Frauen stärker betroffen als Männer Booster führt zu mehr Herzmuskel-Schäden als gedacht

uri

10.11.2022

Eine junge Frau erhält eine Corona-Impfung.
Eine junge Frau erhält eine Corona-Impfung.
Archivbild: Keystone

Dass Corona-Impfungen zu Herzmuskelentzündungen führen können, ist bekannt. Basler Forscher kommen zum Schluss, dass Booster-Impfungen die Herzmuskelzellen häufiger als gedacht schädigen können. 

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Corona-Impfungen schützen gut vor schweren Covid-Verläufen. Als Nebenwirkung wurden aber auch Herzmuskelentzündungen, vor allem bei jungen Männern, beobachtet. Eine Schweizer Studie zeigt nun, dass Auffrischimpfungen mit dem mRNA-Impfstoff von Moderna bedeutend häufiger milde Schäden an Herzmuskelzellen verursachen als bislang angenommen.

Knapp 3 Prozent der erstmalig mit dem Moderna-Impfstoff geboosterten Personen weisen kleinere Schädigungen an den Herzmuskelzellen auf. Zu diesem Ergebnis kommt ein interdisziplinäres Forscherteam der Universität Basel und des Universitätsspitals Basel in einer noch nicht begutachteten Preprint-Studie.

Leichte Schädigungen bei 2,8 Prozent der Geboosterten

Für ihre Untersuchung haben die Wissenschaftler um den Kardiologen Christian Müller bei Mitarbeitenden des Universitätsspitals Basel drei Tage nach dem Moderna-Booster den Marker «kardiales Troponin» im Blut gemessen. Steigt die Menge dieses Proteinkomplexes über einen Normbereich, dann lasse das «auf Schädigungen an Herzmuskelzellen schliessen», erklärte Müller auf der Website der Universität Basel.

Aus früheren Beobachtungen mit diagnostizierten Herzmuskel-Entzündungen nach den Impfungen hatten die Wissenschaftler bei 0,0035 Prozent der Geimpften mit entsprechenden Schäden gerechnet. Bei der Basler Studie gab es nun indes «Hinweise auf milde, vorübergehende Herzmuskelschäden bei 22 der 777 Teilnehmenden», so Müller. Damit wiesen 2,8 Prozent der geboosterten Probanden «leichte Herzmuskelzellschädigungen» auf. Das dürfe man nicht «überbewerten, aber auch nicht ignorieren», so der Kardiologe.

Mehr Frauen betroffen

Während junge Männer nach bisherigen Untersuchungen eher als anfällig für schwerere Herzmuskelentzündungen nach Impfungen gelten, waren Frauen nun bei den milderen Fällen prozentual bedeutend stärker betroffen. Unter den 22 Probanden, deren Marker-Werte über den Normbereich hinausgingen, befanden sich nur zwei Männer. Hinweise auf Herzmuskelzellschäden nach einem Booster gab es demnach bei 3,7 Prozent der Frauen und 0,8 Prozent der Männer.

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Die kardialen Troponinwerte seien aber schon an Tag 4 nach der Impfung bei der Hälfte der Frauen und bei beiden Männern wieder im Normbereich gewesen, so Müller. Der Marker sei «extrem sensitiv» – mit anderen Methoden, etwa der Kernspintomografie – könne man solch kleine Schädigungen am Herzmuskel erst gar nicht feststellen.

Milde Symptome

Auch fallen die Symptome bei den Betroffenen laut Müller «eher mild und unspezifisch» aus. Darunter seien etwa Kurzatmigkeit, Müdigkeit oder auch Druckgefühl auf der Brust.

Für die Studie selbst wurde lediglich der Moderna-Impfstoff herangezogen, weil andere zum entsprechenden Zeitpunkt nicht verfügbar waren, so Müller. Was indes genau die Herzzellschäden verursache, sei noch nicht klar. Möglich sei etwa eine höhere Dosis von mRNA im Impfstoff – auch im Vergleich zum Konkurrenzprodukt von Biontech/Pfizer – oder eine heftigere Reaktion des Immunsystems darauf.

Aufgrund der nun gemachten Erkenntnisse müsse man bei der Impfung die «Effekte in der Risiko-Nutzen-Abwägung gerade für jüngere Menschen berücksichtigen», sagte der Medziner. Das allerdings sei aufgrund der aktuellen Datenlage noch schwierig.

Schlechte Regenerationsfähigkeit des Herzmuskels

Nach derzeitigem Kenntnisstand könne sich der Herzmuskel «nicht oder allenfalls minim regenerieren». Es sei möglich, dass jährliche Impfungen «milde Schädigungen» nach sich ziehen würde. Allerdings gebe es starke Evidenz dafür, dass eine Corona-Erkrankung «zu stärkeren schädlichen Effekten am Herzen führt», so Müller.

Auch wenn die Impfstoffhersteller bei der Sicherheitsprüfung der Auffrischimpfungen in Zukunft das Phänomen der Herzmuskelzellschädigung berücksichtigen müssten, sieht Müller keinen Grund am Nutzen der Impfung zu zweifeln: Der Schutz durch die mRNA-Impftechnologie sei eine «medizinische Sensation». Die Impfstoffe hätten Millionen Menschenleben gerettet.

All jene, die sich künftig boostern liessen, legt der Kardiologe die gängigen Empfehlungen ans Herz, sich in den Tagen nach der Impfung mit Sport zurückzuhalten und das Organ «nicht zusätzlich zu belasten und Schädigungen gegebenenfalls zu verschlimmern».