Ein Student sitzt an einem Tisch in einem kleinen Laborraum, durch die Lüftung wird Stickstoffdioxid hinein geblasen. Es ist eines der unerwünschten Nebenprodukte bei Verbrennungsprozessen, etwa in Dieselmotoren.
Insgesamt drei Stunden atmet der Student die Luft mit dem Gas ein, fährt zwischendurch auf einem Fitnessrad. Davor und danach wird sein Atem getestet, sein Blut und auch sein Nasenschleim. Es handelt sich um das umstrittene Experiment, das Forscher der Uniklinik Aachen gefördert von einem Verein der Autoindustrie durchführten.
Die Stickoxid-Belastungen, denen die Versuchspersonen ausgesetzt waren, lagen "deutlich unter den Konzentrationen, wie sie an vielen Arbeitsplätzen in Deutschland auftreten", erklärt die Uniklinik der RWTH Aachen, als die Welle der Empörung über sie hereinbricht.
Die 2016 veröffentlichte Studie sei bereits 2012, also lange vor dem Dieselskandal in Auftrag gegeben worden, und die Ethikkommission der Uniklinik habe den Auftrag damals geprüft und genehmigt.
Hohe Genehmigungshürden
"Die Hürden für eine Studie am Menschen sind sehr hoch", sagt Claudia Traidl-Hoffmann, Professorin für Umweltmedizin an der Technischen Universität München. Das liege an der ethischen Problematik solcher Forschung: "Menschen werden gezielt vermeintlich giftigen Stoffen ausgesetzt".
Die Forscher müssten vor Beginn einer jeden Studie einen Ethikantrag mit sämtlichen Details zur Studie wie etwa dem Mass der geplanten Aussetzung mit vermeintlich giftigen Stoffen oder dem Stresslevel der Versuchspersonen einreichen. Der Antrag werde von einer Kommission geprüft, die beurteile, ob das Forschungsvorhaben ethisch einwandfrei ist", sagt die Forscherin.
Komplett auf Menschenversuche könne die Forschung nicht verzichten. Sie würden benötigt, um Wirkungsketten und Mechanismen auf molekularer Ebene aufzuzeigen. Allerdings sind solche Experimente in Deutschland eher die Ausnahme denn die Regel: "Ein gewöhnlicheres Vorgehen als Menschenversuche sind Tests, bei denen komplexe Zellsysteme im Reagenzglas bestimmten Wirkstoffen ausgesetzt werden." Dabei stellten sich auch weniger ethische Fragen.
Umstrittene Interpretation
Von der wissenschaftsethischen Seite her waren die Aachener Forscher also auf der sicheren Seite. Ob die Interpretation ihrer Forschungsergebnisse durch den Geldgeber, die Europäische Forschungsvereinigung für Umwelt und Gesundheit im Transportsektor (EUGT), immer sauber war, ist eine andere Frage.
Nach Ansicht von Umweltmedizinern handelte es sich bei dem im vergangenen Sommer aufgelösten Verein um eine Lobby-Organisation der Autoindustrie. "Über die Gefährdung der Bevölkerung durch Dieselabgase sagt der Versuch jedenfalls nichts aus", sagt ein Mediziner aus dem Umweltbundesamt. "Es handelt sich um eine arbeitsmedizinische Untersuchung".
Doch auch für die Arbeitsmedizin ist der Erkenntnisgewinn gering. Die Studie kam nämlich zu dem Ergebnis, dass die kurzzeitige Aussetzung mit niedrigen Werten von NO2 "keine signifikanten Auswirkungen auf die Lungenfunktion" habe. "Uns interessiert aber eher die Langzeitwirkung", sagt dazu die Bundesanstalt für Arbeitsschutz und Arbeitsmedizin.
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