Angestellte hatten im 2021 ein Lohn-Minus zu verzeichnen: Inflationsbedingt hatten sie zuletzt 0,8 Prozent weniger im Portemonnaie.
SDA/uri
01.06.2022, 09:51
01.06.2022, 12:16
SDA
Die Nominallöhne in der Schweiz sind 2021 wegen der Corona-Krise erstmals leicht gesunken. Weil gleichzeitig die Teuerung angezogen hat, blieb den Arbeitnehmenden in der Schweiz real deutlich weniger im Portemonnaie. Experten stellen diese Zahlen aber in Frage.
Die Nominallöhne sanken im vergangenen Jahr laut einer Mitteilung des Bundesamtes für Statistik (BFS) vom Mittwoch um 0,2 Prozent. Das ist der erste Rückgang seit Einführung des schweizerischen Lohnindexes im Jahr 1942.
Gleichzeitig ist 2021 die Inflation um 0,6 Prozent gestiegen, versursacht durch höhere Öl- und Mietpreise. Real mussten die Angestellten in der Schweiz also einen Rückgang ihrer Kaufkraft um 0,8 Prozent hinnehmen.
2020 noch hatte sich die Kaufkraft um 1,5 Prozent erhöht. Das bei einer um 0,7 Prozent rückläufigen Teuerung, aufgrund der von der Coronapandemie verursachten Konjunkturverlangsamung.
Erstmals sinkende Löhne
Seit 1942 ist es das 15. Mal, dass die Kaufkraft gesunken ist. Sechs Mal ist dies in diesem Jahrhundert geschehen: im Jahr 2000 (-0,3%), 2005 (-0,2%), 2008 (-0,4%), 2017 (-0,1%) und 2018 (-0,4%) sowie im Jahr 2021.
Einen so starken Rückgang wie im vergangenen Jahr findet man jedoch nur im Jahr 1981, als die Reallöhne im Zuge der galoppierenden Inflation um 1,0 Prozent sanken.
Sinkende Nominallöhne hingegen gab es in der Schweiz seit dem Zweiten Weltkrieg noch nie – weiter zurück gehen die Zeitreihen des BFS nicht. Selbst in der Finanzkrise (2008: +2,0%) oder nach dem Frankenschock (2015: +0,4%) stiegen die Gehälter.
Pandemie dämpft Löhne
Laut Didier Froidevaux, Sektionschef Löhne und Arbeitsbedingungen im BFS, spielte die Coronapandemie eine entscheidende Rolle. Als die Löhne für 2021 im Herbst 2020 ausgehandelt wurden, seien die wirtschaftlichen Aussichten nicht sehr gut gewesen.
«Das führte wahrscheinlich zu einer gewissen Zurückhaltung bei den Lohnverhandlungen», sagte Froidevaux zur Nachrichtenagentur AWP. Angestellte mit einem Gesamtarbeitsvertrag erzielten mit plus 0,4 Prozent Nominallohn übrigens bessere Ergebnisse.
Industrie schneidet schlechter ab
Die schlechtesten Karten hatten offenbar die Angestellten der Industrie: Deren Nominallöhne sind um durchschnittlich 0,5 Prozent gesunken. In den einzelnen Wirtschaftszweigen des Sektors entwickelten sich die Löhne jedoch sehr unterschiedlich und bewegten sich in einer Spanne von -3,1 und +2,1 Prozent.
Im Dienstleistungssektor sind die Nominallöhne mit -0,1 Prozent weniger stark gesunken. Den stärksten Rückgang (-3,3%) verzeichnete der Bereich Kunst, Unterhaltung und Erholung, was mit der Pandemie zusammenhängt.
Auf der anderen Seite ist der Anstieg der Gehälter in der öffentlichen Verwaltung (+2,1%) zu nennen.
Frauen holen auf
Allerdings hatten im Jahr 2021 nur die Männer weniger Geld: Ihre Reallöhne sanken um 1,3 Prozent, während die Kaufkraft der Frauen unverändert blieb. Nominal sanken die Löhne und Gehälter der Männer um 0,7 Prozent, während Gehälter der Frauen um 0,6 Prozent stiegen.
Die geschlechtsspezifisch differenzierte Entwicklung zeigt, dass sich der durchschnittliche Abstand zwischen Männern und Frauen allmählich verringert, so das BFS.
Zweifel an Statistik
Von AWP befragte Experten bezweifeln aber die vom BFS erhobenen Daten und gehen von höheren Löhnen in 2021 aus. Denn das Bundesamt erhebe seine Daten auf Basis aufgrund der Meldungen an die Suva und andere Unfallversicherungen. Die Pandemie habe daher schon 2020 zu massiven Verzerrungen geführt.
Denn wer im Lockdown nichts unternehmen kann, kann sich auch nicht verletzten. «Junge Leute und damit auch viele Tieflohnbezüger haben sich weniger verletzt und sind nicht in der Datenbasis aufgetaucht», sagte ein Experte zu AWP. Das habe 2020 zu einer eher zu hohen BFS-Schätzung geführt und 2021 zu einer zu tiefen.
BFS-Mann Froidevaux ist sich dieser Problematik bewusst. «Wir haben daher die Zahlen kalibriert, um den Einfluss der Pandemie zu eliminieren oder zumindest zu minimieren.»
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