Pariser Verträge Viel heisse Luft zur viel zu heissen Luft

Von Philipp Dahm

11.12.2020

Der weltweite CO2-Ausstoss ist 2020 wegen der Pandemie gesunken. Trotzdem steuert die Welt weiter auf eine Klimakatastrophe mit bis zu 60 Grad Hitze zu, warnen WEF und Greta Thunberg unisono.

Es ist der grösste Rückgang in der Geschichte: Im Pandemie-Jahr 2020 ist der CO2-Ausstoss weltweit um 7 Prozent gesunken. Statt 36,4 Milliarden Tonnen wie im Jahr 2019 wird die Menschheit wegen der Corona-Krise lediglich 34 Milliarden Tonnen produzieren. Das zeigt eine neue Studie, die im Fachblatt «Earth System Science Data» publiziert worden ist.

Während das CO2-Minus in den USA 12 und in Europa 11 Prozent beträgt, sind es in China demnach nur 1,7 Prozent. Im Westen komme der Lockdown mehr zum Tragen, der Mobilität und Verkehr eingeschränkt hat. Der Transport ist für rund 20 Prozent der CO2-Emissionen verantwortlich. In China habe es zudem keine zweite Welle gegeben, lautet eine weitere Begründung.

Für Entwarnung gibt es einen Tag vor dem fünfjährigen Jubiläum der Pariser Klimaverträge jedoch keinen Grund. Im Gegenteil: Noch nie hat es auf der Erde so einen warmen November wie 2020 gegeben. Besonders krass waren die Unterschiede in den Polarregionen, Tibet und Australien. In Europa spürt Skandinavien die Erwärmung am stärksten, aber auch in den Alpen waren die Temperaturen spürbar höher.

Temperaturen im November 2020 im Vergleich zum November-Durchschnittswert zwischen 1981 bis 2010.
Temperaturen im November 2020 im Vergleich zum November-Durchschnittswert zwischen 1981 bis 2010.
Karte: Copernicus Climate Change Service/ECMWF

Der heisse November ist tatsächlich nur die Spitze des Eisberges: Die fünf Jahre seit dem Klimagipfel waren die fünf heissesten Jahre überhaupt seit Erfassung der Wetterdaten. Das 1,5-Grad-Ziel ist in weite Ferne gerückt: Heute rechnen Wissenschaftler eher mit einem «katastrophalen» Anstieg von drei Grad, berichtet der «Guardian».

Leere Worte und kreative Buchführung

«Wir rasen noch immer in die falsche Richtung», kritisiert die schwedische Aktivistin Greta Thunberg. «Ferne, hypothetische Ziele werden gesetzt, und grosse Reden werden gehalten. Aber wenn es um sofortige Handlungen geht, die wir brauchen, sind wir immer noch in einem Zustand der Verweigerung. Wir verschwenden unsere Zeit, wenn wir mit leeren Worten und kreativer Buchführung Schlupflöcher erschaffen.»

Thunbergs Appell: «Anführer sollten die Wahrheit sagen: Dass uns eine Notlage bevorsteht und wir nicht annähernd genug tun. Wir sollten aufhören, uns Ziele für 2030 oder 2050 zu setzen. Wir müssen jetzt bindende jährliche CO2-Budgets einführen.» 

Volle Rückendeckung bekommt die junge Schwedin von einer für manchen vielleicht überraschenden Seite: Das Word Economic Forum (WEF) malt eine düstere Zukunft für unsere Welt, wenn sich nichts ändert. Das Horror-Szenario: Temperaturen von bis zu 60 Grad, die Iberische Halbinsel als Wüste und der tiefliegende US-Bundesstaat Florida unter Wasser. Das Eis der Arktis ist ebenso verschwunden wie die Insekten.

Das WEF-Horror-Szenario

Ab 2030 könnte der Meeresspiegel um 20 Zentimeter steigen, Korallenriffe veröden und gesunkene Ernteerträge könnten bis zu 100 Millionen Menschen verarmen lassen. Der Klimawandel dürfte 250'000 Todesopfer mehr fordern.

Ab 2040 dürfte die 1,5-Grad-Marke überschritten sein. Bangladesch, Vietnam und Thailand werden regelmässig überschwemmt, nachdem der Meeresspiegel um 60 Zentimeter gestiegen sein könnte. Die Stürme in der Karibik und im Pazifik werden schlimmer. Die Arktis ist im Sommer eisfrei.

Ab 2050 herrschen lebensfeindliche Temperaturen: Zwei Milliarden Menschen müssen etwas mehr als 10 Prozent des Jahres 60 Grad ertragen. Das Tragen von Masken ist weltweit Standard – wegen des allgegenwärtigen Smogs. Der Nordosten der USA wird statt einmal wie 2020 dann rund 25 Mal jährlich überflutet.

Was tun?

Im Jahr 2100 ist die Erde 4 Grad wärmer als heute. Im Norden ist der Unterschied noch grösser. Korallenriffe sind verschwunden, was die Fisch-Vielfalt beschränkt. Insekten sind ausgestorben, die Pflanzen-Bestäubung ist ein Problem. 40 Prozent des Planeten leiden unter Dürre.

Der Lac des Brenets zwischen Frankreich und der Schweiz fiel diesen Sommer und Herbst das erste Mal überhaupt komplett trocken.
Der Lac des Brenets zwischen Frankreich und der Schweiz fiel diesen Sommer und Herbst das erste Mal überhaupt komplett trocken.
Bild: Keystone

Um eine derartige Welt zu vermeiden, muss die Wirtschaft grüner werden. Eine neue Studie des Umweltprogramms der Vereinten Nationen warnt, dass wir immer noch auf eine Erwärmung von drei Grad zusteuern – trotz des CO2-Rückgangs durch die Pandemie. Durch eine Umstellung nach der Krise könnten 25 Prozent der 2030 prognostizierten Abgase eingespart werden.

Dazu müsse sich jedoch das Konsumverhalten ändern – und die reichen Länder müssten deutlich mehr einsparen, weil sie so viel mehr ausstossen als die armen Staaten. Das WEF fordert zusätzlich eine bessere Sozialpolitik und einen nachhaltigeren Transport. Und auch Greta Thunberg sagt, es sei noch nicht alles verloren: «Es gibt Hoffnung. Wir sind die Hoffnung.»

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