Problem für die Demokratie Immer mehr Menschen haben genug von Nachrichten

om, sda

24.10.2022 - 10:17

Eine Frau liest in einem Tram in Zürich Zeitung. (Archiv)
Eine Frau liest in einem Tram in Zürich Zeitung. (Archiv)
Bild: Keystone

Vor allem die Jungen konsumieren immer weniger Nachrichten – das hat negative Effekte auf die Demokratie: Die News-Abstinenz korreliert mit Misstrauen gegenüber den Institutionen und mangelnder Beteiligung bei Wahlen.

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Die Nachrichten-Abstinenz der Bevölkerung hat 2022 mit 38 Prozent einen neuen Höchststand erreicht. Besonders junge Erwachsene interessieren sich nicht mehr für Nachrichten. Das ist für die Demokratie problematisch, stehen News-Abstinente im politischen Prozess doch häufiger abseits und misstrauen den Institutionen stärker.

Zu diesem Schluss kommt das Forschungszentrum Öffentlichkeit und Gesellschaft (Fög) der Universität Zürich in seinem am Montag veröffentlichten «Jahrbuch Qualität der Medien 2022». Den vorgestellten Erkenntnissen zufolge konsumieren junge Erwachsene auf ihren Smartphones lediglich sieben Minuten am Tag Nachrichten.

Das Smartphone ist für diese Altersgruppe eine wichtige Quelle für verschiedene Informationen. Über ihre Nutzung des Mobiltelefons als Nachrichtenquelle war bisher wenig bekannt. Das Fög erhob deshalb für sein Jahrbuch die mobile Mediennutzung von 300 Personen zwischen 19 und 24 Jahren.

Höhere Stimmabstinenz

Der Befund von sieben Minuten täglichem Nachrichtenkonsum bestätigte die bereits seit einigen Jahren festgestellte Nachrichten-Abstinenz von Jüngeren. Während die Männer elf Minuten pro Tag Nachrichten konsumierten, waren es bei den Frauen fünf Minuten.

Das hat Auswirkungen auf die Demokratie, wie das Fög konstatierte. Besonders hoch nämlich ist mit 70 Prozent die Stimmbeteiligung von Menschen, die sich mit traditionellen Medienangeboten wie Zeitungen, Radio oder Fernsehen informieren – nicht intensiv, aber regelmässig.

Drastisch niedriger liegt mit 30 Prozent dagegen die Stimmbeteiligung von Menschen, die mit Nachrichten unterversorgt sind. Typisch für diese Gruppe von 38 Prozent der Bevölkerung ist auch das geringere Interesse an Politik und das höhere Misstrauen gegenüber der Regierung. Dieser Bevölkerungsanteil bleibt gemäss dem Fög nicht generell der Urne fern, sondern lässt sich für einzelne Abstimmungen mobilisieren.

Medien etwa besser

In Bezug auf die Medien selbst konstatierten die Zürcher Forscherinnen und Forscher eine leicht gestiegene Qualität. Die Medien ordnen seit dem Beginn der Covid-19-Pandemie die Themen stärker ein und liefern mehr Hard News, also professionell recherchierte Inhalte zu aktuellen Themen.

Soft News, welche lediglich die Neugierde und ähnliches befriedigen, nahmen dagegen ab. Das steigerte gemäss dem Fög die Relevanz der Meldungen. Allerdings resultierte daraus auch ein Rückgang der Vielfalt. Die Berichterstattung über den Ukraine-Krieg bezeichnete das Fög bereits in einer früheren Publikation als qualitativ gut.

In der Wirtschaftsberichterstattung vermisst das Fög Beiträge zu gesamtwirtschaftlichen Zusammenhängen. Den grössten Teil von 61 Prozent machten betriebswirtschaftliche und unternehmensbezogene Berichte aus.

Mit den fehlenden gesamtwirtschaftlichen Berichten verliere der Wirtschaftsjournalismus seine Frühwarn-Funktion. Frauen sind in den Wirtschaftsredaktionen mit 21 Prozent weiterhin deutlich unterrepräsentiert.

Sinkendes Interesse

Allgemein nahm das Interesse an Nachrichten in der Schweiz ab, wenn auch weniger als anderswo. 2022 gaben 50 Prozent der Befragten ein starkes Interesse an Nachrichten an. 2021 waren es noch 57 Prozent gewesen. 18 Prozent gaben an, im zurückliegenden Jahr für Online-Nachrichten bezahlt zu haben.

Der Journalismus bleibt unter Druck, lautet eine weitere Erkenntnis der Studie. Nach der Ablehnung des Mediengesetzes an der Urne bleibt nicht nur die Finanzierung schwierig, sondern auch die gesellschaftliche Akzeptanz journalistischer Medien sinkt.

Das Fög folgert daraus, dass die Medienkompetenz an den Schulen einer stärkeren Förderung bedarf. Auf Seiten der Journalistinnen und Journalisten sind den Angaben zufolge mehr Kompetenzen zur Vermittlung qualitativ hochstehender Inhalte über digitale Kanäle nötig.

Nicht zuletzt halten die Medienwissenschaftler des Fög neue politische Vorlagen zur Finanzierung der Medien und angrenzender Organisationen für angebracht.