Artenschutz Tierbestände in Wäldern seit 1970 halbiert

dpa/uri

13.8.2019

Der Begriff Waldsterben bekommt da eine neue Bedeutung: Laut einer WWF-Untersuchung sind Bestände von Tieren, die auf Wälder spezialisiert sind, seit den 1970er Jahren extrem stark dezimiert worden – mit Folgen fürs Klima.

Zwischen 1970 und 2014 schrumpften die 455 untersuchten Populationen, die in Wäldern leben, um durchschnittlich 53 Prozent, teilte die Umweltstiftung WWF unter Berufung auf eine eigene Analyse mit. Besonders betroffen seien die Tropen und der Amazonas-Regenwald. Als Hauptgrund für die Entwicklung wird «durch Menschen verursachter Lebensraumverlust» genannt.

Im Bericht «Below the canopy» (Deutsch: «Unter dem Blätterdach») ist auch von «leeren Wäldern» in manchen Regionen die Rede: Wälder, die auf den ersten Blick intakt erscheinen, in denen aber kaum noch Tiere lebten.

Erklärung von «planetarem Wald-Notstand» gefordert

Der WWF forderte die Staatengemeinschaft auf, «den planetaren Wald-Notstand zu erklären». Zudem müssten umfassende Vereinbarungen gegen den Verlust der Biodiversität, für den Kampf gegen die Klimaerwärmung und für nachhaltiges Wirtschaften getroffen werden. «Wenn wir den weltweiten Rückgang der biologischen Vielfalt umkehren und die Klimakrise verhindern wollen, müssen wir die Wälder und die dort lebenden Arten schützen», teilte Susanne Winter vom WWF mit.



Waldzustand und Klima hängen zusammen, weil Wälder riesige Kohlenstoffspeicher sind. Tiere übernehmen dabei wichtige Funktionen. Insbesondere in riesigen Wäldern Südamerikas und Afrikas würde mit einem Verlust bei grossen Vögeln und Primaten auch ein Rückgang des dort gebundenen Kohlenstoffs einhergehen, heisst es im Report. Viele für den Klimaschutz wichtige Baumarten seien schliesslich darauf angewiesen, dass ihre Samen von Tieren verbreitet werden.

Manche Arten konnten sich erholen

In der Analyse werden auch Beispiele genannt, in denen sich Arten bereits wieder erholen konnten. Bei Gorillas in Zentral- und Ostafrika zum Beispiel wird von einem Wiederanstieg der Zahl ausgegangen: auf rund 1'000 Exemplare. Dazu hätten Massnahmen wie eine enge Zusammenarbeit mit der lokalen Bevölkerung, Patrouillen gegen Wilderer und regulierter Öko-Tourismus beigetragen.

Insgesamt flossen in den Report Daten von 268 Wirbeltierarten ein, die in Wäldern leben oder komplett von ihnen abhängig sind: Vögel, Säugetiere, Amphibien und Reptilien. Die Autoren weisen allerdings auf Lücken bei der systematischen Erfassung in vielen Regionen hin. An der Arbeit waren das UN-Weltüberwachungszentrum für Naturschutz und die Zoologische Gesellschaft London beteiligt.

Trend in Europa war eher positiv

Der Zustand der Schweizer Waldbewohner ist in dem englischsprachigen Report nicht detailliert Thema. Der Trend in Europa sei im Untersuchungszeitraum ab 1970 auch eher positiv, ausgehend von einem niedrigen Niveau, erläuterte ein WWF-Sprecher auf Anfrage. Das liege daran, dass die Tiere in unseren Regionen schon zu einem früheren Zeitpunkt stark dezimiert worden seien.



Frühere, noch umfassendere WWF-Untersuchungen zu Beständen von Wirbeltierarten generell zeigten ebenfalls eine dramatische Entwicklung: Laut dem «Living Planet Report» von 2018 schrumpften die untersuchten 16'700 Populationen um im Schnitt 60 Prozent zwischen 1970 und 2014. Als Beispiele besonders betroffener Arten wurden der Irawadi-Delfin, die Feldlerche, das Rebhuhn und der Stör genannt.

Vor wenigen Tagen veröffentlichten Berliner Forscher eine Studie zur Entwicklung grosser Süsswassertiere, die noch massivere Verluste aufzeigte: Bei Arten mit einem Gewicht von mehr als 30 Kilogramm seien die weltweiten Populationen von 1970 bis 2012 um 88 Prozent zurückgegangen, hiess es. Dazu zählten etwa Flussdelfine, Biber, Krokodile, Riesenschildkröten und Störe.

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