Suezkanal Schweiz drohen keine Engpässe durch Blockade

SDA

26.3.2021 - 15:19

Feststeckende «Ever Given» sorgt für Mega-Stau vor dem Suezkanal

Feststeckende «Ever Given» sorgt für Mega-Stau vor dem Suezkanal

Seit drei Tagen blockiert das Containerschiff «Ever Given» den Suezkanal, die wichtigste Schiffsverbindung zwischen Asien und Europa. Eine Traffic-App für Seefahrer zeigt nun das Ausmass des Schiffsstaus.

26.03.2021

Durch die Blockade des Suezkanal gelangen Waren im Gegenwert von vielen Milliarden Dollar nicht oder verspätet an ihr Ziel. Um die Versorgung mit lebenswichtigen Gütern muss sich die Schweiz aber derzeit keine Sorgen machen.

Keystone-SDA, SDA

Die Blockade des Suezkanals durch eine Schiffshavarie wird in der Schweiz nicht zu Engpässen bei der Versorgung mit lebenswichtigen Gütern führen. Davon geht das Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL) aus. Allerdings könnte der Stau am Nadelöhr des weltweiten Schiffsfrachtverkehrs die Preise in die Höhe treiben.

Man beobachte die Entwicklung am Suezkanal in Ägypten aufmerksam, schrieb das BWL am Freitag auf Twitter. Wie lange die Sperrung dauern werde, sei nicht absehbar.

Durch den Kanal werden etwa 30 Prozent des weltweiten Containervolumens verschifft und etwa 12 Prozent aller Waren gehen durch das 193 Kilometer lange Nadelöhr, das das Rote Meer mit dem Mittelmeer verbindet. «Jeder Hafen in Westeuropa wird das merken», sagte ein Sprecher des grössten europäischen Hafens in Rotterdam.

2020 durchfuhren nach Angaben der Suezkanal-Behörde fast 19'000 Schiffe den Kanal, im Schnitt gut 50 am Tag. Laut Analysten transportieren sie täglich Güter im Wert von bis zu 10 Milliarden Dollar dort durch.

Waren im Wert von mehreren Milliarden Dollar finden durch die aktuelle Blockade nicht den Weg nach Europa. Mit Engpässen in der Schweiz ist allerdings vorerst nicht zu rechnen.
Waren im Wert von mehreren Milliarden Dollar finden durch die aktuelle Blockade nicht den Weg nach Europa. Mit Engpässen in der Schweiz ist allerdings vorerst nicht zu rechnen.
Bild: Keystone

Besonders für den Transport von Öl und Flüssiggas aus dem Mittleren Osten nach Europa sei die Strecke wichtig, erklärten Analysten der Bank LBBW. Bezogen auf den weltweiten Ölhandel würden allerdings nur 4,4 Prozent des Öls über den Suezkanal transportiert.

Keine Knappheit an lebenswichtigen Gütern

Die Verfügbarkeit lebenswichtiger Güter für die Schweiz sei durch die Blockade im Suezkanal nicht tangiert, hiess es vom BWL auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Dem Bundesamt zufolge halten in der Schweiz etwa 300 Unternehmen Pflichtlager unterschiedlichster Waren im Wert von rund 2,5 Milliarden Franken. Allerdings könne es zu zeitlichen Verzögerungen kommen. Davon könnten viele Güter betroffen sein.



Bei der Migros hiess es, sie importiere aus China ein sehr breites Produkteportfolio. Aus Thailand kämen zahlreiche Konserven wie beispielsweise Ananas, während die Migros aus Vietnam und Indien Möbel und Textilien beziehe, sagte Sprecher Marcel Schlatter der Nachrichtenagentur AWP: «Wir gehen derzeit nicht von Nachschubproblemen aus. Es hat genügend Ware in der Schweiz an Lager.»

Hiesige Zapfsäulen bleiben versorgt

Auf die Versorgung mit Öl und Benzin in der Schweiz dürfte die Blockade nach Ansicht des Treibstoffverbands Avenergy (früher Erdölvereinigung) ebenfalls keine Auswirkungen haben. Die Schweiz werde vor allem aus Raffinerien entlang des Rheins sowie aus dem Raum Amsterdam, Rotterdam und Antwerpen mit Heizöl- und Treibstoffen versorgt, sagte der stellvertretende Avenergy-Geschäftsführer Fabian Bilger.

Die Lagerbestände seien gross genug. Für einen kleinen Verbraucher wie die Schweiz seien die Folgen der Blockade des Suezkanals nicht bedeutsam, sagte Bilger. Etwa drei Viertel des in der Schweiz im Strassenverkehr verbrauchten Benzins und Diesels werden als Fertigprodukte importiert. Der Rest wird in der Raffinerie Cressier hergestellt. Ein Grossteil der Importe gelangt über die Rheinschiene nach Basel.

Neben den Spotmarktpreis im Raum Amsterdam, Rotterdam, Antwerpen sind für die Schweizer Zapfsäulenpreise auch die Frachtpreise auf dem Rhein sowie der Wechselkurs zwischen Schweizer Franken und US-Dollar bestimmend. Aktuell sehe die Versorgungslage für die Schweiz gut aus, sagte Bilger: Die Frachtpreise bewegten sich im normalen Rahmen.

Bergungstermin unsicher

Laut einer Studie der Allianz, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt, kostet eine anhaltende Blockade des Kanals jede Woche 6 bis 10 Milliarden US-Dollar. Wie lange der Suezkanal durch das riesige Frachtschiff «Ever Given» tatsächlich noch blockiert ist, darüber sind sich Experten allerdings uneinig.

Ein Sprecher der Firma Shoei Kisen, Eignerin des Frachters, sagte am Freitag gegenüber der Nachrichtenagentur DPA, man wolle versuchen, das Containerschiff am Samstag flottzubekommen. Ansonsten sei geplant, am Sonntag zwei weitere Schlepper einzusetzen.



Bislang versuchen laut dem Sprecher zehn Schlepper, die «Ever Given», die zu den grössten Frachtschiffen der Welt gehört, wieder zu befreien. Nach Angaben der Suezkanal-Behörde ist derzeit zudem ein Baggerschiff dabei, 15'000 bis 20'000 Kubikmeter Sand abzusaugen, um den Frachter freizulegen. Bislang jedoch ohne Fortschritte.

Experten der an der Bergung beteiligten Firmen zufolge sei nicht auszuschliessen, dass sich die Bergung über Tage oder sogar Wochen hinziehen könnte. Eventuell muss das Schiff auch entladen werden, um sein Gewicht zu verringern, sagte der Chef der Firma Boskalis, Peter Berdowski, dem Sender «Nieuwsuur» gemäss der Nachrichtenagentur Reuters.

Schiff liegt quer wie ein Wal im Kanal

Das 400 Meter lange Schiff war am Dienstag auf Grund gelaufen, weil der Kapitän schlechte Sicht wegen eines Sandsturms hatte. Bug und Heck seien an den Seiten des Kanals hochgedrückt worden. Die «Ever Given» sei damit «wie ein riesiger gestrandeter Wal». Seither geht im Kanal nichts mehr, fast 300 Schiffe dümpeln wie ein Schwarm vor den Kanaleinfahrten im Norden und Süden sowie im Kanal selber vor sich hin und warten darauf, weiterfahren zu können.

Die Umleitung des Schiffsverkehrs über Südafrika und das Kap der Guten Hoffnung sei wegen der volatilen Ölpreise und der rund eine Woche längeren Transportzeit extrem teuer, erklärte der deutsche Industrieverbandes BDI. Die Schiffe müssten dann gut 6000 Kilometer mehr fahren.