Forscher warnen Der Schweiz gehen Radiochemie-Experten aus

stsc, sda

15.12.2020 - 05:31

In Polen geboren, in Frankreich berühmt geworden: die Begründerin der Radiochemie und zweifache Nobelpreisträgerin Marie Curie (sitzend) mit ihrer Tochter Irene in einem Labor in  Paris (20. April 1927). 
In Polen geboren, in Frankreich berühmt geworden: die Begründerin der Radiochemie und zweifache Nobelpreisträgerin Marie Curie (sitzend) mit ihrer Tochter Irene in einem Labor in  Paris (20. April 1927). 
Bild: Keystone/AP/Photo

Die Radiochemie ist ein Wissenschaftszweig mit Zukunft. Doch der Schweiz gehen einem neuen Bericht zufolge die Fachleute aus, wie ein am Dienstag veröffentlichter Bericht der Akademie der Naturwissenschaften Schweiz (SCNAT) zeigt.

Im Jahr 1896 entdeckte der französische Physiker Henry Becquerel die Radioaktivität. 1903 erhielt er zusammen mit Pierre und Marie Curie den Nobelpreis in Physik für Untersuchungen zu diesem neuen Phänomen. Seither lässt sich die Radiochemie aus vielen Wissenschaftsbereichen nicht mehr wegdenken.

Doch das von der SCNAT herausgegebene Weissbuch schlägt Alarm: Mittelfristig drohen der Schweiz die Fachleute auszugehen. Denn viele Berufsleute würden bald pensioniert, und mit der Emeritierung von Professorinnen und Professoren würden Studiengänge vor dem Aus stehen. In den Nachbarländern zeichnen sich ähnliche Szenarien ab.

Expertise der Radiochemiker unerlässlich

Die Schweizer hatten sich bei einer Volksabstimmung im Mai 2017 mit 58,2 Prozent der Stimmen für den Atomausstieg ausgesprochen. Mit dem Ausstieg aus der Kernenergie braucht es die Expertise von Radiochemikerinnen und Radiochemikern. Insbesondere für die Endlagerung der radioaktiven Abfälle muss erforscht werden, wie sich die Substanzen unter verschiedenen geologischen und klimatischen Bedingungen verhalten.

Auch in der Medizin setzten Ärztinnen und Ärzte radioaktive Stoffe ein, um Krankheiten zu diagnostizieren und Tumore zu bestrahlen. Ebenfalls eröffnen radioaktive Isotope einen Blick in vergangene Klima- und Umweltbedingungen.

Für die Schweiz sei es daher unerlässlich, auch in Zukunft starke Kompetenzen in der Radiochemie sowohl in der Lehre als auch in der Forschung zu besitzen und zielorientiert weiterzuentwickeln, so die Autoren der Studie.

Gemeinsame Professur an ETH und PSI

Die ETH Zürich und das Paul Scherrer Instiutut (PSI) folgten dem Aufruf bereits und schufen eine neue Professur: Der 34-jährige Patrick Steinegger erhielt eine Assistenzprofessur für Radiochemie. Er konzentriert sich auf die chemische Charakterisierung der schwersten und kaum erforschten Elemente des Periodensystems, wie die Hochschule mitteilte.

Dem PSI soll dem Bericht zufolge denn auch eine zentrale Rolle in der Radiochemie zukommen: Denn das Forschungsinstitut ist die einzige Einrichtung in der Schweiz, die mehrere Teilchenbeschleuniger betreibt, mit denen radioaktive Nuklide hergestellt werden können.

So schlagen die Autoren neben der soeben geschaffenen Professur auch gemeinsame Professuren des PSI mit den Universitäten Zürich, Bern oder der ETH Lausanne (EPFL) vor. Auch der Aufbau eines nationalen oder internationalen Masterprogramms oder die Option einer Professur in Fachhochschulen sei prüfenswert.

Zurück zur Startseite

stsc, sda