Tesla-Boss Elon Musk «Schon vor der Geschichte war seine Glaubwürdigkeit fragwürdig»

ap/phi

27.8.2018

Seit seinem Tweet vom 7. August hat Elon Musk jede Menge Ärger am Hals.
Seit seinem Tweet vom 7. August hat Elon Musk jede Menge Ärger am Hals.
Keystone

Nach Elon Musks Tweet stottert Teslas Motor: Die Börsenaufsicht streut Sand ins Getriebe, der Aktienkurs bleibt auf der Überholspur liegen. Wird der Boss nun zum Problem?

Das Hin und Her um einen angeblichen Börsenrückzug könnte den Elektroautobauer Tesla teuer zu stehen kommen. Der Aktienkurs gab nach, die Börsenaufsicht ermittelt, es droht eine saftige Strafe. Im Mittelpunkt des Chaos: Firmenchef Elon Musk.

Erst schockierte er mit einem Tweet über einen möglichen Börsenrückzug von Tesla die Anleger. Dann musste er einräumen, dass das Geld nicht beiseite gelegt sei, und der gesamte Deal war nach zwei Wochen vom Tisch. Willkommen in der Welt von Elon Musk, dem impulsiven Genius und Ingenieur bahnbrechender Elektroautos, Raketen und Solarfabriken, die quasi aus dem Nichts entstanden sind.

Das Chaos könnte Tesla teuer zu stehen kommen. Die Börsenaufsicht ermittelt wegen Irreführung der Investoren, Sammelklagen werden geprüft. Das Schlimmste ist jedoch, dass die Episode Musks Glaubwürdigkeit bei den leidgeprüften und verlustgeplagten Investoren weiter erschüttert.

Glaubwürdigkeit war angeschlagen – dann kam der Tweet

«Schon vor der Börsenrückzugsgeschichte war seine Glaubwürdigkeit fragwürdig, obwohl Investoren insgesamt noch Vertrauen in diesen Mann hatten», sagt Erik Gordon, Professor für Wirtschaft und Recht an der Universität Michigan. «Die ganze Börsenrückzugsepisode hat seine Glaubwürdigkeit jedoch jetzt nahe dem Nullpunkt gebracht.»

Die bizarre Geschichte begann am 7. August, als Musk aus dem Auto auf dem Weg zum Flughafen über den Kurznachrichtendienst Twitter mitteilte, er erwäge ein Delisting von Tesla. Die Finanzierung sei bereits gesichert. Die Anteilseigner sollten 420 Dollar pro Aktie erhalten, das waren 23 Prozent über dem Wert zum Handelsschluss des Vortags. Die Aktie legte daraufhin um 11 Prozent zu. Bei dem Preis von 420 Dollar hätte Tesla einen Börsenwert von 72 Milliarden Dollar.

Sechs Tage später räumte Musk in einem Blogbeitrag ein, dass das Geld noch nicht beiseite gelegt sei, er aber keine Zweifel am Zustandekommen des Deals habe. Partner sei der saudi-arabische Staatsfonds. Musk erklärte, er habe den Tesla-Vorstand und einige der Hauptaktionäre informiert, bevor er getwittert habe. Ziel des Tweets sei gewesen, die Information für jeden zugänglich zu machen. Inzwischen wird jedoch spekuliert, die Saudis könnten bei Teslas Konmkurrenz einsteigen.

Elektroauto-Pionier rudert zurück

Musk besitzt 20 Prozent der Tesla-Anteile. Weil er nach eigenen Worten davon ausging, dass nur etwa ein Drittel der Aktionäre verkaufen würde, hätte der Deal nur ein Volumen von 24 Milliarden Dollar gehabt.

Am Freitag veröffentlichte Musk dann eine Erklärung, wonach er nach Gesprächen mit Investoren die Börsenrückzugspläne aufgegeben habe. So hätten ihm unter anderem institutionelle Investoren gesagt, dass interne Regelungen ihren Handlungsspielraum in einem solchen Szenario beschränkten.

