Wissen Klimawandel bedroht auch Herzschwäche-Patienten

mr

22.9.2022 - 01:43

Hitzewellen können Patientinnen und Patienten mit chronischen Herzproblemen besonders zusetzen. (Archivbild)
Hitzewellen können Patientinnen und Patienten mit chronischen Herzproblemen besonders zusetzen. (Archivbild)
Keystone

Der Klimawandel könnte in Zukunft eine grosse Gruppe von kranken Menschen zusätzlich negativ treffen. Bei Patientinnen und Patienten mit chronischer Herzschwäche schwankt das Gewicht bei Hitzewellen stark.

Keystone-SDA, mr

Binnen weniger Tage kommt es zu einem Gewichtsverlust um bis zu zwei Kilogramm. Das haben jetzt französische Wissenschaftler mit einem Telemonitoring-System nachgewiesen.

«Diese Studie ist die erste, die einen strikten Konnex zwischen Temperaturen und dem Körpergewicht bei Patienten mit chronischer Herzinsuffizienz nachweist», sagte Studienautor Francois Roubille von der Universitätsklinik in Montpellier in Frankreich.

Aktuell wegen Hitzewellen

Die Resultate seien auch aktuell wegen der Hitzewellen dieses Jahres. Roubille führt aus: «Der Gewichtsverlust, den wir bei Menschen mit Herzschwäche beobachtete haben, kann zu einem niedrigen Blutdruck und Nierenversagen führen.» Das könne lebensbedrohlich werden. Mit dem für die Zukunft vorhergesagten Temperaturanstieg sollten Ärzte und Patienten auch darauf vorbereitet sein, zum Beispiel die Dosierung von entwässernden Medikamenten schnell zu reduzieren, wenn eine akute Gewichtsabnahme bemerkbar wird.

Chronische Herzschwäche ist eine lebensgefährliche Erkrankung, die immer mehr Menschen betrifft. Umwelteinflüsse, Ernährung und Flüssigkeitsaufnahme wirken sich fast direkt auf den Zustand jener Menschen aus, deren Herz infolge einer Vorschädigung zu wenig Pumpkraft hat. Wenn sich eine solche Herzinsuffizienz verschlechtert, kommt es leicht zu einem Teufelskreis mit vermehrter Flüssigkeitsansammlung in der Lunge, den Beinen und im Bauchraum, was erst recht zu einer Überlastung mit Atemnot und weiteren Symptomen führt.

Zunahme und Abnahme sind gefährlich

Während man bisher bei der Überwachung des Zustands der Patientinnen und Patienten eher auf eine plötzliche Gewichtszunahme (Flüssigkeitsansammlung) als Warnsignal fokussierte, ist offenbar auch das Gegenteil problematisch. «Wenn Gesunde in einer Hitzeperiode mehr trinken, reguliert ihr Körper das automatisch über eine vermehrte Urinausscheidung. Bei Personen mit chronischer Herzschwäche funktioniert dieser Automatismus nicht, weil sie zumeist Diuretika einnehmen, die zu einer vermehrten Flüssigkeitsausscheidung führen.»

Die Wissenschaftler überwachten mit einem Telemonitoring-System 1420 Herzschwäche-Patienten und korrelierten ihre Gewichtsdaten mit den Temperaturen zwischen 1. Juni und 20. September 2019. In diesem Zeitraum kam es in Frankreich zu zwei Hitzewellen. Das mittlere Alter der Probanden betrug 73 Jahre, das Durchschnittsgewicht 78 Kilogramm.

Geräte sollen Alarm schlagen

Zur Überraschung der Kardiologen zeigte sich weniger eine Gewichtszunahme bei den Temperaturspitzen, sondern das Gegenteil. Roubille: «Der Gewichtsverlust, den wir während dieser Hitzewellen beobachteten, war klinisch relevant. Die Patienten mit ihrem Durchschnittsgewicht von 78 Kilogramm verloren binnen kürzester Zeit im Mittel 1,5 Kilogramm. Wir waren überrascht, weil wir das Gegenteil erwartet hatten.»

Während bisher die verwendeten Telemonitoring-Systeme für Herzinsuffizienz-Patienten immer Alarm schlugen, wenn es zu einer plötzlichen Gewichtszunahme kam, sollte das jetzt auch für das Gegenteil programmiert werden, meinen die an der wissenschaftlichen Untersuchung beteiligten Wissenschaftler.

Sie sollten – wenn sie keine solche Geräte verwenden – jedenfalls ihre Ärzte sowohl bei plötzlicher Gewichtsabnahme als auch bei akuter Gewichtszunahme kontaktieren, um eventuell die Dosierung ihrer Medikamente zu adaptieren. Die Studie ist in der Herzschwäche-Spezialpublikation der Europäischen Gesellschaft für Kardiologie (ESC) erschienen.