Schweres Schicksal Radioreporter ohne Stimme schöpft dank Technologie neue Hoffnung

Brinley Hineman, AP

22.6.2018

Was passiert, wenn ein Radiojournalist seine Stimme verliert? Nicht nur aus beruflicher Hinsicht war das für Jamie Dupree ein schwerer Schlag. Seine Radiobeiträge haben ihm letztlich geholfen, eine Alternative zu finden.

Vor zwei Jahren verlor Jamie Dupree seine Stimme. Was an sich schon schlimm genug ist. Für den 54-Jährigen stellte das aber ein ganz besonders schweres Schicksal dar: Dupree ist Radioreporter.

Zunächst wusste der Politikjournalist des Medienunternehmens Cox, wie er das Problem umgehen konnte: Er konzentrierte sich darauf, Texte zu schreiben. Mit Interviewpartnern kommunizierte er per Notizkarte.

Langfristig zufriedenstellend war das für Dupree aber nicht. Nun ermöglicht es ihm eine Technologie, wieder zu sprechen - über einen kleinen Umweg zwar, aber dennoch mit «seiner» Stimme.

Das schottische Unternehmen CereProc, das sich auf Text-to-Speech-Technologien spezialisiert hat, hat Dupree eine neue Möglichkeit zum Sprechen gegeben: Eine Software wandelt seine getippten Sätze in gesprochene Worte um. Was ein bisschen an Stephen Hawking erinnert, hat für Dupree und seine Berufung weitreichende Folgen: In den nächsten Tagen soll er in Atlanta und anderen US-Städten im Radio zu hören sein.

Der Leidensweg des Radiojournalisten begann im April 2016. Er ist damals mit seiner Familie in England unterwegs gewesen. Nach der Rücktour sei es mit seiner Stimme bergab gegangen. Seine Stimme sei immer schwächer geworden, bis sie schliesslich ganz versiegte.

Was für ein Schicksal für jemanden, der seit Jahrzehnten aus Washington über die US-Politik und seit 1992 über jeden Präsidentenwahlkampf berichtete. Als sich 2016 Donald Trump und Hillary Clinton beharkten, war er plötzlich stumm.

Um herauszufinden, was mit ihm geschehen ist, besuchte Dupree mehrere Kliniken. Letztlich diagnostizierte das Stimmenzentrum der Cleveland Clinic in Ohio eine Zungenvorwölbungsdystonie (englisch: tongue protrusion dystonia) bei ihm, eine seltene neurologische Erkrankung, die verursacht, dass die Zunge hervortritt und der Hals geschlossen wird, wenn das Gehirn das Signal zum Sprechen sendet.

Die Dystonie sei so selten gewesen, dass ihm kein Arzt empfehlen konnte, wie sie weiter behandelt werden solle, sagt Dupree. Nachdem eine Bekannte von ihm, die US-Abgeordnete Ileana Ros-Lehtinen aus Miami, Ende 2017 im Repräsentantenhaus auf seinen Fall hinwies, kam es zu Gesprächen mit CereProc. Deren Patienten müssen normalerweise ihre Stimme aufnehmen, damit daraus eine künstliche Stimme kreiert werden kann - etwas, das für Dupree unmöglich war.

An dieser Stelle kam ihm seine Arbeit zugute: Seine Stimme wurde über Jahre hinweg immer wieder aufgenommen - für seine Radiobeiträge. Dieses Archivmaterial wurde als Quelle für die neue Stimme benutzt, wie Graham Leary sagt. Er hat Duprees digitale Stimme konstruiert.

Innerhalb weniger Wochen war sie fertig. Als Dupree am 10. Mai davon erfuhr, besuchte er gerade einen Freund in Atlanta. Als er auf seinen Rückflug nach Washington wartete, lud er die Software herunter, setzte seine Kopfhörer auf und tippte ein: «Mein Name ist Jamie Dupree. Das ist meine neue Stimme.» Der Computer las es ihm vor - ein bisschen roboterhaft, wie er einräumt, aber ständige Updates sollen das noch verbessern.

Für Dupree ist die neue Stimme nicht bloss karriererelevant, sondern schlichtweg essenziell für sein ganzes Leben. «Dabei geht es um so viel mehr als darum, dass ich nicht mehr im Radio bin.» Dennoch hofft er, eines Tages wieder normal sprechen zu können - ohne Technologie.

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