Hurrikan «Melissa» traf Jamaika mit Windgeschwindigkeiten bis 295 km/h.
Der Sturm erreichte mit einem Kerndruck von 892 hPa einen Rekordwert für einen Atlantik-Hurrikan, vergleichbar nur mit dem «Labor Day»-Hurrikan von 1935.
Meteorologe Michael Eichmann sieht im warmen Tiefenwasser einen Verstärker des Extremwetterereignisses.
Hurrikan «Melissa» ist mit voller Kraft auf Jamaika getroffen. Angesichts der schweren Schäden erklärte die Regierung die Karibikinsel zum Katastrophengebiet. Über potenzielle Todesopfer gibt es bis anhin noch keine verlässlichen Informationen.
Es ist ein Sturm der Superlative: Windböen von bis zu 295 Kilometern pro Stunde machen «Melissa» zu einem Hurrikan der höchsten Kategorie 5. Beim Landfall am Dienstag betrug der minimale Kerndruck – der Luftdruck im Zentrum (Auge) des Sturms – lediglich 892 hPa.
Das entspricht zusammen mit dem «Labor Day»-Hurrikan im Jahr 1935 dem tiefsten Wert, der jemals beim Landgang eines atlantischen Hurrikan festgestellt wurde. Auf dem offenen Meer waren Wilma (2005) mit 882 hPa und Gilbert (1988) mit 888 hPa noch tiefer. Diese haben sich aber vor dem Landgang etwas abgeschwächt.
Mit «Erin» und «Humberto» gab es in der atlantischen Hurrikansaison 2025 bereits zwei Hurrikane der höchsten Kategorie. Mehr als zwei gab es bis jetzt nur noch im Jahr 2005 mit vier.
«Je höher die Temperatur, desto mehr Energie»
Werden Hurrikane immer häufiger, extremer und gefährlicher? Michael Eichmann, Meteorologe von MeteoNews, relativiert: «Es gibt in der Wissenschaft unterschiedliche Standpunkte.» Unbestritten sei, dass der Klimawandel zu höheren Wassertemperaturen in den Ozeanen führe.
Dies fungiere als Treibstoff für Tropenstürme wie «Melissa»: «Je höher die Temperatur, desto mehr Energie können sie aus dem Wasser ziehen», so Eichmann. Im Fall von «Melissa» sei dieser Effekt gar noch verstärkt worden: «Normalerweise wühlt ein Tropensturm das Meer auf und durchmischt es mit kühlerem Tiefenwasser», sagt Eichmann. Dadurch schwäche sich ein langsam ziehendes System selbst. In der Karibik sei das Wasser derzeit aber auch in grösserer Tiefe warm, wodurch dieser abkühlende Effekt nur geringfügig zum Tragen kam.
Anzahl Hurrikane nimmt zu
Eichmann verweist aber auch auf Studien, die der These «Je wärmer, desto stärker der Sturm» widersprechen. Nach diesen sei die Windscherung – sprich die Veränderung von Windrichtung oder -geschwindigkeit mit der Höhe – in einem wärmeren Klima stärker. «Gerade im Anfangsstadium ist eine hohe Windscherung Gift für die Entwicklung eines Hurrikans, weil das fragile Sturmsystem auseinandergezogen wird.»
Ein Blick in die Daten zeigt: Seit 1851 lässt sich im langjährigen Mittel ein Anstieg sogenannter Major Hurricanes – sprich Hurrikane der Kategorie 3 oder höher – im Nordatlantik feststellen. Allerdings sei gemäss Eichmann zu beachten, dass die Tropenstürme erst seit 1979 mittels Satellitenbilderm überwacht werden. Somit würden auch Stürme erfasst, die nur auf dem Wasser wüten und keine Menschen direkt tangieren.
Anzahl Hurrikane der höchsten Kategorien 3 oder höher im Nordatlantik seit 1851.
Tropical Meteorology Project/Colorado State University
Regen als Hauptgefahr
Auch wenn der Sturm Jamaika inzwischen verlassen hat, ist die Gefahr dort laut den örtlichen Behörden bisher nicht vorbei.
«Melissa» hat auf Jamaika Häuser und Strassen beschädigt, ganze Gebiete überflutet und mehr als 530'000 Haushalte von der Stromversorgung abgeschnitten. Wärmere Luft kann mehr Feuchtigkeit aufnehmen. Das bedeutet, dass Hurrikans heute in der Tendenz mehr Regen bringen als früher. Damit erhöht sich ihre Zerstörungskraft noch einmal.
«In den meisten Fällen ist abseits des Hurrikan-Zentrums nicht der Wind das Gefährlichste, sondern die Regenmengen», so Eichmann. Zumal das Risiko für Überschwemmungen und Murgänge steige.
Noch immer ist das ganze Ausmass der Schäden auf Jamaika unklar.
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