Neue Studie Von wegen wild: Pferdegeschichte wird umgeschrieben

von Andrea Barthélémy, dpa

23.2.2018

Ein Przewalski-Pferdauf einer Wiese. Foto: Lee Boyd/Illustration
Ein Przewalski-Pferdauf einer Wiese. Foto: Lee Boyd/Illustration
Source: Lee Boyd

In den Steppen der Mongolei leben seit einigen Jahren wieder Exemplare der fast ausgestorbenen Przewalski-Pferde. Doch eine neue Studie zeigt: Echte Wildpferde sind sie nicht.

Bislang galten Przewalski-Pferde als die letzten Wildpferde der Welt. Jetzt zeigt eine Studie: Die robusten Tiere mit ihren dicken Fellen und Borstenmähnen sind gar keine echten Wildpferde, sondern - ähnlich wie Mustangs - nur verwildert.

Sie stammen von gezähmten Botai-Pferden ab, die bislang als Ursprung aller domestizierten Pferde galten. Nach dem überraschenden Ergebnis einer Genom-Studie müsse die Pferdegeschichte also ein Stück umgeschrieben werden, berichten internationale Forscher im Fachjournal «Science». Und: Echte Wildpferde gibt es demnach nicht mehr auf der Welt.

«Das war eine Riesen-Überraschung», bilanziert die Mitautorin Sandra Olsen von der University of Kansas in einer Mitteilung. Die Forscherin leitete die Ausgrabungen an den historischen Botai-Orten im nördlichen Kasachstan. Mit der Analyse der dort gefundenen Pferdeüberbleibsel wollten die Forscher eigentlich die Herkunft moderner domestizierter Pferde nachweisen.

Doch als die 47 beteiligten Forscher von insgesamt 28 Institutionen weltweit die Genome von 88 historischen und modernen Pferden analysiert hatten, kam heraus: Die Pferde, die das sesshafte Volk der Botai vor rund 5500 Jahren im nördlichen Kasachstan erstmals zähmte, waren die Vorfahren der Przewalski-Pferde.

Diese sind heute fast ausgestorben. Es gibt Zuchtprogramme, vereinzelt wurden sie in der Mongolei sogar wieder ausgewildert. Einst bevölkerten sie jedoch die Steppen Eurasiens. Vermutlich im östlichen Kasachstan oder der westlichen Mongolei hätten sich vereinzelte Sprösslinge der Botai-Pferde wieder in die Wildnis abgesetzt, folgern die Forscher.

Wie das beteiligte französische Team des Nationalen Zentrums für Wissenschaftliche Forschung (CNRS) betonte, ging bei dieser Verwilderung auch das typische schwarz-weisse Leoparden-Muster der Botai-Pferde wieder verloren. Möglicherweise sei dies durch natürliche Selektion geschehen, denn die Genvariante für die schwarz-weisse Fellfarbe sei zugleich auch für Nachtblindheit verantwortlich.

Im Vergleich mit den 20 untersuchten Botai-Genomen trat beim Erbgut moderner eurasischer Pferde aus den vergangenen 4000 Jahren dann die zweite Überraschung zu Tage: Es fand sich keinerlei Übereinstimmung mit den historischen Botai-Pferden. Der Ursprung unserer heutigen Pferde liegt bis auf weiteres also wieder im Dunkeln.

Die Forscher schätzen jedoch, dass spätestens um etwa 3000 vor Christi eine andere Gruppe Pferde als Vorfahren unserer heutigen Pferde diente. Im Fokus für die weitere Suche liegen nun Gebiete in Zentralasien, im Westen der Eurasischen Steppe (Pontokaspis) und in Anatolien.

Alissa Mittnik vom Max-Planck-Institut für Menschheitsgeschichte (Jena), deren Arbeitsgruppe ebenfalls an der Studie beteiligt war, hält eine zweite Domestizierung der Pferde in Osteuropa für denkbar. Zwar fehlten Pferdegenome aus dem 3. Jahrtausend vor Christus. Aber Menschengenome und archäologische Funde aus der Zeit zeigten, dass sich Menschen von der Pontokaspis nach Zentraleuropa ausbreiteten. Pferde als Transporttiere könnten dabei geholfen haben. «Dazu kommt, dass die ältesten bekannten Pferdegenome, die zur heute domestizierten Linie gehören, aus Osteuropa stammen.»

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