Lehre der GeschichteDarum brauchen wir Kampfjets auf Schweizer Strassen
Von Philipp Dahm
14.1.2024
Ukrainische Jets nutzen Strasse als Piste
Ein im April 2023 veröffentlichtes Video zeigt, wie eine ukrainische Su-27 und eine Mig-29 von Strassen aus in den Einsatz starten.
11.01.2024
Zwischen 1970 und 1991 hat die Schweizer Luftwaffe Autobahnen als Pisten genutzt. Dass die militärische Führung diese Alternative wieder nutzen will, ist nur folgerichtig, zeigt auch der Krieg in der Ukraine.
Von Philipp Dahm
14.01.2024, 00:00
05.06.2024, 11:17
Philipp Dahm
Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Der Krieg in der Ukraine zeigt, dass Flughäfen im Ernstfall eine militärische Achillesferse sind.
Autobahnen sind in der Schweiz ab dem Jahr 1970 als alternative Pisten genutzt worden.
Zwischen 1970 und 1991 gab es hierzulande zehn entsprechende Manöver.
1995 wurde das Konzept mit der «Armee 95» verworfen.
Bereits im vergangenen April forderte der Kommandant der Luftwaffe, Autobahnen wieder als Pisten zu nutzen.
«Ein Kampfjet ist die tödlichste Waffe, die es gibt – wenn er in der Luft ist», bekundet einst Mordechai «Motti» Hod. «Aber am Boden ist er ausgesprochen wehrlos.»
Hod ist im Jahr 1967 Kommandierender der israelischen Luftwaffe, die im Sechstagekrieg eine der erfolgreichsten Luftkampagnen der Militärgeschichte durchführen lässt. Zunächst jagen bei der «Operation Focus» 183 israelische Jets im Tiefflug nach Ägypten, um dort elf Flughäfen anzugreifen.
Die ägyptische Luftwaffe, die die modernste der arabischen Staaten ist, wird zerstört, bevor sie überhaupt aufsteigen kann. Anschliessend knüpfen sich die Israelis Flugplätze in Jordanien, Syrien und dem Irak vor: Die Luftüberlegenheit ist Israel mit diesem Vorgehen für den Rest des Krieges sicher.
Erste Autobahnlandungen in der Schweiz 1970
Das israelische Vorgehen macht in Ost und West Schule. Da im Kalten Krieg im Ernstfall mit einem Beschuss durch Atomraketen zu rechnen ist, werden Flugplätze für Militärplaner zu einer Achillesferse. Nicht nur Nato- und Warschauer-Pakt-Staaten suchen nach einer Lösung dieses Dilemmas, sondern auch neutrale Länder wie Schweden oder die Schweiz.
Die Alternativen zu festen Start- und Landebahnen sind Strassen: Benötigt wird bloss ein rund drei Kilometer gerades Stück, auf dem keine Brücken einen Jet stören. Schweden entwickelt seine Kampfflugzeuge gezielt mit dem Szenario im Kopf, dass es im Ernstfall keine Flughäfen mehr gibt: Der Jas 39 Gripen von Saab ist für den Betrieb auf Behelfspisten ausgelegt und verfügt sogar über ein ABS.
Die Schweiz testet das Konzept erstmals am 16. September 1970 mit Jets vom Typ De Havilland Venom: Ein gut dreieinhalb Kilometer langes Teilstück der A1 wird bei Oensingen SO vom Flieger- und Flugplatzregiment 3 gesperrt und in eine Piste verwandelt. Trotz Geheimhaltung erfährt auch die Schweizer Öffentlichkeit von dem Manöver.
Im Kalten Krieg werden Autobahnen so gebaut, dass sie im Fall eines Krieges eine Alternative für Kampfjets werden: Das A1-Teilstück zwischen Murten und Payerne, das 1990 fertiggestellt wurde, verläuft zum Beispiel parallel zur Piste des Fliegerhorstes Payerne.
Kommandant kündigte Autobahnrevival im April an
Nach dem Fall der Mauer in Deutschland und dem folgenden Zusammenbruch der Sowjetunion gerät das Konzept jedoch ausser Mode: 1995 legt es die Schweizer Armee zunächst zu den Akten. Einerseits fällt die Bedrohung weg, andererseits gibt es in den betroffenen Abschnitten erhöhte Unfallgefahr, weil statt Leitplanken dort Stahlseile gespannt sind.
Auch andere Staaten rücken von dem Konzept ab: Die Bundesrepublik Deutschland etwa lässt 1984 bei der «Operation Highway 84» letztmals Jets auf Autobahnen landen. Die potenziellen Pisten bleiben aber erhalten – wie auch in der Ukraine.
Und dort hat sich seit Februar 2022 klar gezeigt, dass diese Alternativen wieder wichtig werden, wenn ein Krieg ausbricht – siehe Video ganz oben. Das hat auch das VBS eingesehen: Dass die Schweizer Luftwaffe nun wieder auf der A1 solche Stars und Landungen üben will, wie es auch die Amerikaner nach wie vor tun, ist folgerichtig.
Auch Grossbritannien hat das entsprechende Training wieder aufgenommen.
Das letzte derartige Manöver fand 1991 bei Lodrino TI statt – siehe unten Video. Zehnmal gab es solche Übungen: 1970 bei Oensingen SO, 1974 bei Münsingen BE, 1977 bei Flums SG, 1978 bei Alpnach OW, 1980 bei Bex VD, 1982 wieder bei Münsingen, 1985 erneut bei Flums, 1988 wieder bei Alpnach und bei Sion sowie 1991 in Lodrino.
Dass die Schweizer Luftwaffe die Fähigkeit, in Sachen Starts und Landungen flexibel einsetzbar zu sein, wieder trainieren muss, hat ihr Kommandant Peter Merz bereits im vergangenen April angemahnt. «Unser Ziel ist es, so rasch wie möglich wieder mit Flugzeugen ab ehemaligen Militärflugplätzen oder Autobahnen starten und landen zu können», sagte er laut «Südostschweiz». Nun lässt der Bund den Worten Taten folgen.
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