisch, Käse und verschiedene Fleischersatzprodukte, bewerten – wie umweltfreundlich, wie gesund und wie natürlich diese seien. Das Urteil verglichen die Forschenden mit Ökobilanzen und Nährwertprofilen.
Fleisch kommt zu gut weg
Fazit der im Fachmagazin «Food Quality and Preference» erschienenen Studie: Die Teilnehmenden bewerteten Fleischersatzprodukte keineswegs umweltfreundlicher als Fleisch – obwohl dies den Ökobilanzen zufolge meistens der Fall ist.
Beispielsweise wies Rindfleisch-Entrecôte die höchste Umweltbelastung auf; diese wurde jedoch unter den Befragten stark unterschätzt. Ein Burger aus Erbsenprotein sowie eine vegetarische Wurst wurden fälschlicherweise sogar als weniger umweltfreundlich bewertet als das Entrecôte. Ebenso Huhn, Schwein und Wurst schätzten die Teilnehmenden als umweltfreundlicher ein als die meisten Fleischersatzprodukte.
Ernährungswissenschaftlerin Hartmann zeigt sich kaum erstaunt über diese Resultate: «Bereits in früheren Studien konnten wir zeigen, dass Konsumenten kaum einschätzen können, wie viele Ressourcen die Fleischproduktion tatsächlich verschlingt», sagte sie im Gespräch mit der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Zudem sei das Bild womöglich stark von Werbebildern mit glücklichen Kühen geprägt statt von Massentierhaltung.
Unnatürlich gleich ungesund?
Weiter ging aus der Studie hervor, dass die Studienteilnehmenden die Fleischersatzprodukte nicht für die gesündere Option hielten. Sie bewerteten die Nährwertprofile aller tierischer Produkte – mit Ausnahme von Fischstäbchen und Chicken Nuggets – als gesünder als beispielsweise Tofu, Falafel und Sojahackfleisch.
Aber: In den Nährwertprofilen schneiden die Produkte allesamt ähnlich gut ab. Ebenfalls bewerteten die Befragten die Fleischersatzprodukte als weniger natürlich als die tierischen Lebensmittel.
«Das ist ein typisches Muster, das wir immer wieder beobachten», sagte Hartmann: «Verarbeitete Produkte, die in der Tat weniger natürlich sind, werden gleichzeitig auch für weniger gesund gehalten. Obwohl das nicht unbedingt so sein muss.»
Label hilft wohl wenig
Der Nutri-Score, ein System zur Nährwertkennzeichnung von Lebensmitteln, sowie Umweltlabels auf Produkte zu drucken, um Konsumenten eine Entscheidungshilfe zu geben, sieht Hartmann kritisch – und es gebe ganz unterschiedliche Meinungen dazu in der Fachwelt.
«Es ist zu bezweifeln, dass alle Konsumenten, über alle Bildungsschichten hinweg, die Kennzeichnung verstehen.» Zudem sei der Supermarkt bereits jetzt ein Label-Dschungel, der die Entscheidung nicht unbedingt leichter mache.
«An Umwelt und Ernährung Interessierte informieren sich wahrscheinlich sowieso schon anderweitig über die Produkte», sagte Hartmann: «Und die anderen erreicht man wohl auch mit einem Label nicht.»
So schliessen die Forschenden in ihrer Studie, dass der generell negative Eindruck gegenüber Fleischersatzprodukten im Vergleich zu richtigen Fleisch eine Herausforderung bleibe – für die Industrie, die öffentliche Gesundheit sowie im Hinblick auf eine nachhaltigere Ernährungsweise.
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