Vor 75 Jahren «Sekunden später war sie eine schwarze, wabernde Totenbahre»

Von Philipp Dahm

10.11.2019

Über 1'000 Matrosen werden am 10. November 1944 getötet oder verletzt, als in einem pazifischen Navy-Hafen das Munitionsschiff USS Mount Hood explodiert und mehrere Schiffe versenkt.

«Die Explosion war so stark, dass sie bis auf meine Unterhosen meine Kleidung weggeblasen hat – inklusive Schuhe», erinnert sich ein Augenzeuge an das Unglück, das die US Navy am 10. November 1944 heimsuchte.

«Das Erste, was ich sah, war die eine Hälfte [des Körpers meines Kameraden] auf der einen Seite des Decks und die andere Hälfte auf der anderen Seite. Es könnte sein, dass das Stück Metall, das er für mich hielt, ihn durchtrennt hat. Als ich wieder auf meinen Füssen stand, kam der Kapitän des Minenräumers aus seiner Kajüte und sah zu meinem Schiff herüber, als ein grosses Stück Stahl durch die Luft wirbelte und ihn an der Kajütenwand aufspiesste wie ein Speer.»

Welche Katastrophe der Ex-Matrose hier beschreibt?

«Das Mount-Hood-Desaster war das vielleicht grösste Marineunglück der Geschichte, und die Wahrheit darüber muss erzählt werden.» Dazu blicken wir zum Stapellauf des Frachters zurück, der nicht lange vor seiner Explosion gewesen ist: Am 28. November 1943 wurde das Schiff, das da noch «Marco Polo» hiess, zu Wasser gelassen, am 1. Juli 1944 in Dienst gestellt und im August der Pazifikflotte zugeteilt.

Rauchwolke steigt über 2'000 Meter hoch

Am 22. September 1944 erreicht die USS Mount Hood, wie der Frachter nach der Umbenennung heisst, die Insel Manus, die zu den Admiralitätsinseln gehört. Dass dieses Gebiet einst deutsches Kolonialreich war, verraten die Ortsnamen: Manus liegt in der Bismarcksee, die Bucht Seeadlerhafen von Manus ist nach dem kleinen Kreuzer SMS Seeadler benannt, der dort 1899 im Einsatz gewesen ist.

Die Lage der Insel Manus im Pazifik.
Die Lage der Insel Manus im Pazifik.
Bild: Google Maps

Die Mount Hood dient vor allem als schwimmendes Waffenlager und hat an jenem 10. November 1944 3'800 Tonnen Waffen an Bord: darunter (Wasser-)Bomben, Napalm, Raketen, Motoren. Auf fünf Etagen arbeiten die rund 300 Mann Besatzung, als das Unglück geschieht und das Kriegsgerät samt und sonders in die Luft fliegt. Die Explosion hat einen Radius von über 300 Metern, ihre Wolke steigt über 2'000 Meter in die Höhe.

Die Crew der Mount Hood hat keine Chance. Nur 18 Seeleute überleben, es sind jene, die rund eine halbe Stunde zuvor den Frachter verlassen haben. Nahe der Mount Hood liegt das Reparaturschiff USS Mindanao: Die Matrosen, die zum Zeitpunkt der Detonation an Deck standen, waren tot, und auch innerhalb der Mindanao durchschlagen Schrappnelle die Bordwände und bringen alles um, was ihnen im Weg steht. 82 Menschen sterben hier.

300 mal 60 Meter lange Schneise im Hafenboden

«In einem Moment war [die Mount Hood] noch ein Schiff, das vor Leben wimmelte», beschrieb der frühere Navy-Mann Chester Gile das Unglück. «Sekunden später war sie eine riesige, schwarze, wabernde Totenbahre, die in jenem Moment den Ort markierte, wo 350 Matrosen spurlos verschwunden sind.» Was das Drama noch verstärkte, das war die Tatsache, dass das schwimmende Munitionslager nicht an einem isolierten Ort vertäut war, sondern mitten unter anderen Navy-Booten.

So verursachten dann die explodierenden Raketen viele weitere Opfer auf anderen Schiffen, in denen sie einschlugen. Wie exorbitant die Explosion insgesamt war, zeigt diese Aussage von Chester Gile: «Sie ankerte in etwa zwölf Meter tiefem Wasser. Die Kraft der Explosion hat einen Graben in den Hafenboden geschlagen, der nach Angaben von Tauchern rund 300 Meter lang, 60 Meter breit und 25 Meter tief ist.»

Die USS Mopunt Hood versenkte am 10. November 1944 22 kleinere Boote im Seeadlerhafen. 18 grössere Schiffe wurden beschädigt, darunter die Geleitflugzeugträger USS Saginaw Bay und USS Petrof Bay. Als Ursache wird später falsche Handhabung und Lagerung der Waffen festgestellt.

Die Tragödie der USS Mount Hood (AE-11) war aber kein Grund für die Navy, nicht noch einmal einen Munitionstransporter nach dem Vulkan in der Kaskadenkette zu benennen: Die USS Mount Hood (AE-29) bestreitet seinen Dienst von 1971 bis 1999 allerdings ohne gravierenden Zwischenfall.

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