Tödliche Gefahr Mehrzahl der Schweizer Gebäude noch immer mit Asbest verseucht

ceel, sda

3.9.2023 - 13:58

Asbest: Tipps zum Umgang mit der «tödlichen Gefahr»

Asbest: Tipps zum Umgang mit der «tödlichen Gefahr»

Asbest: Tipps zum Umgang mit der «tödlichen Gefahr»

10.08.2023

Die Asbestsanierung in der Schweiz kommt schleppend voran. Mehr als 30 Jahre nach dem Asbestverbot findet sich der krebserregende Stoff immer noch in bis zu drei von vier Gebäuden in der Schweiz.

Keystone-SDA, ceel, sda

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  • Rund 75 Prozent aller Schweizer Wohngebäude enthalten noch immer asbesthaltiges Material.
  • Asbest ist in vielen alten Gebäuden verbaut.
  • Die Schweizerische Unfallversicherung Suva hat bis 2020 mehr als 2700 Todesfälle infolge einer asbestbedingten Berufskrankheit registriert.

Viele grosse Sanierungsprojekte seien zwar abgeschlossen, sagte Peter Kunzendorf auf Anfrage der Nachrichtenagentur Keystone-SDA. Er ist Asbest-Experte bei der Gesellschaft für Schadstoffuntersuchung, Auftragsanalytik und Sanierungsbegleitung (GSAS) in Dübendorf ZH. Besonders in weniger offensichtlichen Anwendungen wie Fliesenkleber komme Asbest aber noch grossflächig vor. Die Asbestsanierung könnte deutlich schneller gehen, so der Experte.

«Die Asbestproblematik wird mitunter verdrängt», sagte Kunzendorf weiter. Obwohl längst bekannt sei, wie gefährlich das Einatmen und Schlucken der Asbestfasern sei, komme es bei Abbrucharbeiten oder Umbauten kontaminierter Altbauten noch immer zu Kontakt mit dem Stoff. Teilweise, weil das Wissen fehle, teilweise um Kosten zu sparen. Denn Asbestsanierungen seien teuer. Zeigen werde sich das erst in Jahrzehnten, denn die Latenzzeit zwischen dem Kontakt mit Asbest und dem Ausbrechen einer Erkrankung liegt bei 15 bis mehr als 40 Jahren.

Grundsätzlich können alle Gebäude, die vor 1990 erbaut wurden, asbesthaltiges Material enthalten, wie es von der Suva auf Anfrage hiess. Das entspricht rund 75 Prozent aller Wohngebäude, die in der Schweiz stehen. Auch Bauten, bei den bereits einmal asbesthaltiges Material entfernt wurde, können noch weiteres asbesthaltiges Material enthalten, wie Suva betonte. Pro Jahr werden dem Schweizer Unfallversicherer Suva rund 9000 Asbestsanierungsarbeiten gemeldet.

«Peak noch nicht vorbei»

In seiner gebundenen Form ist Asbest weitgehend ungefährlich. Werden Asbestfasern aber während eines Umbaus oder einer Sanierung freigesetzt, können sie bis tief in die Lunge eingeatmet werden. «Wie kleine Stahlnadeln führen sie da zu vielen Verletzungen, die dann wieder heilen und Narben bilden», erklärte Kunzendorf. So kann es zu Asbestose, einer Lungenverhärtung kommen. Zudem begünstigt es die Bildung von Tumoren. Insbesondere zu sogenannten Mesotheliomen des Brust- und Bauchfells.

Die Suva hat bis 2020 mehr als 2700 Todesfälle infolge einer asbestbedingten Berufskrankheit registriert. Mehr als 2300 Todesfälle waren auf ein Mesotheliom, eine Krebserkrankung des Brust- oder Bauchfells zurückzuführen. Bis 2040 rechnet die Suva mit 3300 weiteren Mesotheliomfällen, wie Suva Sprecher Adrian Vonlanthen auf Anfrage sagte. «Der Peak ist noch nicht vorbei», sagte auch Kunzerndorf. Weltweit gerechnet geht die Weltgesundheitsorganisation davon aus, dass auch heute noch jedes Jahr über 200'000 Menschen an asbestbedingten Krankheiten sterben.

Gesundheitsrisiken längst bekannt

Der erste wissenschaftliche Artikel über die Gefährdung durch Asbeststaub erschien im Jahr 1924 im «British Medical Journal». Erste Fälle von Lungen- und Brustfellkrebs wegen Asbest wurden in den 1930er-Jahren wissenschaftlich beschrieben. Erste Bedenken über die Gefahr gehen sogar noch deutlich weiter zurück. So dokumentierte ein Wiener Arzt im Jahr 1897, dass bei Asbestwebern und ihren Familien ein erhöhtes Mass an Lungenproblemen auftrat. Die Asbestose wurde von der Suva nach einem Verwaltungsratsbeschluss 1939 erstmals als Berufskrankheit anerkannt.

Eine breitere Öffentlichkeit wurde sich der sich anbahnenden gesundheitlichen Katastrophe erst deutlich später bewusst. In der Mitte des 20. Jahrhunderts nahm die Verwendung von Asbest in der Schweiz richtig Fahrt auf. «Es war der ideale Baustoff für alles Mögliche», sagte Kunzendorf.

Insbesondere in Gebäuden kamen asbesthaltige Produkte zum Einsatz. In Böden, Wänden, Decken, Dächern, Fassaden, Fenster. In den Heizungen, Elektroinstallationen und Isolationen. Etwa in Form von Asbestzement oder Fugenkleber. Auch Bremsbeläge waren lange Zeit aus Asbest und sogar in Zahnpasta war teilweise Asbest enthalten. Im Jahr 1989 beschloss die Schweiz als eines der ersten Länder weltweit ein Asbest-Verbot, das 1990 in Kraft trat. Verboten ist seither sowohl die Einführung, als auch die Herstellung asbesthaltiger Produkte.