Bares wird Rares? Neuer 100er ist da – doch wohin steuert die Schweiz beim Bargeld?

tsha

3.9.2019

Die Schweizerische Nationalbank hat heute den neuen 100er-Schein präsentiert. Aber ist Bargeld nicht eigentlich ein Auslaufmodell?

In der kommenden Woche wird der neue 100-Franken-Schein in Umlauf gebracht, der sechste und letzte Schein der neuen Serie. Die Banknote  soll fälschungssicher sein und mit seinem Motiv die humanitäre Seite der Schweiz repräsentieren, so die Schweizerische Nationalbank.

Derzeit seien fast 134 Millionen 100er in Umlauf – mehr als jeder andere Schein in der Schweiz. Aber braucht es in Zeiten, da viele Bürger vermehrt bargeldlos bezahlen, überhaupt noch neue Geldscheine? Ist der «gedruckte» Franken ein Auslaufmodell?



Tatsächlich bezieht der Durchschnittsschweizer laut einer aktuellen Studie der Zürcher Hochschule für Angewandte Wissenschaften (ZHAW) und der Universität St. Gallen im Monat nur 140 Franken Bargeld; im Portemonnaie führen die Schweizer durchschnittlich nur 80 Franken mit sich. Ein 100er findet da also nicht einmal mehr Platz.

Zwar ist das Bargeld noch immer das am häufigsten genutzte Zahlungsmittel in der Schweiz. Doch nur 27 Prozent der Gesamtausgaben werden hierzulande bar getätigt – auf Platz eins liegt, wie schon im Vorjahr, die Debitkarte (29 Prozent). Es folgen Kreditkarte (22 Prozent) und mobile Zahlungslösungen (zwei Prozent).

«Die Jahre des Bargelds sind gezählt»

«Die Jahre des Bargelds sind gezählt», glaubt Soziologieprofessor Axel Paul. Der Trend gehe zu einer «endgültigen Entmaterialisierung des Geldes», so der Wissenschaftler gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Und dennoch sei Bares für ihn persönlich noch immer Wahres: Wer mit Münzen oder Scheinen bezahle, bleibe anonym. «Ich möchte einfach selber entscheiden, wann Dritte Zugriff auf meine Daten haben, selbst wenn es nur potenziell ist.»

Viele Schweizer scheinen das allerdings anders zu sehen. Das zeigt sich etwa an der Tausender-Note. Nach der Finanzkrise 2008 habe sich die Menge der in Umlauf befindlichen 1'000-Franken-Scheine binnen zehn Jahren verdoppelt; mittlerweile aber sind wieder weniger der wertvollsten Banknoten des Landes im Umlauf, so der «Tages-Anzeiger» unter Berufung auf Daten der Schweizerischen Nationalbank (SNB).

Ein Blick ins Ausland zeigt: In vielen Länder befindet sich das Bargeld auf dem Rückmarsch. Etwa in Schweden. Schon in vier Jahren, haben Forscher errechnet, könnte dort Schluss sein mit Bargeld. In keinem anderen Land weltweit wird derart oft bargeldlos bezahlt wie in der Heimat von Ikea. Sechs von sieben Zahlungen laufen ab, ohne dass Geld in physischer Form den Besitzer wechselt. In vielen Läden und Einrichtungen wird Bares schlichtweg nicht mehr akzeptiert – auch weil es der Gesetzgeber nicht verlangt. Stattdessen wird vermehrt mit dem Smartphone gezahlt. 

Die neunte Schweizer Banknoten-Serie

Blick nach Deutschland

Dabei ist Zahlung per Handy längst kein Privileg reicher Bürger in wohlhabenden Staaten. In China etwa sind Bezahlapps wie WeChatPay oder Alipay gerade deswegen so beliebt, weil viele ärmere Bürger hier kein eigenes Bankkonto haben. Wer per App zahlt, braucht das auch gar nicht – ein Vorteil, der vor allem in Entwicklungsländern greift.

Aber zurück in die Schweiz. Hierzulande werde man so schnell nicht auf Bargeld verzichten, glaubt die Nationalbank. Man habe «keine Befürchtungen, dass das Bargeld kurzfristig nicht mehr benutzt wird», so Alain Kouo, Sprecher der SNB, gegenüber dem «Tages-Anzeiger». Man wolle auch in Zukunft neue Banknotenserien entwickeln, um Sicherheitsstandards zu gewährleisten. Auch der Bundesrat sieht das Ende von Münzen und Scheinen noch lange nicht kommen, wie kürzlich eine Anfrage von SP-Nationalrätin und Konsumentenschützerin Prisca Birrer-Heimo ergab.

Vielleicht geht die Schweiz also nicht den schwedischen Weg, sondern jenen Deutschlands. Zwar wurde auch im Nachbarland zuletzt etwas seltener mit Barem bezahlt – doch noch immer aber läuft dort fast jede zweite Zahlung mit Bargeld ab. Wie die Deutsche Bundesbank schreibt, steigt die Menge an ausgegebenem Bargeld sogar kontinuierlich – um zuletzt durchschnittlich 5,5 Prozent jährlich. Die Chancen, dass der aktuelle Schweizer 100er nicht der letzte ist, stehen also gar nicht so schlecht.

Bilder aus der Schweiz

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