Neuer Versuch 2023? Putins Krieg vermiest Schweizer Unternehmen ihre Börsenpläne

tjnj / SDA

3.12.2022 - 20:52

An der Börse gibt es für viele zu grosse Unsicherheiten. Im Bild: ein Passant studiert die Aktienkurse an der Börse in Zürich. (Archivbild)
An der Börse gibt es für viele zu grosse Unsicherheiten. Im Bild: ein Passant studiert die Aktienkurse an der Börse in Zürich. (Archivbild)
Keystone

Das Börsenjahr 2022 hatte gut begonnen, doch dann kam der russische Angriff auf die Ukraine. Die Rahmenbedingungen für Schweizer Börsengänge waren dahin. Doch es besteht Hoffnung für 2023.

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Die garstige Lage an den Aktienmärkten hat die Börsenpläne einiger Schweizer Unternehmen in diesem Jahr durchkreuzt. Aber aufgeschoben ist nicht aufgehoben: 2023 könnte ein besseres Jahr für sogenannte Initial Public Offerings (IPO) an der Schweizer Börse SIX werden.

«Einige Projekte waren im laufenden Jahr bereits ziemlich weit fortgeschritten», sagt Andreas Neumann, Leiter Aktienkapitalmarkt bei der Zürcher Kantonalbank auf Anfrage der Nachrichtenagentur AWP. «Diese mussten dann aber aufgrund des Umfelds sistiert werden.»

Eine Reaktivierung dieser Projekte sei wahrscheinlich, sofern sich die geopolitische Lage und die Aktienmärkte stabilisieren. Will heissen: «Es befinden sich Kandidaten in der Pipeline.»

Ein unterdurchschnittliches Jahr

Für das laufende Jahr ist das IPO-Fenster allerdings bereits zu: Die noch verbleibenden wenigen Wochen dürften zu kurz sein, da es zwischen der Ankündigung und dem ersten Handelstag in der Regel drei bis vier Wochen braucht, sagt Neumann. Und nach der ersten Dezember-Woche seien IPOs kaum mehr denkbar.

Eigentlich sah es vor einem Jahr gut aus für das IPO-Jahr 2022, aber dann haben sich die Rahmenbedingungen zunehmend eingetrübt. Vor allem der Krieg in der Ukraine setzte der Börse zu.

Unter dem Strich bleibt erneut ein unterdurchschnittliches Jahr mit zwei Kotierungen (Accelleron, Epic Suisse), nachdem es 2021 vier Neuzugänge gab (Polypeptide, Montana Aerospace, Medmix und Skan) und 2020 Corona-Flaute herrschte.

Fünf Neuzugänge üblich

Die Abspaltung der ABB-Turboladersparte Accelleron, die seit Oktober separat an der Börse gehandelt werden kann, zeige: Spin-offs ohne Aktienplatzierungen seien marktunabhängig durchführbar, so Neumann.

Die Abspaltung wird am Markt mit rund 1,7 Milliarden Franken bewertet. Das Immobilienunternehmen Epic Suisse platzierte im zweiten Quartal sogar erfolgreich neue Aktien.

Üblich sind hierzulande im langjährigen Vergleich etwa fünf Neuzugänge pro Jahr. Die Flaute war aber kein schweizspezifisches Phänomen. Weltweit ist die Zahl der Börsengänge stark rückläufig.

Zwei positive Indikatoren

Mit Blick auf das kommende Jahr sei es im aktuellen Marktumfeld schwierig zu schätzen, wie viele Unternehmen an die Börse kommen könnten, sagt Neumann.

Auch der Börsenbetreiber SIX sieht das Umfeld für Börsengänge derzeit «eher zurückhaltend». SIX-Sprecher Jürg Schneider verweist auf den Ukraine-Krieg, die Inflation, geopolitische Unruhen sowie auf das makroökonomische Umfeld und Covid.

Besserung ist aber in Sicht. Laut Neumann hat sich der im IPO-Umfeld viel beachtete Volatilitätsindex VIX seit Oktober 2022 von 33 auf 25 Punkte deutlich zurückgebildet. Parallel hätten die Aktienmärkte sich erholt, was beides positiv sei.

Etablierte Unternehmen im Vorteil

Allerdings sei das noch viel zu kurz für eine Reaktivierung der IPO-Pläne: «Eine nochmals tiefere Volatilität von rund 20 Punkten und ein Verharren des VIX auf tieferen Niveaus wäre ideal für IPOs», sagt der Spezialist.

Sofern die Rahmenbedingungen stimmen, werde es im Jahr 2023 wieder einzelne Börsengänge geben. Aber: «Ob es für ein Rekordjahr reichen wird, wage ich nicht vorherzusagen», sagt Neumann. Unternehmen mit etablierten Geschäftsmodellen, die bereits profitabel und dividendenfähig sind, dürften im Vorteil sein.

Seit Februar 2022 hätten sich institutionelle Anleger zunehmend auf liquide Large Caps – Unternehmen mit grossem Börsenwert – fokussiert. «Wir gehen davon aus, dass sich das Fenster für Small und Mid Caps wieder öffnet, wenn sich die Märkte beruhigen.»

Mega-Börsengang voraus

Als gesichert gilt, dass der Pharmakonzern Novartis seine Generikasparte Sandoz im zweiten Halbjahr 2023 an die Börsen bringen wird. Es wäre wohl eine noch grössere Transaktion als die Abspaltung der Augenheilsparte Alcon, welche die Basler 2019 mit einer Marktkapitalisierung von damals knapp 27 Milliarden Franken an der SIX gelistet haben.

Ein ebenfalls grösserer Kandidat wäre der Westschweizer Hautpflegekonzern Galderma. Der Finanzinvestor EQT, der Galderma im Jahr 2019 von Nestlé übernommen hatte, werde den Börsengang in den Herbst oder gar auf Anfang 2023 verschieben, hatte die Nachrichtenagentur Reuters unter Berufung auf Insider geschrieben.

Ursprünglich wäre die wohl ebenfalls über 20-Milliarden-schwere Notierung an der Schweizer Börse in der ersten Jahreshälfte 2022 geplant gewesen.