Kampf der FlugzeugträgerDie Schlacht von Midway brachte die Wende im Pazifik-Krieg
Philipp Dahm
4.6.2022
Am 4. Juni vor 80 Jahren tobt die Schlacht von Midway. Japans Marine zieht voller Optimismus in den Kampf im Pazifik, ohne zu wissen, dass ihr Code geknackt ist. Verheerende Folge: Die USA versenken an dem Tag vier Träger.
Philipp Dahm
04.06.2022, 23:55
Philipp Dahm
Der Zweite Weltkrieg verläuft Mitte 1942 im Pazifik ganz nach Plan der Japaner. Die Ölfelder im damals noch niederländischen Indonesien sind eingenommen worden und es ist ein halbes Jahr her, seit die Admiräle den Überraschungsangriff auf Pearl Harbor angeordnet haben, bei dem nicht weniger als acht Schlachtschiffe versenkt oder beschädigt worden sind.
Doch eins ist der Marine nicht gelungen: einen amerikanischen Flugzeugträger zu versenken. Das gelingt erst im Mai 1942 bei der Schlacht im Korallenmeer. Im Juni sollen weitere dazukommen: Die japanische Flotte nimmt Kurs auf Midway, um das, was von der US-Pazifikflotte übriggeblieben ist, aus dem schützenden Hafen von Hawaii zu locken.
Das Kalkül: Wenn die kleine U-Boot-Basis auf Midway eingenommen würde und dabei auch noch ein paar Träger zerstört werden könnten, würden die eigenen Kriegsschiffe dort eine grosse Bedrohung für Hawaii darstellen, was wiederum Washington dazu zwingen sollte, einen Friedensvertrag auszuhandeln.
Yamamoto siegessicher
Es ist niemand Geringerer als Isoroku Yamamoto, der die Flotte befehligt, die am 28. Mai in der Heimat ausläuft und Kurs nach Osten einschlägt. Der 58-Jährige ist voller Optimismus: Vier Flugzeugträger mit 276 Flugzeugen, zwei Schlachtschiffe, sieben Kreuzer und 14 Zerstörer sowie Transportschiffe mit Soldaten für die Landung auf Midway sollen jeglichen amerikanischen Widerstand zerstören.
Was Yamamoto nicht weiss, ist, dass die USA den Code der japanischen Marine geknackt haben. Wie schon bei der Schlacht im Korallenmeer weiss die US Navy also, was da auf sie zukommt. Die US-Marine stellt zwei Kampfgruppen auf, die bereits auf die asiatischen Angreifer warten. Am Morgen des 3. Juni erspäht ein Aufklärer vom Typ PBY Catalina die Transportschiffe der Flotte.
Sie werden in der Nacht auf den 4. Juni von B-17 und PBY bombardiert, die von Midway aus starten. Die Kampfschiffe bleiben jedoch unentdeckt – und können am frühen Morgen des 4. Juni die erste Welle ihres Angriffs starten. Zuerst steigen 36 Mitsubishi Zero auf, die als Jagdflugzeuge Geleitschutz geben sollen. Es folgen 36 Aichi D3A Val Sturzbomber und 36 Nakajima B5N Kate Torpedobomber.
US-Jäger chancenlos gegen Japans Zeros
Zuletzt steigen noch einmal neun Zeros auf, die die Flotte schützen sollen, und einige Aufklärer. Eine Stunde nach dem Start entdeckt eine Catalina schliesslich die japanische Flotte, doch nur Minuten danach empfängt das Radar auf Midway in 150 Kilometer Entfernung in einer Höhe von gut 3'300 Meter die ersten Signale der anfliegenden japanischen Kriegsmaschinerie.
Darauf haben die Verteidiger nur gewartet: Jäger vom Typ Brewster F2A Buffalo und Grumman F4F Wildcat werden in die Luft gebracht, um die 108 Angreifer abzufangen. Kurz darauf rollen 16 Sturzbomber vom Typ Douglas SBD Dauntless und elf vom Typ Vought SB2U Vindicator auf die Startbahn – gefolgt von sechs Grumman-TBF-Avenger-Torpedoflugzeugen und vier B-26-Marauder-Bombern.
Die 37 Bomber nehmen Kurs auf die japanische Flotte: Für eine weitere Eskorte hat die Zeit nicht mehr gereicht. Die Jäger, die zuerst gestartet sind, haben an Höhe gewonnen und sind deshalb im Vorteil, als sie die Angreifer ausmachen. Doch nachdem sie sich auf die Japaner stürzen, können diese den Trumpf ausspielen, dass die Zero ihren Feinden haushoch überlegen ist.
Amerikaner blasen zum Gegenangriff
Viele Amerikaner werden abgeschossen, und die Flugzeuge erreichen Midway relativ unbehelligt, wo sie Tanks, Hangars und Flugabwehr-Stellungen angreifen. Nach 13 Minuten ist der Angriff aus der Luft vorbei, doch die Start- und Landebahn sowie schwerere Verteidigungsstellungen stehen noch. Die zweite Welle wird sie zerstören müssen.
Die US-Flotte im Nordosten von Midway hat sich bis hierhin zurückgehalten, doch nun starten die USS Hornet und die USS Enterprise ebenfalls ihre Flieger. Admiral Fletcher will den feindlichen Verband dann angreifen, wenn er am verletzlichsten ist: Wenn die erste japanische Welle landet und wieder auftankt. Nur die USS Yorktown hält ihre Staffeln noch zurück, weil erst zwei der vier gegnerischen Träger gesichtet worden sind.
