Unsinnige GesetzeWenn das Schneeball-Verbot von Amsterdam die Schweiz trifft
Von Philipp Dahm
31.12.2022
Das Schneeball-Gesetz, das Amsterdam vor genau 550 Jahren erliess, hat auf den ersten Blick mit der Schweiz nichts zu tun. Aber es ist ja Gott sei Dank noch nicht verboten, Zusammenhänge herzustellen, wo keine sind.
Von Philipp Dahm
31.12.2022, 17:09
Philipp Dahm
Was war da los in Amsterdam des Jahres 1472? Warum hat es die Stadt am 31. Dezember vor genau 550 Jahren untersagt, sich zusammengestapfte Eiskristalle um die Ohren zu hauen?
Es ist ein absonderliches Verbot, das wie handgemacht dafür ist, um Vater Staat vorzuwerfen, er sei zu übergriffig. Dabei haftet doch dem Schneeball an sich ein Hauch von historischer Unschuld an, wie allein – und nur allein – dieser Film belegt, der 1896 in Lyon aufgenommen worden ist:
Mehr als 120 Jahre ist es her, seit diese Schneeballschlacht auf Zelluloid gebannt wurde. Leider verhält es sich bei der Online-Quellenlage anders, wenn man 550 Jahre zurückgehen möchte. Was da los war in Amsterdam des Jahres 1472, darüber lässt sich also nur spekulieren.
Wer mag es gewesen sein, den der erste Schneeball getroffen hat? Ein Patrizier? Ein Ratsherr? Den Grafen von Holland, gar seine Frau oder Schwiegermutter? Ging da was ins Auge? Auf die Glocke eines Geistlichen oder direkt ins Gemächt eines Mächtigen?
Buben gehen straffrei aus
Es gilt nun nicht zu faseln oder Phrasen zu dreschen, nur weil es auf die vielen Fragen – zumindest hier – keine Antworten gibt. Nur so viel: Aus einem Schneeball ist irgendwann eine Lawine geworden, die kein Auge trocken gelassen hat.
Das wenige, was man zum Thema ausgraben kann, ist ein Schlag ins Gesicht. Es ist noch nicht einmal klar, ob das Schneeballverbot von Amsterdam je umgesetzt wurde. Das Problem: Der Text lässt just die Haupt-Tätergruppe aus.
«Niemand darf mit Schneebällen werfen», heisst es in der Verordnung, «weder Mädchen, noch Weib, noch eine Mannsperson.» Ein Gesetz wie ein Bubenstreich: Was soll das? Die Sache mit dem Schneeballverbot vom Amsterdam vor 550 Jahren wird immer dümmer.
«Noch verrückter»
Kein Wunder, dass sie perfekt in eine Geschichte über bescheuerte Verbote passt, wie sie «Beverwijk Nieuws» bringt: «Es kann noch verrückter werden», lockt mich das niederländische Portal vom Kernthema weg. In Grossbritannien dürfen Hunde nach 18 Uhr nicht mehr bellen, lese ich da erstaunt nach.
In Michigan ist es derweil Frauen verboten, sich die Haare ohne Erlaubnis ihres Mannes schneiden zu lassen, geht es weiter. Schweine dürfen in Frankreich nicht Napoleon genannt werden. Und in Thailand dürfen sie nicht ohne Unterwäsche das Haus verlassen. Andere Länder, komische Sitten.
Doch ups: Die Schweiz kommt auch vor. Chasch dänke!
Hierzulande soll es Männern verboten sein, nach 22 Uhr im Stehen zu pinkeln? So ein Unsinn. Eine Schweizer Legende. Vielleicht war Amsterdam vor 550 Jahren komisch genug, Schneeballschlachten zu verbieten. Aber das stimmt nun nicht.
Selig, geistig, arm
Stimmt doch. Nicht in allen Kantonen. Und auch nur in Mietwohnungen, wo die Nachbarn nachts nicht vom zarten Rauschen kleiner Wasserfälle gestört werden sollen. In Etagenwohnungen kann auch die Spülung der Toilette ein Grund für eine Busse sein. Das stinkt doch zum Himmel!
Wer nach 22 und vor 7 Uhr die Autotür laut knallt, kann ebenfalls belangt werden. Und sonntags draussen Wäsche aufhängen? Verboten! Das Essen des Hundes ist hingegen erlaubt, solange man im Haus unter sich bleibt. Lädt man hingegen andere dazu, bricht man das Gesetz.
Und somit schliesst sich am Ende doch noch der Kreis: Es ist vielleicht ein tröstlicher Gedanke an diesem Silvester, dass überall auf der Welt Verordnungen erlassen werden, die dümmer sind als erlaubt.
In diesem Sinne ein launiges «Denn sie wissen nicht, was sie tun», ein herzliches «Selig sind, die geistig arm» – und euch allen ganz im Ernst einen guten Rutsch und ein frohes neues Jahr.