«Der Vogel ist befreit» Musk übernimmt Twitter, feuert Spitzenkräfte und setzt kryptischen Tweet ab

dpa

28.10.2022 - 09:10

Musk übernimmt Twitter – und feuert Top-Manager

Musk übernimmt Twitter – und feuert Top-Manager

STORY: Nach einigem Hin und Her geht der Mega-Deal nun wohl tatsächlich über die Bühne. Tesla-Chef Elon Musk ist am Donnerstag neuer Eigentümer des US-Kurznachrichtendienstes Twitter geworden und hat Insidern zufolge die ersten Top-Manager gefeuert. Musk entliess laut mit der Angelegenheit vertrauten Personen und Medienberichten unter anderem den Twitter-Chef Parag Agrawal, zudem den Finanzchef und die Leiterin der Abteilung für Rechtsangelegenheiten und Politik. Der Milliardär hatte ihnen vorgeworfen, ihn und die Twitter-Investoren über die Zahl der gefälschten Konten auf der Social-Media-Plattform in die Irre geführt zu haben. Zwei der Manager seien in der Twitter-Zentrale in San Francisco gewesen, als der Übernahmedeal abgeschlossen wurde. Beide seien hinausbegleitet worden, fügten die Quellen hinzu. Twitter, Musk und die Führungskräfte reagierten nicht sofort auf Bitten um eine Stellungnahme. Musk hatte im April angekündigt, er wolle Twitter für 44 Milliarden Dollar übernehmen. Im Juli hatte er dann mit Verweis auf angebliche Falschaussagen Twitters zur Anzahl von Scheinkonten auf der Plattform erklärt, er werde den Kauf nicht vollziehen. Es folgten gegenseitige Klagen. Mit dem Schritt übernimmt der reichste Mann der Welt eine der einflussreichsten Medienplattformen überhaupt. Zuletzt stand neben mutmasslichen Umbauplänen des Dienstes auch ein möglicher Job-Kahlschlag bei Twitter im Raume.

28.10.2022

Tesla-Chef Elon Musk hat sich offenbar die Chefetage des Kurznachrichtendienstes vorgeknöpft. Eine offizielle Bestätigung zum Abschluss der Twitter-Übernahme steht allerdings immer noch aus.

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Die Ära von Elon Musk bei Twitter hat laut Medienberichten mit Entlassungen in der Chefetage begonnen. Am Donnerstag seien etwa der bisherige Firmenchef Parag Agrawal und Finanzchef Ned Segal gefeuert worden, berichteten unter anderem der Sender CNBC und das «Wall Street Journal».

Nach Informationen des Finanzdienstes Bloomberg will Musk zunächst selbst den Chefposten übernehmen. Erst mit der Zeit könnte er den Job an jemand anderen abgeben.

Musk ist bereits Chef unter anderem beim Elektroauto-Hersteller Tesla und seiner Weltraumfirma SpaceX. Er führt auch kleinere Projekte wie das Tunnelbau-Unternehmen Boring Company und die Forschungsfirma Neuralink, die Technologien zur direkten Vernetzung von Menschen und Computern entwickelt.

Trump-Sperre abschaffen

Laut dem Bericht will Musk auch seine Ankündigung umsetzen, lebenslange Sperren für Nutzer bei Twitter abzuschaffen. Von einer solchen – nach bisherigen Angaben unumkehrbaren Verbannung – ist unter anderem der amerikanische Ex-Präsident Donald Trump betroffen. Ob die Abschaffung der lebenslangen Sperren auch die Position von Trump verändern würde, sei noch unklar, hiess es bei Bloomberg.

Trump hatte sich noch als US-Präsident in einem Twitter-Video lobend über seine Anhänger geäussert, die am 6. Januar 2021 das Kapitol in Washington stürmten. Daraufhin wurde er von der Plattform verbannt. Unter den am Donnerstag entlassenen war den Berichten zufolge auch die für den Kampf gegen Hassrede und falsche Informationen zuständige Top-Managerin Vijaya Gadde.

«Befreiter Vogel»

Musk selbst deutete in seiner üblichen Manier den Abschluss der Twitter-Übernahme mit einem etwas kryptischen Tweet an. «Der Vogel ist befreit», schrieb er ohne weitere Details. Das Twitter-Logo ist ein blauer Vogel – und Musk hatte stets betont, die Plattform von aus seiner Sicht zu starken Einschränkungen der Meinungsfreiheit zu befreien. Kritiker befürchten, dass er damit Hassrede und Hetze Vorschub leisten könnte, gegen die Twitters Teams seit Jahren ankämpfen.

