Ethik Umgang mit Daten illegalen Ursprungs: Forschende stossen Debatte an

stsc, sda

16.9.2021 - 17:00

Gehackte und in die Öffentlichkeit durchgesickerte Datensätze erreichen auch die Wissenschaft. ETH-Forschende machten sich Gedanken darüber, wie mit solchen Daten umgegangen werden soll. (Symbolbild)
Gehackte und in die Öffentlichkeit durchgesickerte Datensätze erreichen auch die Wissenschaft. ETH-Forschende machten sich Gedanken darüber, wie mit solchen Daten umgegangen werden soll. (Symbolbild)
Keystone

Wie soll die Forschungswelt mit gehackten und geleakten Daten umgehen – ist es ethisch vertretbar, diese zu nutzen- und wenn ja, unter welchen Bedingungen? Mit diesen Fragen beschäftigen sich zwei ETH-Forschende im Fachmagazin «Nature Machine Intelligence».

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Durch Hacks und Leaks verfügbar gewordene Datensätze können eine einzigartige und wertvolle Quelle für wissenschaftliche Arbeiten bieten. Dafür brauche es aber eine klare ethische Rechtfertigung für die Verwendung dieser Daten, schreiben Marcello Ienca und Effy Vayena, die sich an den beiden ETH Zürich und Lausanne mit Bioethik und der Ethik von Big Data befassen.

Mit ihrem Fachartikel möchten sie eine Debatte in der Wissenschaft zu diesem Thema anregen – insbesondere angesichts der derzeitigen Häufigkeit und des Ausmasses von Datenschutzverletzungen. Denn die rechtlichen und ethischen Grenzen zur Verwendung solcher Daten in der Forschung seien unscharf, bemängeln sie.

Gehackte Daten flossen in Studien

Im Jahr 2015 stahl eine Hacker-Gruppe die Daten von Millionen Kundinnen und Kunden des Dating-Portals «Ashley Madison». Die Informationen sickerten in die Öffentlichkeit – und in die Forschung. Mindestens drei auf diesen Daten beruhende Studien über Fremdgehen wurden daraufhin in Fachmagazinen publiziert, wie Ienca und Vayena ausführen. Auch die WikiLeaks-Datensätze bildeten den Grundstein für Forschung. Etwa, um Modelle zur Konfliktvorhersage zu entwickeln.

Ebenfalls zeichnen die Forschenden nach, dass das moralische Dilemma der Verwendung von Daten illegalen Ursprungs weit zurückreicht. So entflammte beispielsweise in den frühen 1990er-Jahren eine Debatte über die ethische Zulässigkeit der Verwendung von Daten aus medizinischen Experimenten in Konzentrationslagern des nationalsozialistischen Regimes.

Rechtmässigkeit allein reicht nicht aus

Die Autoren einer der Ashley-Madison-Studien wiesen zwar darauf hin, dass sie «die Verwendung der Daten mit vielen Personen, darunter auch Anwälten, besprochen haben, die bestätigen, dass die Daten für Forschungszwecke verwendet werden dürfen, da sie nun öffentlich zugänglich sind und für die Forschung auf die gleiche Weise genutzt werden können wie für die Presse.»

Doch selbst wenn die Verwendung rechtmässig – oder zumindest nicht strafbar – sei, bleibe die Frage nach der Vereinbarkeit von guter Forschungspraxis, so die ETH-Forschenden. Denn Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler würden eine soziale Verantwortung und eine moralische Verpflichtung tragen. Ein Versäumnis in dieser Hinsicht könnte indirekten Schaden für den Einzelnen bedeuten, zum Verlust des öffentlichen Vertrauens in die Forschung führen oder das Ansehen einer wissenschaftlichen Institution gefährden.

Sechs Vorschläge

Um dem entgegenzuwirken, präsentieren die ETH-Forschenden sechs Vorschläge zum Umgang mit solchen Daten. Dazu gehört unter anderem, dass Wissenschaftler transparent angeben sollen, wie sie an die Daten gelangten. Sie sollten ebenfalls nachweisen, dass der gehackte Datensatz eine einzigartige Informationsquelle darstelle, die nicht auf andere Art und Weise gesammelt werden könne. Auch müsse gezeigt werden, dass die angedachte Forschung von hohem gesellschaftlichem Wert sei und der Nutzen die Nachteile klar überwiege. Falls die Daten eine Identifizierung der betroffenen Personen zuliessen, brauche es zudem deren ausdrückliche und informierte Zustimmung.

Marcello Ienca und Effy Vayena betonen, dass die Forschungs- und Datenethik die analytischen Instrumente bieten würden, um die Debatte über den Umgang mit Daten illegalen Ursprungs zu lenken und um das Vertrauen in die Wissenschaft zu stärken sowie die Ethik und Integrität der Forschung zu gewährleisten.

https://www.nature.com/articles/s42256-021-00389-w