Dieses Hin und Her rief die US-Börsenaufsicht SEC auf den Plan, die dem Vernehmen nach wegen möglicher Kursmanipulation ermittelt. Mindestens zwei Anträge auf Sammelklagen gegen Musk wurden zudem schon eingereicht.

Legale Fallstricke

James Cox, Professor mit Schwerpunkt Unternehmensführung und Kapitalmarktrecht an der Duke University in North Carolina, verweist darauf, dass es Unternehmen verboten sei, irreführende Erklärungen abzugeben, die die Märkte beeinflussten. «Die Tatsache, dass er jetzt so schnell zurückzieht, innerhalb von Wochen, deutet auf die Unsicherheit hin, in der die erste Erklärung abgegeben wurde», sagt Cox.

Als Musk den möglichen Börsenrückzug am 7. August andeutete, habe er nicht alle Eventualitäten enthüllt, sagt Peter Henning, Juraprofessor an der Wayne State University in Detroit und ehemaliger Anwalt der SEC. «Meiner Meinung nach zeigt die jüngste Erklärung, dass er damals noch nicht alles durchdacht hatte.»

Das habe schliesslich auch die Börsenaufsicht alarmiert, denn mit unvollständigen Informationen könnten Investoren in die Irre geführt werden. Cox weist darauf hin, dass Musk auch Probleme bekommen könne, weil er einige Investoren vor anderen informiert habe. Das sei verboten, wenn es Grund zu der Annahme gebe, dass diese auf Basis solcher Informationen Aktien kauften.

Musks Wochenarbeitszeit: Angeblich 120 Stunden

Musks Rückzieher könne auch seiner Verteidigung gedient haben, sagt Henning. «Er könnte anführen, dass er bloss die Lage sondiert habe nach dem Motto: «Ich habe nur laut gedacht, es war nicht meine Absicht, irgendjemanden in die Irre zu führen.»

Cox prophezeit, dass Tesla sich mit der SEC einigen und eine Geldbusse zahlen werde. Dann werde das Unternehmen versprechen, nicht mehr gegen die Kapitalmarktgesetze zu verstossen.

Zur Krönung des Dramas kam noch ein Interview mit Musk in der vergangenen Woche. Der «New York Times» gestand er, dass er extrem unter Stress stehe, weil es bei der Produktion des Tesla-3-Modells für den Massenmarkt zu erheblichen Verzögerungen komme. Er arbeite 120 Stunden die Woche, müsse Schlafmittel nehmen, um ein Auge zutun zu können.

Analysten in Sorge

Der Aktienkurs von Tesla ist derweil eingebrochen, lag zu Handelsschluss am Freitag bei 322,82 Dollar und damit sechs Prozent unter dem Eröffnungspreis von dem Tag mit dem verhängnisvollen Tweet. Tesla wollte sich am Wochenende nicht äussern. Sechs Verwatlungsratsmitglieder hatten bereits am Freitag erklärt, sie stünden weiter hinter Musk und Tesla.

Optimistische Investoren sagen, Tesla habe weiter grosses Wachstumspotenzial. Anteilseigner ARK Invest hatte Musk kürzlich gedrängt, die Firma nicht von der Börse zu nehmen. 420 Dollar pro Aktie seien ohnehin zu wenig. Daran änderte ganz nebenbei auch die Ankündigung der russischen Waffenschmiede Kalaschnikow nichts, sie werde den Markt für Elektroautos mit einem Konkurrenzmodell stürmen.

Jamie Albertine ist Analyst vom Unternehmen Consumer Edge und war lange ein Tesla-Optimist. Jetzt stufte er seine Bewertung der Firma herab und forderte den Vorstand auf, eine erfahrene Führungskraft zu benennen, die bei der Bewältigung der Probleme helfe. Auch wenn die Zahlen für das zweite Quartal positive Trends aufzeigten, gäben die Ereignisse der vergangenen Woche genug Anlass zur Sorge, erklärte er.

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