Tötungsmaschinen? Roboter wie Raubtiere: US-Firma gibt mit ihren Kreaturen Rätsel auf

Matt O'Brien, AP

7.6.2018

Roboter in Fabriken, in der Medizin oder sogar im Haushalt: Das alles ist nichts wirklich Neues mehr. Aber wozu sind Furcht einflössende raubtierähnliche Maschinen gut? Eine US-Firma gibt Rätsel auf.

Die Roboter in den YouTube-Videos wirken wie Raubtiere, sind schnell und stark, manchmal geradezu furchterregend. Da rennt eine lebensgrosse robotische Wildkatze mit einem Tempo von gut 35 Kilometern pro Stunde über einen Parkplatz.

Ein kleiner Geländewagen mit dem Spitznamen SandFlea (Sandfloh) schwingt sich auf Dächer und dann wieder herunter. Ein feingliedriger hundeähnlicher Roboter, der Treppen steigt, behauptet sich im Tauziehen mit einem Menschen und öffnet eine Tür, um einen anderen Roboter passieren zu lassen.

Alle drei Kreaturen stammen aus der Schmiede der US-Roboterfirma Boston Dynamics. Das Unternehmen stellt seine jeweiligen Schöpfungen gern via YouTube vor, schon seit Jahren. Aber was Boston Dynamics bisher nicht klar herauslässt, ist der Zweck seiner experimentellen Arbeit.

Wozu sollen die Roboter dienen, wer sind die potenziellen Abnehmer? Werden da Tötungsmaschinen für einen etwaigen militärischen Einsatz entwickelt, denn schliesslich wurde der Start der Firma mit militärischen Geldern unterstützt? Oder gibt es einen ganz anderen Zweck?

Hunderoboter als Wächter?

Rätsel über Rätsel, und Boston Dynamics hat bisher wenig Neigung gezeigt, die Geheimnisse zu lüften. Diverse Anfragen nach Informationen über ihre Arbeit schmetterten die geheimnisvolle Firma und ihre Mutter SoftBank ab, und als ein Reporter das Hauptquartier des Unternehmens im Bostoner Vorort Waltham (Massachusetts) aufsuchte, wurde er abgewiesen.

Aber nach Gesprächen der Nachrichtenagentur AP mit zehn Personen, die mit Boston Dynamics oder dessen Gründer Marc Raibert zusammengearbeitet haben, stimmte der Spitzenmanager unlängst einem kurzen Interview am Rande einer Roboter-Technik zu.

Dort hatte Raibert just den hundeähnlichen türöffnenden Roboter aus dem Video, SpotMini, vorgeführt - den ersten kommerziellen Roboter des Unternehmens in dessen 26-jähriger Geschichte. Er soll ab nächstem Jahr - mit einer Kamera ausgerüstet - Firmen als eine Art Wächter angeboten werden.

Militärische Verwendung nicht ausgeschlossen

Raibert zufolge sollen pro Jahr 1000 mit Batterie angetriebene SpotMinis hergestellt werden. Er schloss in dem AP-Interview künftige militärische Verwendungszwecke für diesen Roboter nicht aus, aber spielte insgesamt verbreitete Befürchtungen herunter, dass die Schöpfungen seines Unternehmens eines Tages zum Töten eingesetzt werden könnten.

«Jede vorstellbare Technologie bietet verschiedene Nutzungsmöglichkeiten», sagt der CEO. «Wenn etwas daran beängstigend ist, dann nur, weil Menschen beängstigend sind, nicht die Roboter selbst.» Insgesamt bleibt es nebulös, worauf Boston Dynamics im Grossen abzielt - und das könnte die Firma ganz bewusst so halten.

Angaben früherer Mitarbeiter deuten darauf hin, dass das Unternehmen über lange Strecken kommerzielle Nachfragen beiseite gewischt hat, von moralischen oder ethischen Bedenken Aussenstehender gar nicht zu reden. Das alles in dem eingleisigen Streben nach Robotern, die Bewegungen von Tieren nachahmen.

Eher Forschungslabor als Geschäftsunternehmen

Manche Ex-Mitarbeiter beschreiben Boston Dynamics eher als ein gut finanziertes Forschungslabor als ein Geschäftsunternehmen. Dazu passt es, dass Raiberts Vision über Jahre hinweg durch militärische Verträge am Leben gehalten wurde, besonders mit Hilfe der für militärische Forschungsprojekte zuständigen US-Behörde DARPA.

In einer Datenbank zugängliche Vertragsstatistiken besagen, dass Boston Dynamics seit 1994 mehr als 150 Millionen Dollar an finanzieller Unterstützung aus dem Verteidigungssektor erhalten hat. Die Zahl der Verträge begann erst 2013 zu schrumpfen. Da kaufte Google Boston Dynamics und machte klar, dass es mit militärischer Arbeit nichts zu tun haben wolle.

Kurz nach Bekanntgabe des Deals im Dezember des Jahres stellte Googles damaliger Topmann für Robotik, Andy Rubin, der Belegschaft sein Konzept vor. Teilnehmer sprachen später von einem Gefühl der Erleichterung und von vorsichtigem Optimismus. Rubin habe ehrgeizige Ziele dargelegt, sagte ein früherer Mitarbeiter. «Ein Roboter, der Älteren und Gebrechlichen zur Seite stehen könnte. Roboter, die in Lebensmittelläden arbeiten. Roboter, die Pakete abliefern.»

Besorgnis über «beängstigende» Robotervideos

Aber es zogen bald dunklere Wolken auf. Rubin verliess 2014 Google, und bei seinen Nachfolgern löste Raiberts Arbeitsansatz zunehmend Frust aus, wie mehrere damalige Insider schildern. Demnach herrschte unter anderem Unmut über Boston Dynamics' mangelnden Fokus auf die Herstellung einer Ware, die sich verkaufen lässt. Auch sei man besorgt darüber gewesen, dass negative Reaktionen in sozialen Medien auf die «beängstigenden» Roboter-Videos dem Image der Firma schaden könnten.

Google entschloss sich schliesslich zum Verkauf des Unternehmens, neuer Besitzer ist seit diesem Jahr der japanische Technik-Gigant SoftBank, selber ein Name in der Roboter-Technik. Bisher hat sich SoftBank nicht über seine Pläne geäussert, aber jüngste Stellenangebote bei Boston Dynamics weisen auf eine verstärkte Betonung auf verkäufliche Produkte etwa im Bereich Logistik, Baugewerbe und kommerzieller Sicherheit hin.

Raibert rechnet es Google positiv an, das Unternehmen zur «besten Arbeit» gedrängt zu haben, «die wir jemals getan haben». Aber er sagt zugleich, dass sein Team unter SoftBank wieder «eigenständig» operiere. «Wir haben einen sehr starken Plan», sagte er. «Wir arbeiten alle hart daran.»

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