Die Qual der Wale Zu viel Quecksilber im Meer lässt Wale orientierungslos werden

SDA

14.9.2021 - 18:06

Immer wieder verirren sich Wale an Strände, wie hier an der schwedischen Küste, und verenden. Forschende haben nun die Meeresverschmutzung als eine mögliche Ursache ausgemacht.
Immer wieder verirren sich Wale an Strände, wie hier an der schwedischen Küste, und verenden. Forschende haben nun die Meeresverschmutzung als eine mögliche Ursache ausgemacht.
Bild: EPA

Hunderte Wale verirren sich Jahr für Jahr an die Strände weltweit und verenden. Forschende haben nun eine mögliche Ursache für die Orientierungslosigkeit ausgemacht. 

14.9.2021 - 18:06

Erst zu Anfang September waren wieder Dutzende tote Schweinswale auf niederländischen Inseln gestrandet, nicht zum ersten Mal: Meeresforscher rätseln nach wie vor, warum Wale weltweit plötzlich am Trockenen sitzen.

Zum Stranden der Tiere könnte die Verschmutzung der Meere mit Quecksilber beitragen, vermuten Umweltchemiker*innen nun. Sie haben erste Indizien für ihren Verdacht gesammelt, wie die Universität Graz am Dienstag mitteilte.

«Die Vermutung liegt nahe, dass Quecksilber eine zentrale Rolle bei Walstrandungen spielt», sagt Jörg Feldmann von der Uni Graz. «Je höher ein Lebewesen in der Nahrungskette steht, desto grösser ist die Konzentration von Quecksilber in den Zellen der Leber und des Gehirns. Und Wale stehen ganz oben», erklärt der Chemiker. Die Konzentration des Schwermetalls im Meer – verursacht durch das Verbrennen von Kohle und industriellen Abfall – habe sich in den letzten Jahrhunderten verdreifacht.

Sehr hohe Quecksilber-Konzentration

Feldmanns internationales Forscherteam hat gestrandete und verendete Pilot- und Pottwale näher untersucht, um herauszufinden, wie stark die Meeressäuger belastet sind: Mithilfe einer speziellen Form der Massenspektrometrie konnten sie die Leberzellen im 50-Nanometer-Bereich genauer unter die Lupe nehmen und Quecksilberpartikel in den Leberzellen nachweisen. Die ersten Ergebnisse der neuen Analysenmethode für Quecksilber wurden jüngst im Fachjournal «Analytical Chemistry» online veröffentlicht.

«Die gigantischen Meeressäuger haben eine bis zu tausendmal höhere Konzentrationen als andere Meerestiere, was aber als unbedenklich eingestuft wird», schildert Feldmann. Das chemische Element Selen spielt dabei eine wichtige Rolle: Dieser Stoff bindet sich leicht mit Quecksilber und schaltet zugleich dessen toxische Wirkung aus.

Selen fehlt für Schutz des Gehirns

«Wir haben festgestellt, dass sich die beiden Stoffe zu neugebildeten Micro- und Nanopartikeln verbinden und zu einem Quecksilberselenid werden», sagt Feldmann. Selen ist aber auch für den Hirnstoffwechsel wichtig. Wenn es für die Detoxifizierung von Quecksilber gebraucht wird, fehlt es als Schutz fürs Gehirn. «So könnte der Mangel bei Walen zu Krankheiten wie zum Beispiel Epilepsie führen, die eine Orientierungslosigkeit auslösen und sie deshalb stranden lassen könnte», vermutete der Umweltchemiker.

Bei sozialen Herdentieren wie den Walen könnte sich der Mangel bei wenigen Tieren auch auf das Verhalten der ganzen Gruppe auswirken. Das wäre eine Erklärung, warum Wale meist in Gruppen stranden. «Vielleicht können wir irgendwann in der Zukunft mit überlegten Massnahmen Strandungen ganzer Walgruppen gezielt entgegenwirken und sie auch verhindern. Dazu müssen wir nur wissen, was die Gründe für die Strandungen sind», hofft Jörg Feldmann.

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