Die Avenger und Marauder sind die ersten US-Flugzeuge, die die kaiserliche Marineschiffe erreichen. Die Zeros fallen über sie her, die Torpedos laufen samt und sonders ins Leere. Von 6 Avengern kehrt nur eine zurück. Auch die Torpedos der vier Marauder verfehlen ihr Ziel, und nur zwei von ihnen landen wieder auf Midway. Bald darauf wird Yamamato informiert, ein Aufklärer habe die US-Flotte gesichtet.
Viele Flugzeug-Abschüsse, aber keine Schiffstreffer
Doch schon rollt die nächste US-Welle an: Von 16 Dauntless-Bombern werden acht abgeschossen. Es folgen 17 B-17-Bomber, die eigentlich die Transportflotte angreifen sollten und umgelenkt worden sind. Auch sie können keinen Treffer landen. Die elf Vindicator bilden den Abschluss: Sie sind ebenfalls erfolglos. Drei der Flugzeuge landen im Wasser.
Als den Japanern nun gemeldet wird, in der US-Flotte befände sich ein Flugzeugträger, ändern ihre Schiffe den Kurs und steuern auf den Feind zu. Die Flugzeuge werden nun mit Torpedos und speziellen Bomben für Schiffe ausgerüstet, was rund 45 Minuten in Anspruch nimmt. Niemand ahnt, dass 156 Flugzeuge von den drei US-Trägern auf dem Weg sind: 41 Douglas TBD Devastator, 89 Dauntless-Bomber und 26 Wildcat-Jäger nähern sich.
Szene aus dem Hollywoodfilm «Storm Over Pacific» von 1960.
Als Erste erreichen 15 Devastator der USS Hornet den Feind: Alle der langsamen Torpedobomber werden abgeschossen. Auch die nächsten 14 Devastator landen keinen Treffer – immerhin überleben vier von ihnen den Angriff. Bald darauf müssen die ersten Zeros aus der ersten Angriffswelle landen, weil ihnen der Sprit ausgeht, als die verspäteten Flugzeuge der USS-Yorktown eintreffen: Hier überleben zwei von zwölf Dauntless, ohne einen Treffer zu landen.
USS Yorktown vor dem Untergang
Doch das Blatt wendet sich, als 47 weitere US-Flugzeuge die Flotte ins Visier nehmen. Die IJN Kaga wird von vier Bomben getroffen, die eine Kettenreaktion an Bord des Trägers auslösen. Die IJN Soryu muss drei Bombeneinschläge hinnehmen, die IJN Akagi nur einen. Das Problem der Flugzeugträger: Wegen der Betankung und Neumunitionierung der Flieger verwandeln die US-Bomben die Decks in Feuerhöllen.
Die Brände können nicht kontrolliert werden: Die drei Träger müssen später aufgegeben werden. Nun muss die IJN Hiryu es richten: 18 Val-Sturzbomber und sechs Zeros holen zum Gegenschlag aus. Das Radar der USS Yorktown erfasst sie, als die Staffeln gerade gelandet sind und betankt werden. Die Spritleitungen zum Deck werden geschlossen, Wildcats steigen auf. Sie zerstören elf Vals und drei Zeros. Zwei Vals werden Opfer der Flugabwehr.
Die verbleibenden Angreifer können allerdings drei Bomben abwerfen, die ein Feuer auf der Yorktown auslösen. Es kann gelöscht werden, doch schon trifft eine zweite Welle mit sechs Zeros und zehn Kate ein, denen es gelingt, den Träger mit zwei Torpedos zu treffen. Die USS Yorktown wird das Gefecht überstehen, bis wenige Tage später ein U-Boot-Treffer das Schiff versenkt.
Finaler Schlag
Nun setzt US-Kommandeur Chester Nimitz zum finalen Schlag gegen die Hiryu an: 42 Dauntless-Bomber der Hornet und Enterprise nehmen den verbleibenden japanischen Träger ins Visier. Diesmal können die Zeros nur noch zwei Gegner ausschalten und nicht verhindern, dass vier Bomben das Schiff in Flammen setzen. Sie wird am Folgetag auf den Grund des Meres sinken.
Ausgezogen ist die japanische Flotte, um die USA an den Verhandlungstisch zu zwingen. Erreicht hat sie das Gegenteil – nicht zuletzt, weil die Amerikaner durch das Knacken der Codes stets im Bilde sind. Japan verliert in dieser Schlacht vier seiner sechs grossen Träger: Von diesem Schlag kann sich das Kaiserreich nicht mehr erholen, denn die US-Wirtschaft baut deutlich schneller Schiffe und wird seine Übermacht im Pazifik von diesem Zeitpunkt an immer weiter ausbauen.
Schwer wiegt auch, dass derart viele Piloten ums Leben gekommen sind. 248 Flugzeuge der Angreifer landen im Meer: Der Verlust an ausgebildetem Personal ist nachhaltig. Japan verliert mit der Schlacht seine Fähigkeit, im Stillen Ozean in die Offensive zu gehen. Midway beweist endgültig, wie Flugzeuge und ihre Träger das Schlachtschiff als bestimmendes Element im Seekrieg ablösen.