Mit einfachen MittelnMündliche Autopsien: Innovativer Weg, um Todesursachen zu klären
AP/tafi
12.10.2019
Gerade in Entwicklungsländern bleibt oft im Dunkeln, woran ein Mensch gestorben ist. Das erschwert Prognosen zum Verlauf von Krankheiten und deren Bekämpfung. Ein vergleichsweise einfaches Projekt schafft Abhilfe.
Eine junge Frau mit einem Tablet-Computer sitzt im Wohnzimmer von Alphonsine Umurerwa in der ruandischen Hauptstadt Kigali, stellt Fragen und hört genau zu. Sie erfährt, dass die 23-jährige Tochter der Frau etwa ein Jahr lang krank war und schliesslich so schwach wurde, dass sie das Haus nicht mehr verlassen konnte. Die Familie dachte, Sandrine Umwungeri leide an Malaria. Arznei aus einer örtlichen Apotheke half nicht. Im März starb sie.
Die Interviewerin fragt: Wann begann Sandrine, sich schwach zu fühlen? Hatte sie Fieber? Nahm ihre Haut einen gelblichen Ton an? Jede ins Tablet eingetippte Antwort entscheidet über die nächste Frage. Es handelt sich um eine «mündliche Autopsie» – ein Interview, in dem ein dafür ausgebildeter Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes einen engen Angehörigen oder Pflegenden über eine kürzlich verstorbene Person befragt.
Immer häufiger nutzen Beschäftigte im Gesundheitsdienst solche Instrumente und deren Computeralgorithmen, um mehr über den weltweiten Verlauf menschlicher Krankheiten zu erfahren.
Mehr Daten können Leben retten
Etwa 50 Länder haben bereits solche Projekte unternommen, und die Liste wächst. Vergangene Woche kündigte Bloomberg Philanthropies, ein grosser Geldgeber für internationale Initiativen zum Sammeln von Gesundheitsdaten – an, in den nächsten vier Jahren weitere 120 Millionen Dollar (121 Millionen Franken) bereitzustellen, um Projekte in 20 bereits zuvor unterstützten Ländern fortzuführen. Zusätzlich sollen fünf weitere Länder hinzukommen.
Darunter sind Mittel für mündliche Autopsien, Krebsregister und andere Programme, die Entwicklungsländern dabei helfen sollen, genaue Daten über die Gesundheit ihrer Bürger zu sammeln. «Mit mehr und besseren Daten zu Todesursachen können mehr Länder mehr Leben retten», erklärte Michael Bloomberg, Gründer der philanthropischen Stiftung.
Solche Arbeit wird laut Experten dringend benötigt. Schätzungsweise 60 Millionen Menschen weltweit werden dieses Jahr sterben. In der Hälfte der Fälle wird keine Sterbeurkunde oder ein anderes Dokument ausgestellt, in dem die Todesursache genannt wird. Besonders trifft das auf Länder in Afrika und Teilen Asiens zu.
Damit Todesfälle nicht unsichtbar bleiben
Das bedeutet, dass das allgemeine Verständnis von Krankheits- und Sterblichkeitsverläufen in Entwicklungsländern oft von ungenauen Schätzungen abhängt. Ebenso verhält es sich mit Entscheidungen vieler Länder darüber, welchen Gesundheitsproblemen Priorität eingeräumt wird.
«Das Ausmass des Problems ist tatsächlich ziemlich atemberaubend», sagt Lucia D'Ambruoso, eine Forscherin der Universität von Aberdeen in Schottland, die sich mit mündlichen Autopsien befasst hat. Es sei aus moralischer ebenso wie aus analytischer Sicht unabdingbar, dass «diese sonst unsichtbaren Todesfälle» beleuchtet würden, erklärt D’Ambruoso.
Die Feststellung einer Todesursache kann selbst in Industriestaaten heikel sein. Studien legen beispielsweise nahe, dass manche Ärzte in den USA bestimmte Erkrankungen per Standardeingabe erfassen. Einige Experten glauben deshalb, dass dort in zu vielen Fällen eine Herzerkrankung als Todesursache genannt wird.
Viel problematischer ist es aber, genaue Daten in Ländern zu sammeln, in denen nur ein Bruchteil der Todesfälle in Krankenhäusern oder in Anwesenheit eines Arztes auftritt. In Ruanda sterben nur etwa 20 Prozent der Menschen in Krankenhäusern, und für 8’000 Menschen gibt es nur einen approbierten Arzt, wie aus Daten des Ruandischen Medizinischen und Zahnärztlichen Rats hervorgeht.
«Million-Todesfälle-Studie»
Der Weg für die aktuelle Kampagne zur mündlichen Autopsie wurde vor mehr als 50 Jahren in kleinen Hausarztprojekten in Afrika und Asien bereitet. Eine wegweisende Studie wurde in Indien durchgeführt. Ende der 1990er-Jahre begaben sich ausgebildete Interviewer – keine Ärzte – ins Zuhause von Menschen, die kurz zuvor gestorben waren. Sie befragten enge Angehörige über die Symptome und Ereignisse, die dem Tod ihres Verwandten vorausgegangen waren.
Kleine Ärzteteams nutzten die Interviews später, um die Todesursache zu bestimmen. Die «Million-Todesfälle-Studie», wie sie genannt wurde, ergab, dass es in Indien offenbar viel mehr Sterbefälle im Zusammenhang mit Malaria und Tabakrauch gab als von der Weltgesundheitsorganisation geschätzt und zugleich viel weniger Aids-Todesfälle als von der WHO erwartet.
