Forschungsstandort Schweiz Roche-Spitze nimmt Bundespräsident Cassis in die Zange

dosp, sda

2.9.2022 - 19:40

Spitzenvertreter von Roche fordern von Bundespräsident Cassis mehr Initiative in der Bildungs- und Forschungspolitik.
Spitzenvertreter von Roche fordern von Bundespräsident Cassis mehr Initiative in der Bildungs- und Forschungspolitik.
Archivbild: Keystone

Roche-Verwaltungsratspräsident Christoph Franz und CEO Severin Schwan haben an die Adresse des Bundespräsidenten Ignazio Cassis flammende Appelle zur Sicherung des Forschungsstandorts Schweiz gerichtet. Anlass des Treffens war die Einweihung des zweiten Roche-Turms.

Franz und Schwan nahmen am Freitag Cassis bei der Einweihungsfeier des Baus 2, des höchsten Hochhauses der Schweiz, regelrecht in die Zange. Die Spitzenleute von Roche lobten beide die Vorteile des historisch gegeben Standortes Basel und Schweiz, namentlich die Sicherheit, die Verlässlichkeit der Politik und das Umfeld mit herausragenden Hochschulen, die einen wichtigen Beitrag für das Knowhow für den forschungsintensiven Pharmakonzern leisteten.

Franz nutzte aber auch die Gelegenheit, seinen Sorgen Ausdruck zu verleihen. Dazu gehören nach seinen Worten der Ausschluss aus dem europäischen Forschungsprogramm Horizon, die hinterher hinkende Entwicklung bei der Digitalisierung im Gesundheitswesen und Tendenzen, den Patentschutz aufzuweichen. Horizon Europe sei für Life-Science-Unternehmen eine sehr wichtige Grundlage gewesen, sagte er.

Cassis versucht die EU verantwortlich zu machen

Roche-CEO Severin Schwan nahm die Worte des Verwaltungsratspräsidenten bei der direkten Konfrontation mit Cassis auf einem Podium auf. Er erwähnte Beispiele von bislang mit Roche kooperierenden Forscher aus der ETH, die nicht mehr in die Hochschule zurückgekehrt seien.

Direkt an Cassis appellierte Schwan, dass der Bund nun nicht den Fehler begehen solle, in der sich anbahnenden Krise Bildungs- und Forschungspolitik zu vernachlässigen. Die Schweiz habe die Chance, sich hier gegenüber anderen Staaten einen Vorsprung zu verschaffen.

Cassis versuchte nicht, das Krisenthema Horizon Europe zu beschönigen – hier drücke der Schuh, sagte er. Er reichte den schwarzen Peter aber an die EU weiter. Die EU nutze des Ausschluss aus dem Forschungsprogramm als Druckmittel, um die Schweiz zu Konzessionen bei der sozialen Sicherheit zu drängen.

Es sei höchste Zeit, diese roten Linien bei den Verhandlungen hinter sich zu lassen, sagte Cassis. Auch die EU leide unter dem Ausschluss der Forschenden aus der Schweiz und Grossbritannien, sagte er.

Bei der Gewichtung von Forschung und Entwicklung in der Bundespolitik stosse der Appell von Roche beim Bundesrat auf offene Ohren, sagte Cassis weiter. Gegenwärtig würde den Ansprüchen entsprochen, die Zukunft liege aber auch in den Händen des Parlaments und letztlich des Stimmvolks.

Höchster und energieeffizientester Bau

Im Schatten dieser wirtschaftspolitischen Diskussion geriet der eigentliche Anlass fast etwas in den Hintergrund. Eingeweiht wurde ein Bau der Superlative: Beim bescheiden mit Bau 2 betitelten Gebäude handelt sich mit 205 Metern Höhe nicht nur um den höchsten Wolkenkratzer des Landes. Der Bau ist auch das energieeffizienteste Hochhaus der Schweiz, wenn nicht gar der Welt, wie Roche-Standortleiter Jürg Erismann sagte.

Bein Bau des neuen Turms habe man aus den Erfahrungen des ersten gelernt. Zum Heizen wird die Abwärme aus den benachbarten Produktionsbauten genutzt, zur Kühlung das Grundwasser.

Auch als Arbeitsplatz für die rund 3000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter will der Bau 2 neue Standards setzen. Man habe die Erfahrungen aus den Home-Office-Zeiten während der Covid-19-Pandemie genutzt.

Der Bau 2 sei durchgehend als Haus der physischen Begegnungen konzipiert, das zugleich aber auch Rückzugsmöglichkeiten biete, erklärte Pierre de Meuron, Partner des verantwortlichen Architekturbüros Herzog & de Meuron.

Der Bau 2 kostete wie sein Vorgängerbau rund 550 Millionen Franken. Verwaltungsratspräsident Christoph Franz sagte aber, dass dies nur ein Teil der Investitionen von Roche ausmache. In den vergangenen zehn Jahren seien insgesamt sieben Milliarden Franken investiert worden.

dosp, sda