Gemäss dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES) sind aktuell eine Million Arten vom Aussterben bedroht: blühende Mohn- und Kornblumen in einem Weizenfeld.
Uni-Rektor Michael Schaepman hofft, dass der Weltnaturgipfel bald einmal in der Schweiz stattfinden wird.
Experten arbeiten an klarer Botschaft zum Schutz der Biodiversität - Gallery
Gemäss dem Weltbiodiversitätsrat (IPBES) sind aktuell eine Million Arten vom Aussterben bedroht: blühende Mohn- und Kornblumen in einem Weizenfeld.
Uni-Rektor Michael Schaepman hofft, dass der Weltnaturgipfel bald einmal in der Schweiz stattfinden wird.
Die Klima- und die Biodiversitätskrise sind zwei der wohl drängendsten Probleme unserer Zeit. Doch anders als beim Klima fehlt bei der Biodiversität ein klar definiertes Ziel, auf das sich hinarbeiten lässt. Das «World Biodiversity Forum» will dies ändern.
Im Jahr 2015 einigte sich die Weltgemeinschaft im Pariser Klimaabkommen, die dauerhafte Erderwärmung auf deutlich unter zwei Grad, möglichst unter 1,5 Grad Celsius zu beschränken. Auch wenn das Zeitfenster schrumpft, in dem die katastrophalsten Folgen des Klimawandels noch abgewendet werden können, ist immerhin das Ziel prägnant, klar und verständlich formuliert.
«Der Biodiversität fehlt ihr '1,5-Grad-Ziel'», sagte Michael Schaepman, Rektor der Universität Zürich, der Nachrichtenagentur Keystone-SDA im Vorfeld des «World Biodiversity Forum», das am Sonntag in Davos beginnt. Das Ziel zu kennen sei jedoch zentral, um den Weg dorthin und damit die Schutzmassnahmen konkret zu definieren.
Noch im Alarmismus-Stadium
Noch befinde man sich im Alarmismus-Stadium, es werde gewarnt vor dem sechsten Massenaussterben, das derzeit in Gang sei, sagte Schaepman, der auch als Professor für Fernerkundung tätig und im wissenschaftlichen Lenkungsausschuss der Konferenz in Davos vertreten ist. Tatsächlich ist die globale Artenvielfalt in einem desolaten Zustand.
Rund eine Million Tier- und Pflanzenarten könnten in den nächsten Jahrzehnten laut dem Weltbiodiversitätsrat aussterben. Schlussendlich aber sei dies eine abstrakte Zahl, die für niemanden wirklich greifbar sei, so Schaepman: «Wir müssen eine klare Botschaft für ein Biodiversitäts-Ziel finden, analog zum Pariser Klimaziel.» An der Konferenz in Davos sei dies eines der wichtigen Themen.
Fast 700 Forschende, NGO-Vertreter und Umweltbeauftragte aus aller Welt werden den Organisatoren zufolge daran teilnehmen, darunter laut Schaepman das «Who's Who der Biodviersitätsforschung». Man habe zudem eine Grösse erreicht, die der Konferenz eine grosse Ausstrahlungskraft garantiere.
Organisiert wird sie vom internationalen Forschungsprogramm «Biodiscovery», dessen Projektbüro an der Universität Zürich angesiedelt ist, sowie dem Forschungsschwerpunktprogramm «Global Change and Biodiversity» der Universität Zürich.
Globales Überwachungsnetz im Weltraum
In der Biodiversitätsforschung klafften noch elementare Lücken, die es zu schliessen gelte, sagte der Geograph Schaepman. Während die Klimaforschung die Instrumente kenne und das Know-How besitze für den Kampf gegen den Klimawandel, stehe die Biodiversitätsforschung vergleichsweise noch am Anfang.
«Eine der drängendsten Fragen ist, wie wir Biodiversität global überwachen sollen», so Schaepman. Denn die Biodiversität verändere sich schneller, als dass man dies mit konventionellen Messmethoden, sprich Feldarbeit, erfassen könne.
In Davos werden Experten unter anderem der europäischen Raumfahrtagentur Esa zusammenkommen, um über ein globales Überwachungssystem zu diskutieren, das auf Satellitenaufnahmen beruht. Von der weltraumgestützten Beobachtung erhoffen sich Fachleute, die Biodiversität kontinuierlich und schneller auf der ganzen Welt, auch in schwer zugänglichen Regionen, erfassen zu können.
Schützenswertes bestimmen
«Eine noch grundlegendere Frage ist, was überhaupt zur Biodiversität zählt, was Natur ist und demzufolge schützenswert», sagte Schaepman. Bei indigenen Völkern zähle der Mensch und alles von ihm erschaffene genauso zum Inventar der Natur wie ein Baum.
In der industrialisierten Welt ist das Bild ein anderes: Dichte Städte mit Betonbauten und Strassen verbindet man kaum mit Natur. Eine Kulturlandschaft hingegen eher, obschon sie genauso menschengemacht ist wie eine Stadt. «Die Frage ist, welche Natur wir uns wünschen», hielt Schaepman fest.
Weltnaturgipfel in der Schweiz?
Die Ergebnisse der Konferenz in Davos sollen ihm zufolge, unter anderem in Form einer Resolution in die Diskussionen des 15. Weltnaturgipfels der Vereinten Nationen einfliessen. Auf dem im Dezember stattfindenden Gipfel im kanadischen Montréal wird ein richtungsweisendes globales Abkommen zum Schutz der Biodiversität erwartet.
Schaepman hofft, dass der darauffolgende Weltnaturgipfel in der Schweiz stattfinden wird: «Es wäre sinnvoll, den Gipfel dann direkt anschliessend an die Konferenz in Davos durchzuführen.» Der Weltnaturgipfel in der Schweiz quasi «als Sahnehäubchen» des «World Biodiversity Forum», sagte der Uni-Zürich-Rektor augenzwinkernd. Ein Signal dahingehend von der offiziellen Schweiz würde er durchaus begrüssen.