Plastikmüll-Sammler Schweizer Katamaran holt sich seinen Treib-Stoff im Meer

SDA/tjb

9.2.2021

Der Schweizer Rekordsegler Yvan Bourgnon hat einen Hochseekatamaran entwickelt, der Plastik in grossen Mengen aus dem Meer fischt, verarbeitet und zurückzugewinnt. Bis die «Manta» vom Stapel läuft, dauert es allerdings noch etwas.

Nach drei Jahren Forschung und Entwicklung haben der in La Chaux-de-Fonds NE geborene Bourgnon und die von ihm ins Leben gerufene Umweltschutzorganisation The Seacleaners in Paris den ersten Riesen-Katamaran der Welt vorgestellt, der die Meere nahezu emissionsfrei und effektiv von Plastikmüll befreien soll.

Das Schiff hat eine Länge von 56,5 Metern und ist 62,5 Meter hoch. Es wird zu einem grossen Teil durch erneuerbare Energien angetrieben, wie Bourgnon im Gespräch mit Keystone-SDA erklärte. Der Riesen-Katamaran bewegt sich jedoch nicht allein durch den Einsatz der 1500 Quadratmeter Segel.

Aus Plastik wird Strom

Die Stromversorgung erfolgt über zwei Windturbinen, zwei Wasserkraft-Generatoren und fast 500 Quadratmeter Photovoltaik-Solarpanels. Dazu nutzt «Manta» eine Anlage, die Abfall in Strom umwandeln kann. Auf diese Weise wird es möglich, das gesammelte, sortierte und nicht mehr recycelbare Plastik an Bord in Energie für den Vortrieb des Schiffes umzuwandeln.

Yvan Bourgnon will mit seinem Hochseekatamaran Manta – hier ein Modell – ab 2024 grosse Mengen an Plastik aus den Weltmeeren fischen und recyclen.
Yvan Bourgnon will mit seinem Hochseekatamaran Manta – hier ein Modell – ab 2024 grosse Mengen an Plastik aus den Weltmeeren fischen und recyclen.
Bild: Keystone/Laurent Gillieron

Das verwendete Verfahren ist die Pyrolyse, bei der der Kunststoff ohne Verbrennungsprozess geschmolzen wird und ein Synthesegas entsteht. Dieses «Syngas» wird wiederum durch eine Turbine in Strom umgewandelt und versorgt alle Anlagen an Bord mit Strom: Cockpit- und Navigationsinstrumente, Batterien, Antrieb sowie Sammel- und Sortieranlagen.

10'000 Tonnen Plastik als Jahresziel

Der Katamaran soll ab 2024 pro Jahr rund 5000 bis 10'000 Tonnen Plastik aus den Meeren fischen. Die Einsatzgebiete liegen hauptsächlich in Asien, Afrika und Südamerika, und zwar an Orten, in denen die Verschmutzung durch Plastik besonders gross ist.

Dazu zählen Küstengebiete, Flüsse und die Mündungen grosser, besonders belasteter Flüsse. Das Schiff kann schwimmenden Abfall ab einer Grösse von einem Zentimeter sammeln, bevor sich dieser in Mikroplastik zersetzt.

Der 49-jährige Bourgnon, der 1997 mit seinem Bruder die Katamaran-Regatta Transat Jacques Vabre gewonnen hat, sagt, die zunehmende Verschmutzung der Meere habe ihn bei seinen Segelabenteuern sehr betroffen gemacht. In den 1980er Jahren, als er als Kind mit seinen Eltern eine Weltumsegelung unternommen habe, habe er die Meere noch als sauber und klar wahrgenommen.

Genauso wichtig wie das Einsammeln des für viele Arten lebensbedrohenden Plastiks seien ihm die Forschung und die präventive Arbeit am Thema Meeresverschmutzung, das alle angehen müsse. Denn: «Über die Nahrungskette gelangt der Müll am Ende in Form von Mikropartikeln zurück zu uns», unterstreicht Bourgnon.

Wissenschafter an Bord

Zur 34-köpfigen Besatzung werden bis zu zehn Wissenschaftler gehören, die sich in der bordeigenen Forschungseinrichtung mit der Zählung, Charakterisierung und Ortung von Meeresmüll befassen und die gesammelten Daten in Open Data zur Verfügung stellen. Ausserdem sind in den Regionen, die «Manta» befährt, Massnahmen zum Kompetenztransfer und zur Sensibilisierung der dortigen Bevölkerung geplant.

Entwickelt wurde der Katamaran Manta von internationalen Experten. Ein technisches Konsortium aus etwa zwanzig Unternehmen und fünf Forschungslabors arbeitete an der Konzeption und Konstruktion des Schiffes. Die Auswahl der Werften, die den Katamaran bauen werden, wird in der ersten Hälfte des Jahres 2021 erfolgen.

2018 hat das Umweltprogramm der UNO das Problem von Plastik im Meer als eine der sechs grössten Umweltkatastrophen identifiziert. Jede Minute werden Studien zufolge 17 Tonnen Plastikmüll in die Ozeane gekippt, das sind neun bis zwölf Millionen Tonnen pro Jahr. «Manta» wäre dabei natürlich nur ein Tropfen auf einen heissen Stein: Das Schiff kann im besten Fall in einem Jahr so viel Plastik aus dem Meer fischen, wie dort in knapp zehn Stunden landen.

Wenn keine ernsthaften Massnahmen ergriffen werden, wird es laut Uno bis 2050 mehr Plastik als Fisch in den Ozeanen geben. Etwa 1,5 Millionen Tiere sterben jedes Jahr an Plastikverschmutzung.

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