Spionagevorwürfe Nach Trump-Drohung: Microsoft gibt Tiktok-Übernahme nicht auf

dpa/dor

3.8.2020

Die Trump-Regierung will die zum chinesischen Internetkonzern ByteDance gehörende App Tiktok in den USA eigentlich verbieten, doch nun bahnt sich eine Wende an. Mit Microsoft bringt sich ein US-Unternehmen in Stellung, die Videoplattform zu übernehmen.

Ein Übernahmemanöver von Microsoft könnte das von US-Präsident Donald Trump angedrohte Verbot der beliebten Videoplattform Tiktok womöglich doch noch verhindern. Der Softwarekonzern aus Redmond bei Seattle bestätigte am Sonntag (Ortszeit) erstmals, den Zukauf des US-Geschäfts von Tiktok anzustreben. Konzernchef Satya Nadella und Trump hätten sich darüber ausgetauscht, nun wolle Microsoft weitere Gespräche mit dem chinesischen Tiktok-Eigentümer ByteDance führen, hiess es in einer Mitteilung des Technologiekonzerns. Ziel sei es, bis zum 15. September einen Deal zu vereinbaren.

ByteDance steht unter hohem Druck, Tiktoks US-Geschäft zu verkaufen, da Trump wegen Sicherheitsbedenken ein Verbot der beliebten App in den Vereinigten Staaten angekündigt hat. Die US-Regierung fürchtet, dass über Tiktok Daten von US-Bürgern in die Hände der chinesischen Kommunistischen Partei geraten. Trump will Pekings Einfluss in den USA mit aller Macht zurückdrängen, auch andere chinesische Konzerne wie die Telekom-Riesen Huawei und ZTE bekamen dies schon zu spüren.

Microsoft-CEO Satya Nadella (r.) war einer der Chefs von US-Technologiekonzernen, die Präsident Donald Trump (l.) am 19. Juni 2017 zu einem Roundtable-Gespräch ins Weisse Haus eingeladen hatte.
Microsoft-CEO Satya Nadella (r.) war einer der Chefs von US-Technologiekonzernen, die Präsident Donald Trump (l.) am 19. Juni 2017 zu einem Roundtable-Gespräch ins Weisse Haus eingeladen hatte.
Bild: Keystone

Sollte jedoch ein US-Unternehmen Tiktoks Geschäft in den Vereinigten Staaten übernehmen, so könnte die App dort weiter eine Zukunft haben. ByteDance bemüht sich deshalb schon länger, seine internationale Plattform von der chinesischen Version zu trennen. Über ein Interesse von Microsoft hatten US-Medien bereits am Freitag berichtet, danach äusserte sich Trump jedoch zunächst ablehnend und bekräftigte seine Verbotsabsicht. Nun meldete sich Microsoft erstmals offiziell zu Wort.

Der Konzern erklärte, die Einwände Trumps ernstzunehmen, den Übernahmeplan aber nach dem Gespräch zwischen Vorstandschef Nadella und dem Präsidenten weiter zu verfolgen. Das deutet auf ein Entgegenkommen Trumps und eine mögliche Einigung hin. Zuvor hatte das «Wall Street Journal» noch unter Berufung auf Insider berichtet, dass die Verhandlungen zwischen Microsoft und ByteDance wegen des Widerstands aus dem Weissen Haus vorerst gestoppt worden seien.



Keine Reaktion von Trump

Trump selbst reagierte zunächst nicht auf die Microsoft-Mitteilung. Sein Finanzminister Steven Mnuchin hatte zuvor lediglich gesagt, es herrsche überparteilich Einigkeit darüber, dass Tiktok nicht in der jetzigen Form in den USA bestehen bleiben könne. US-Aussenminister Mike Pompeo sagte am Sonntag dem Sender Fox News, Trump werde «in den kommenden Tagen Massnahmen in Bezug auf ein breites Spektrum nationaler Sicherheitsrisiken ergreifen, die durch Software in Verbindung mit der chinesischen Kommunistischen Partei entstehen».

Microsoft betonte, dass eine Übernahme nur im Einvernehmen mit der Regierung und im Zuge einer Sicherheitsprüfung sowie klarer Belege für einen Nutzen der US-Wirtschaft infrage käme. Der Dialog mit der Trump-Regierung solle während der weiteren Gespräche mit ByteDance in den kommenden Wochen fortgeführt werden. Microsoft will der Mitteilung nach allerdings nicht nur das US-Geschäft von Tiktok übernehmen, sondern auch das in Kanada, Australien und Neuseeland.

Dabei sei der Konzern auch offen gegenüber anderen Investoren, die sich als Minderheitspartner beteiligen. Damit könnte sich eine Tür für eine Reihe bestehender amerikanischer Anteilseigner von ByteDance um den Wagniskapitalgeber Sequoia Capital öffnen, die wegen des drohenden Verbots der US-Regierung angeblich ebenfalls schon seit längerem eine Übernahme auf eigene Faust anstreben. Microsoft betonte aber, dass die Verhandlungen in einem vorläufigen Stadium seien und es keine Sicherheit gebe, ob letztlich eine Einigung erzielt werde.

Tiktok ist eine international erfolgreiche Videoplattform, die in 65 Sprachen auf 175 Märkten angeboten wird. Nutzer können dort selbsterstellte Clips hochladen oder die von anderen ansehen. In Festland-China gibt es nur die zensierte Version Douyin. Tiktok versichert, es gehe der Plattform um kreative Inhalte, bei der «Privatsphäre und Sicherheit» geschützt würden. Chinas Regierung habe keinen Zugriff auf Nutzerdaten und habe dies auch nie verlangt. Die Nutzerdaten würden in den USA gespeichert und verarbeitet.

Attraktives Übernahmeziel

In den USA hat Tiktok nach eigenen Angaben 100 Millionen Nutzer und ist damit ein äusserst attraktives Übernahmeziel. Microsoft könnte aus dem politischen Gerangel um die App somit als lachender Dritter hervorgehen – der Softwarekonzern hat bislang kein eigenes Social-Media-Geschäft. Tiktok verzeichnet rasantes Wachstum und gilt schon länger als angesagteste grosse Plattform bei jüngeren Leuten. Wie viel Microsoft für Tiktok zahlen müsste, ist bislang unklar. Es dürfte aber um einen zweistelligen Milliardenbetrag gehen.

Von einem Tiktok-Verbot wiederum könnte vor allem Facebook profitieren. Das Unternehmen aus dem Silicon Valley hat kürzlich seinen in Instagram eingebauten TikTok-Klon Reels vorgestellt. Mit der Funktion können Instagram-Nutzer kurze Videos erstellen und mit Soundeffekten und Musik unterlegen. Reels wird bereits in Brasilien, Deutschland, Frankreich und Indien getestet, diesen Monat schaltet Facebook seinen Tiktok-Rivalen auch in den USA frei.

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