Klimaforschung unter Trump Schweizer Professor in den USA bereitet sich auf Kürzungen vor

Stefan Michel

8.6.2025

Für die Administration Trump hat der Klimawandel keine Priorität. Der Schweizer Klimaforscher Flavio Lehner ist Professor an der Cornell University NY und sieht schwierige Zeiten kommen.
Für die Administration Trump hat der Klimawandel keine Priorität. Der Schweizer Klimaforscher Flavio Lehner ist Professor an der Cornell University NY und sieht schwierige Zeiten kommen.
PantherMedia / luyag

Flavio Lehner ist Professor für Atmosphären-Wissenschaft an der Cornell University in New York. Diese steht weit oben auf der Liste jener Unis, denen Trump Mittel streichen will. Die Klimaforschung wird es schwer haben, ist der Schweizer überzeugt.

Stefan Michel

Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen

  • Der Basler Flavio Lehner ist Klimaforscher und Professor für Atmosphären-Wissenschaft an der privaten Cornell University im Bundesstaat New York.
  • Er sieht schwere Zeiten auf die Klimaforschung in den USA zukommen, weil die Regierung Trump Mittel streicht und für den Staat arbeitende Wissenschaftler entlässt.
  • Trotzdem will Lehner weiter in den USA dozieren – auch um die amerikanische Klimaforschung in dieser kritischen Zeit zu schützen.

Seit über zehn Jahren arbeitet der Schweizer Klimawissenschaftler Flavio Lehner in den USA. Seit fünf Jahren ist er Professor für Erd- und Atmosphären-Wissenschaft an der Cornell University in Ithaca im Bundesstaat New York. Dies sei das Fach, dass in den USA die meisten ausbilde, die in der Klimaforschung arbeiten, erklärt der Basler.

Der Klimawandel gehört nicht zu den Problemen, die die Regierung Trump angeht. Im Gegenteil, sie hat schon mehrere Massnahmen zum Schutz der Umwelt und zur Eindämmung der Erderwärmung aufgehoben und sieht in diesem Bereich Kürzungen vor.

Zudem richtet Trumps Team seinen Bannstrahl auf Universitäten, einerseits wegen deren Inklusions- und Gleichberechtigungsprogrammen (DEI, Diversity Equity Inclusion), anderseits wegen angeblicher antisemitischer Umtriebe.

Das Institut, an dem Lehner lehrt, ist somit gleich aus zwei Gründen im Visier der US-Regierung. Der Schweizer Wissenschaftler ist sich sicher, dass der Klimaforschung in den USA in den nächsten Jahren deutlich weniger Geld zur Verfügung stehen wird. Er bereite sich bereits darauf vor, sagt er blue News im Interview:

Seit gut vier Monaten ist die Regierung Trump im Amt. Wie macht sich das in Ihrer Arbeit bemerkbar?

Es werden erste Projekte gecancelt. Aber nicht, weil sie sich mit der globalen Erwärmung beschäftigen, sondern weil sie DEI-Elemente enthalten. In den letzten Jahren war es erwünscht, zu zeigen, wie ein Forschungsprojekt die Gleichberechtigung fördert. Jetzt kann es deswegen gestoppt werden.

Sind das Forschungsprojekte, die Sie geleitet haben?

Nein, persönlich bin ich als Klimaforscher noch nicht betroffen. Das Budget der neuen Regierung ist noch nicht lang bekannt und wir beginnen erst zu verstehen, was auf uns zukommt.

«Es werden erste Projekte gecancelt. Aber nicht, weil sie sich mit dem Klimawandel beschäftigen, sondern weil sie Inklusionselemente enthalten.»

Was erwarten Sie?

Es wird Kürzungen geben. Übrigens ist wegen DEI bereits ein Programm aus den Ingenieurwissenschaften an unserer Uni aufgehoben worden. Da ging es um Antriebe für Kriegsschiffe, Auftraggeber war das Verteidigungsdepartement. Weil es erklärtes Ziel des Projekts war, mehr Frauen für Ingenieurwissenschaften zu gewinnen, hat die Regierung den Stopp verfügt.

Wie wichtig ist die Bundesregierung für die Finanzierung der Universitäten und speziell der Cornell University?

Sie ist der grösste Geldgeber für die Grundlagenforschung. Die Bundesstaaten finanzieren in der Regel Programme, die auf dieser aufbauen. Weniger Geld von der Bundesregierung bedeutet weniger Grundlagenforschung. Und Klimawissenschaft beschäftigt sich immer noch zu einem wesentlichen Teil mit den Grundlagen.

Haben Sie Alternativen, wie Sie ihre Forschungsprogramme in Zukunft finanzieren können?

Mein Team und ich haben in den letzten Monaten viel Zeit investiert in die Suche nach Stiftungen, vor allem philantropische, die Forschungsvorhaben wie unsere finanziell unterstützen. Ich suche auch für laufende Projekte alternative Finanzierungen, damit wir sie weiterführen können, wenn die Regierung uns die Mittel streicht.

Ich muss anfügen, dass es schon immer so ist, dass wir für jedes Projekt Finanzierungsgesuche eingeben müssen, beispielsweise bei der National Science Foundation. Aber wenn dort die Programme gestoppt werden, aus denen unsere Projekte mit Mitteln versorgt werden, dann müssen wir uns nach anderen Quellen umsehen.