Musk hatte Agrawal und die Twitter-Führung in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert. Mindestens einer der Manager sei aus der Firmenzentrale herausbegleitet worden, schrieb die «New York Times» unter Berufung auf informierte Personen. Bloomberg zufolge war es der Chefjurist Sean Edgett. Eine offizielle Mitteilung zum Abschluss der rund 44 Milliarden Dollar schweren Übernahme stand immer noch aus.

Der «New York Times» zufolge war zunächst auch unklar, ob der Deal zum Zeitpunkt der Entlassungen bereits vollzogen gewesen sei. Laut «Washington Post» und «Wall Street Journal» ist der Tech-Milliardär aber seit Donnerstag der Eigentümer von Twitter.

Die Transaktion muss bis Freitag um 17:00 Uhr Ostküsten-Zeit (23:00 Uhr MESZ) durch sein, sonst landet der Deal doch noch vor Gericht. Eine Richterin setzte Musk und Twitter diese Frist, um die Übernahme nach monatelangem Hin und Her endlich zu regeln. Die Aktie sollte laut einer Ankündigung am Freitagmorgen US-Ostküstenzeit vom Handel ausgesetzt werden – ein Hinweis auf eine bevorstehende Ankündigung.

Selbsternannter «Chief Twit»

Musk hatte die Übernahme selbst eingefädelt, dann aber versucht, unter Verweis auf angeblich falsche Angaben zur Zahl von Fake-Accounts bei Twitter aus dem Deal wieder herauszukommen. Twitter zerrte ihn vor Gericht – und Musk erklärte sich kurz vor Beginn des Prozesses im Bundesstaat Delaware bereit, Twitter zum ursprünglich vereinbarten Preis von 54,20 Dollar pro Aktie zu kaufen. Dass er dabei die Einstellung des Gerichtsverfahrens als Bedingung stellte, sorgte aber bis zuletzt noch für Unsicherheit.

Elon Musk, Chef des Elektroautoherstellers Tesla und des Raumfahrtunternehmens SpaceX, hat jetzt einen weiteren Titel: Twitter-Eigentümer.  Oder «Chief Twit», wie er sich seit ein paar Tagen auf Twitter  nennt. (Archivbild)
Elon Musk, Chef des Elektroautoherstellers Tesla und des Raumfahrtunternehmens SpaceX, hat jetzt einen weiteren Titel: Twitter-Eigentümer. Oder «Chief Twit», wie er sich seit ein paar Tagen auf Twitter nennt. (Archivbild)
Patrick Pleul/dpa-Zentralbild/POOL/dpa

Dass Musk sich doch noch mit seiner neuen Rolle als Twitter-Besitzer abgefunden hat, zeichnet sich schon seit Tagen ab. Bereits am Mittwoch tauchte er in der Konzernzentrale in San Francisco auf und bezeichnete sich in seinem Twitter-Profil nun als «Chief Twit». Am Freitag will er sich laut US-Medien in grösserem Stil den Beschäftigten dort vorstellen.

Das dürfte kein leichter Auftritt für ihn werden, nachdem zuletzt Berichte über einen grossen Stellenabbau für Verunsicherung bei den Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern sorgten. Informationen, wonach er drei Viertel der Beschäftigten rauswerfen wolle, soll er diese Woche in der Zentrale zurückgewiesen haben.

Kein Ort des Grauens

Musk versuchte schon am Donnerstag, Werbekunden und Nutzer zu beruhigen, die unter ihm eine Verrohung des Tons beim Online-Dienst befürchten. Twitter dürfe kein «Ort des Grauens» werden, wo ohne Konsequenzen alles gesagt werden könne, schrieb Musk in einem offenen Brief an Anzeigenkunden. Die Plattform müsse «warm und einladend für alle» sein, schrieb Musk nun.

Er habe Twitter nicht gekauft, weil es einfach sein würde oder um mehr Geld zu machen, schrieb Musk. «Ich tat es, um der Menschheit zu helfen, die ich liebe», verkündete er. Und er gehe die Aufgabe mit Demut an – und im Bewusstsein, dass er trotz aller Bemühungen scheitern könne. Musk begründete den Kauf auch stets mit dem Anliegen, die Redefreiheit zu stärken.

Trumps Verbannung von Twitter bezeichnete Musk im Mai als «moralisch falsch und einfach nur dumm». Eine Rückkehr zu dem einflussreichen Netzwerk würde für Trump für eine mögliche Kandidatur bei der Präsidentschaftswahl 2024 gerade rechtzeitig kommen. Er selbst zeigte sich zwar zufrieden mit der Präsenz bei seiner eigenen Twitter-Kopie Truth Social. Allerdings hat er dort nur wenige Millionen Follower, statt mehr als 80 Millionen einst bei Twitter.