Natürlich haben mündliche Autopsien auch Nachteile. Sie stützen sich auf die Angaben trauernder Angehöriger, die sich möglichst genau an medizinische Details erinnern sollen. Die Validität der Ergebnisse kann sich unterscheiden je nachdem, wer die Fragen beantwortet, welche Fragen gestellt und wie die Antworten interpretiert werden.
«Besser als nichts zu tun»
Manche Experten dringen auf andere Methoden wie die minimalinvasive Entnahme von Gewebe- und Organproben zur schnellen Analyse. Dafür sind aber speziell ausgebildete medizinisch-technische Assistenten nötig, und die Proben müssen innerhalb von 24 Stunden nach dem Tod einer Person entnommen und zur schnellen Analyse weitergeleitet werden.
Doch mündliche Autopsien «sind viel besser, als nichts zu tun», was in einigen Ländern die einzige Alternative sei, sagt Peter Byass, ein Forscher der schwedischen Umeå-Universität und Experte für solche Interviews. Die in New York ansässige Organisation Vital Strategies startete 2015 eine Zusammenarbeit mit der ruandischen Regierung, um ein Programm für mündliche Autopsien zu entwickeln. Das Projekt schulte Mitarbeiter des Gesundheitsdienstes der Regierung, die bereits ambulante Gesundheits- und Hospizversorgung leisteten, die Interviews zu führen.
Etwa 2’700 mündliche Autopsien wurden seither in neun Regionen Ruandas geführt. Das reicht zwar nicht, um einen landesweiten Überblick zu bieten, doch die Regierung will das Projekt in den kommenden Jahren ausweiten. Anfangs empfanden Befragte die Fragen manchmal als zu aufdringlich. Doch im Lauf der Zeit gewöhnten sich die meisten Menschen daran und akzeptierten sie. «Wenn wir ihnen erläutern, warum wir das tun, verstehen sie es schliesslich», sagt Janvier Ngabonziza, ein Interviewer in der Region Rwamagana.
Respektvoller Umgang mit den Hinterbliebenen
Die mündliche Autopsie von Sandrine Umwungeri wurde von Leonie Mfitumukiza durchgeführt. Sie hatte die Mutter der Verstorbenen bei ihrer Arbeit als Mitarbeiterin des Gesundheitsdienstes kennen gelernt. Nachdem sie der Familie einige Monate Zeit zum Trauern gelassen hatte, kam sie, um sich über die Erkrankung Umwungeris zu erkundigen.
Respektvoll und mit vielen Pausen, in denen sie zu trösten versuchte, folgte Mfitumukiza dem standardisierten Fragenverlauf zu den Symptomen. Die Informationen werden später von einem Computeralgorithmus analysiert, um eine Todesursache zu bestimmen. Mfitumukiza sagt, sie glaube, Umwungeri sei an Diabetes gestorben, nicht an Malaria. Aber sie betont, dass es ihre Aufgabe gewesen sei, Informationen zu sammeln und nicht, daraus Schlüsse zu ziehen.
Langer Aufenthalt im All – Studie mit Zwillingen liefert Überraschungen
Langer Aufenthalt im All – Studie mit Zwillingen liefert Überraschungen
Die US-Astronauten Mark (links) und Scott Kelly stehen sich gegenüber. Ein längerer Aufenthalt im All scheint die Gesundheit und den körperlichen Zustand von Astronauten nicht nachhaltig zu beeinträchtigen, wie eine Studie nahezulegen scheint.
Das Handoutfoto zeigt Scott Kelly nach der Rückkehr von der Internationalen Raumstation zur Erde in Kasachstan am 2. März 2016.
Zusammen mit dem russischen Kosmonauten Michail Kornijenko hatte Scott knapp ein Jahr auf der ISS vebracht, bevor das Raumschiff Sojus TMA-18M die beiden Männer zurückbrachte.
Bild: Keystone
In seinem Buch «Endurance. Mein Jahr im Weltall» hatte Scott Kelly beschrieben, dass er sich nach der Rückkehr wie ein alter Mann gefühlt habe, mit grausamen Schmerzen in den angeschwollenen Beinen, Übelkeit und brennender Haut.
Bild: Keystone
Als Beitrag zur Studie impfte sich Kelly auf der ISS gegen die Grippe. Wie die Forscher berichten, wirkt eine Grippe-Impfung im All genauso wie auf der Erde. Und die Darmflora veränderte sich nicht stärker als dies auch auf der Erde unter Stressbedingungen beobachtet wird.
Bild: Keystone
Blick in Scotts persönliches Quartier. Der 1964 geborene Astronaut fungierte auf der ISS als Bordingenieur.
Bild: Keystone
Bei Scott Kelly entwickelte sich im All unter anderem die Genaktivität anders als bei seinem Zwillingsbruder auf der Erde. Mehr als 90 Prozent dieser Aktivität entwickelte sich innerhalb von sechs Monaten aber wieder zurück auf das Level vor der Mission.
Bild: Keystone
Wenn Kelly von der ISS zu unserem Planeten hinabschaute, war er für ihn mehr der Planet Wasser als der Planet Erde.
Bild: Keystone
Seit dem 2. November 2000 ist die ISS dauerhaft von Astronauten bewohnt. Auf diesem Bild von 2015 befindet sich links das Versorgungsschiff «Cygnus» im Anflug.
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