Zur Person
Cornell University

Flavio Lehner ist Klimawissenschaftler und Assistenzprofessor für Atmosphärenwissenschaften an der Cornell University im Bundesstaat New York und leitender Klimawissenschaftler für die gemeinnützige Organisation Polar Bears International.

Wie wirkt sich die harte Linie gegenüber ausländischen Studierenden und Dozierenden aus?

Im Kleinen sehen wir bereits Auswirkungen. Eine chinesische Wissenschaftlerin, der wir einen Gastaufenthalt während ihrer Dissertation angeboten haben, hat sich gegen uns entschieden, weil ihr gesagt worden sei, dass es Probleme mit ihrem Visum geben könnte.

Wir haben Professoren aus China, die seit vielen Jahren hier arbeiten, die nun ihren jährlichen Urlaub in der Heimat abgesagt haben, weil sie Angst haben, dass sie danach nicht mehr in die USA einreisen können.

Wie sehen Sie Ihre eigene Situation?

Ich denke, als Dozent, der in erster Linie Vorlesungen für die Studierenden hält, bin ich relativ sicher. Das ist die Haupttätigkeit der Cornell University. Was auch meinen Job gefährdet, ist die Drohung, keine ausländischen Studierenden mehr zu akzeptieren. An unserer Uni machen diese 25 Prozent aus. Ihre Studiengebühren sind ein wesentlicher Teil der Einnahmen der Universität. Fallen diese weg, muss die Universität ihren Betrieb verkleinern und Leute entlassen.

Sie sind gerade in der Schweiz. Wie sehen Sie der Einreise in die USA entgegen?

Ich versuche, relativ entspannt zu bleiben. Ich habe eine Greencard und bin ein weisser Mann, also nicht automatisch auf dem Radar. Als ich früher noch mit einem Visum einreiste, wurde ich oft gefragt, was ich beruflich mache und musste mir in ein paar Fällen provozierende Fragen zur Klimaforschung anhören.

«Für Forschungsanträge hilft es, unter dem Radar zu bleiben.»

Gibt es Einschränkungen bei Publikationen oder halten Sie sich freiwillig zurück?

Für Forschungsanträge hilft es, unter dem Radar zu bleiben. Deshalb verwenden wir eher Begriffe wie Extremwetter als Klimawandel. Das haben wir schon während der ersten Regierungszeit Trumps gemacht. Da haben wir, als kleines Beispiel, ein Projekt zur Erforschung des Klimas auf den Zustand des Colorado River eingereicht und auf tieferer Stufe positive Signale erhalten. Bevor wir es bei der zuständigen Bundesstelle eingereicht haben, haben wir Klimawandel durch geophysikalische Variabilität ersetzt und haben die Finanzierung erhalten. Ob diese geänderte Wortwahl ausschlaggebend war, kann ich jedoch nicht mit Sicherheit sagen.

Das normale Publizieren ist aber das kleinste Problem. Schwerwiegender ist, dass staatlich angestellte Wissenschaftler nicht mehr beim nationalen Klimabericht mitarbeiten dürfen – oder bereits entlassen worden sind. Ohne sie haben unsere Berichte weniger Gewicht und werden im Kongress weniger beachtet. Die nationalen Klimaberichte waren ein wichtiges Mittel, um die Politik auf Folgen des Klimawandels hinzuweisen. Die werden jetzt an Relevanz verlieren.

Was würden Sie tun, wenn die Regierung sich in ihre Vorlesungsinhalte und Forschung einmischen würde?

Ich würde mir eine andere Stelle suchen.

Sehen Sie sich schon nach Hochschulen ausserhalb der USA um?

Als Wissenschaftler gehört es dazu, sich zu informieren, wo welche Stellen offen sind. Andererseits bin ich motiviert hierzubleiben, um das Wissen und die Ausbildungsmöglichkeiten zu erhalten sowie um Daten und Wissen zu schützen. Zudem bin ich als Assistenz-Professor noch in der Probezeit und möchte diese abschliessen.

Was meinen Sie mit «Daten und Wissen schützen»?

An einer privaten Uni haben wir Möglichkeiten, Daten zu speichern und Publikationen zu veröffentlichen, die Regierungen der Öffentlichkeit vorenthalten möchten. Diese Unabhängigkeit war schon immer eine wichtige Funktion von Unis.

Werben andere Staaten bereits um Wissenschaftler aus den USA?

China versucht, chinesische Wissenschaftler aus den USA zurückzuholen. Jene, die schon als junge Doktoranden hierhergekommen sind und Gefallen am Leben hier gefunden haben, sind aber auch nicht alle wild darauf, nach China zurückzukehren. Selbstverständlich ist die private Situation oft ein Entscheidungsfaktor.

Ist Ihnen schon ein Job angeboten worden?

Nein, aber es ist für Wissenschaftler schon immer attraktiv, in der Schweiz zu forschen. Ich erwarte und sehe bisher auch kein grossangelegtes Abwerben seitens der Schweizer Unis. Es werden sich eventuell einfach mehr und besser qualifizierte Leute auf bestehende Stellen bewerben.