US-Handel mit Indien Marktöffnung per Brechstange

Philipp Dahm

6.3.2019

Indiens Premier Narendra Modi (links) besuchte im Juni 2017 Donald Trump in Washington.
Indiens Premier Narendra Modi (links) besuchte im Juni 2017 Donald Trump in Washington.
Bild:  Keystone

Nach China nun Indien: Donald Trump zettelt den nächsten Handelskonflikt an. Vorderhand geht es um Medizinalgerät, dahinter um einen Riesen-Markt, um Margen – und am Ende prallen Welten aufeinander.

Die indische Handelsdelegation wird guter Dinge gewesen sein, denn ökonomisch hat sich viel getan: Die einst exorbitant hohen Einfuhrzölle sind grösstenteils abgebaut, und der heimische Markt hat sich landwirtschaftlichen US-Produkten geöffnet, obwohl es wegen der dortigen Agrarpolitik Bedenken gibt.

Dass ein Kompromiss erzielt worden ist, dürfte auch Washingtons Drohung gestundet sein, Indien aus dem 1974 aufgelegten Generalized System of Preferences (GSP) zu werfen. Dort gelistete Staaten dürfen bestimmte Waren zollfrei in die USA einführen. Die Unterhändler machen Zugeständnisse.

Agrar-Zugeständnisse als Köder

Die Zurückhaltung bei Agrar-Waren wird ebenso aufgegeben wie bei Milch-Produkten oder im Geflügel-Sektor. Spätestens seit Donald Trumps Sparring mit Chinas Präsident Xi Jinping weiss die Welt, dass mit dem New Yorker nicht zu spassen ist. Erst recht, wenn er angeschlagen ist.



Ministerpräsident Imran Khan will keinesfalls der nächste Internationale sein, der mit dem US-Amerikaner in den Ring steigen muss. Seit 42 Jahren profitiert der indische Export von den Sonderkonditionen: 2017 wurden Waren im Wert von 76,7 Milliarden Dollar abgesetzt, während die USA im Gegenzug Güter im Wert von 49,4 Milliarden Dollar nach Indien geschickt haben.

Keine Angst vor US-Stuern: ein Händler am 5. März in Mumbai.
Keine Angst vor US-Stuern: ein Händler am 5. März in Mumbai.
Bild:  Keystone

Das Handelsdefizit, das sich daraus ergibt, beträgt 27,3 Milliarden Dollar. Donald Trump könnte diese Bilanz aufbessern, wenn er das Angebot aus Neu-Delhi annimmt. Ausserdem winkt ein 1,3 Milliarden Menschen schwerer Markt mit allen Absatz- und Gewinnaussichten.

Was die Unterhändler optimistisch stimmt: Die Öffnung für Agrarprodukte wäre für Donald Trump eine Gelegenheit, seiner Wähler-Klientel zu gefallen und auf dem platten Land zu punkten. Und nicht zuletzt braucht Indien nach den neuerlichen Spannungen mit Pakistan nicht auch noch eine zweite Front ökonomischer Natur.


Pakistan setzt indischen Piloten fest:

Medizinische Geräte – Gift für einen Kompromiss

Umso unerfreuter dürfte die Ablehnung aufgenommen worden sein. Indien wird wie die Türkei der Sonderhandelsstatus ab Mai aberkannt, teilte der US-Handelsbeauftragten Robert Lighthizer am Montag mit und betonte, der Schritt erfolge auf persönliche Anordnung des Präsidenten.

Die Türkei habe sich genug entwickelt, wohingegen Indien keinen «fairen und vernünftigen Zugang zu seinen Märkten» in Aussicht stelle. Während Ankara den Entscheid kritisierte, weil man gar nicht so viel erwirtschaften würde, akzeptierte Neu-Delhi die Nachricht notabene mit der Begründung, man sei ja wirklich kein Entwicklungsland mehr.

Auf Waren im Wert von 5,6 Milliarden Dollar fallen in 60 Tagen Steuern an – das sind zwölf Prozent der indischen US-Exporte. Die Zusatzkosten seien mit 200 bis 250 Millionen Dollar überschaubar, heisst es weiter. Dabei hätte wohl nicht viel gefehlt, um Trump zufriedenzustellen: Als Knackpunkt entpuppten sich ausgerechnet Knie-Implantate und Herzschrittmacher, berichtete die «Times of India».

Neoliberale gegen soziale Marktwirtschaft

Diese Geräte fallen in Indien in den Markt für «essenzielle Medizin», der reguliert wird, aber durch seine Grösse ein lohnendes Ziel westlicher Anbieter ist. Die Regierung lehnte schlussendlich eine Deregulierung mit der Begründung ab, man fühle sich mehr dem Ziel verpflichtet, das Angebot auf bezahlbarem Niveau zu halten.

Dieser Aspekt ist jedoch im gesamten indischen Handelspaket derart marginal, dass Washingtons Reaktion nur noch so erklärt werden kann: Es geht ums Prinzip. Auf der einen Seiten das neoliberale System des alles regelnden Marktes, auf der anderen Seite ein wie auch immer gearteter Sozialstaat, der Lenkungsfunktionen wahrnehmen will.

Mülltrennung in Indien – ein Fall für die Schattenwirtschaft:

Die Gegensätze scheinen unvereinbar. Doch trotz der vermeintlichen Antipole sind die Denkweisen gar nicht so verschieden. Ein zweiter Kritikpunkt der Amerikaner war die Daten-Speicherung des elektronischen Handels, der in den Bereich der nationalen Souveränität fällt. Das behindere US-Anbieter, klagte das Weisse Haus – und im Geheimen mit Sicherheit auch das Pentagon.

Die USA sind gleicher

Zumal auch Trump schon ganze Branche von einem Tag auf den anderen zum Mittelpunkt nationalen Interesses' erklärt hat – von der Aluminium- bis zur Stahlindustrie. Aus dem Munde eines Donald Trump, der sogar einen nationalen Notstand fabriziert, um innenpolitisch handeln zu können, tönt Kritik an staatlicher Protektion schon etwas schräg.

Dem starken Mann im Ring geht es nicht um gleiche Rechte. Er will amerikanische Vorrechte, und kraft seines Amtes muss er solche auch fordern. Gleichzeitig stimmt auch, dass Neu-Delhi im Wirtschaftsring einen kapitalen Fehler gemacht hätte, wenn es das Handtuch und sein System hingeworfen hätte, nur weil Trump mal einen Schlag andeutet. Und die nächste Runde kommt bestimmt.

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