Neu entdeckte Erreger Forscher holen fast drei Dutzend uralte Viren aus Gletscher-Eis

phi

25.7.2021

Forscher der Ohio State University auf der Guliya Eiskappe in China.
Forscher der Ohio State University auf der Guliya Eiskappe in China.
Ohio State University

Wissenschaftler haben durch Bohrungen in einem Gletscher in Tibet 33 Viren gefunden, die bis zu 15'000 Jahre alt und anders sind als alles, was wir bisher kennen.

phi

Natürlich hat die Forschung hehre Ziele: Sie will verstehen, wie sich Viren über die Jahrhunderte entwickelt haben. Doch in Zeiten von Corona ist auch beängstigend, was Wissenschaftler in Eisbohrkernen aus Tibet entdeckt haben: 33 Viren, von denen 28 völlig neu sind.

«Was soll da schon schiefgehen?», mag sich Mensch in der Pandemie-Ära zynisch fragen, doch die Proben sind bereits 2015 genommen worden. Erst jetzt veröffentlicht das Team um Zhi-Ping Zhong und Matthew Sullivan von der Ohio State University ihre Ergebnisse: Die Viren sind demnach bis zu 15'000 Jahre alt.

Fenster in frühere Zeiten: die tibetische Guliya Eiskappe.
Fenster in frühere Zeiten: die tibetische Guliya Eiskappe.
Bild: Ohio State Universioty

Geborgen wurden sie im Tibetischen Hochplateau: In einer Höhe von 6700 Meter wurde Eis angebohrt, das sich dort seit Jahrtausenden sammelt, wobei im Staub auch das eingefroren wird, was damals in der Atmosphäre lag. Deshalb öffnen Bohrkerne ein Fenster in frühere Zeiten, durch die das historische Klima, Gase, Mikroben und Viren beobachtet werden können.

«Diese Gletscher wurden nach und nach geformt, und mit ihnen wurden Staub, Gase und viele, viele Viren im Eis gebannt», erklärt Mikrobiologe Zhi-Ping Zhong. «Die Gletscher in West-China sind noch nicht eingehend untersucht. Wir wollen diese Informationen nutzen, um vergangene Umweltbedingungen darzustellen.»

Von den 33 entdeckten Viren seien vier bereits beschrieben worden. 28 bis 29 seien unbekannt – und die Hälfte von ihnen hat nicht trotz des Eises überlebt, sondern gerade deswegen, sagt Mikrobiologe Sullivan: «Das sind Viren, die in extremen Umgebungen aufblühen. [Sie] haben Gen-Signaturen, die ihnen helfen, andere Zellen in der Kälte zu infizieren.»

Sullivan nennt diese veränderten Gensequenzen «surreal»: «Es ist nicht einfach, diese Signaturen herauszuziehen.» Kollege Zhong habe aber eine Methode entwickelt, durch die der Kern «dekontaminiert» und untersucht werden könne. Ihre Erkenntnisse sollen helfen, Umgebungen wie den Mars, den Mond oder auch die Atacama-Wüste in Chile besser zu verstehen.

Die Lage der Eiskappen von Guliya im Tibetischen Hochplateau in China – die Karte stammt allerdings von einer anderen Bohrung.
Die Lage der Eiskappen von Guliya im Tibetischen Hochplateau in China – die Karte stammt allerdings von einer anderen Bohrung.
Lide Tian

Die neu entdeckten Viren sind offenbar nicht in Tieren oder Menschen entstanden, sondern in der Erde und in Pflanzen. Das Problem ist, das es bisher wenig Forschung über Viren gibt. Sie teilen kein universelles Gen, weswegen die Einordnung aufwändig ist.

Bisher wurden erst zweimal Bohrkerne entnommen, um den Ursprung der organischen Strukturen zu ergründen, halten die Wissenschaftler im Fachjournal Microbiome fest.