Quantenforscher«Mr. Beam» und zwei Kollegen holen sich den Physik-Nobelpreis
SDA, DPA, gbi/uri
4.10.2022
Die hochkomplexe Quantenphysik haue ihn «heute noch aus den Socken», sagt Anton Zeilinger. Der Österreicher, der Franzose Alain Aspect und der US-Amerikaner John F. Clauser teilen sich den diesjährigen Physik-Nobelpreis.
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04.10.2022, 11:54
04.10.2022, 13:52
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Der Nobelpreis für Physik geht in diesem Jahr an den Franzosen Alain Aspect, den US-Amerikaner John F. Clauser und den Österreicher Anton Zeilinger für Forschung auf dem Gebiet der Quantenphysik. Das teilte die Königlich-Schwedische Akademie der Wissenschaften am Dienstag in Stockholm mit.
Weil die Quantenphysik nach ganz eigenen Regeln funktioniert, übersteigt sie oft die Vorstellungskraft von Laien. Die Forscher erhielten die Auszeichnung für bahnbrechende Experimente mit verschränkten Quantenzuständen, bei denen sich zwei Teilchen wie eine Einheit verhalten, auch wenn sie getrennt sind. Die Ergebnisse hätten den Weg geebnet für neue, auf Quanteninformation basierende Technologien.
BREAKING NEWS: The Royal Swedish Academy of Sciences has decided to award the 2022 #NobelPrize in Physics to Alain Aspect, John F. Clauser and Anton Zeilinger. pic.twitter.com/RI4CJv6JhZ
Die bedeutendste Auszeichnung für Physiker ist in diesem Jahr mit insgesamt zehn Millionen Kronen (rund 898 Millionen Franken) dotiert.
Der österreichische «Mr. Beam»
Der österreichische Forscher Zeilinger gilt als «Quantenpapst» und ist ein grosser Anhänger einer humanistischen Ausbildung. Durch die Beschäftigung mit der Sprache und den Texten der alten Griechen und Römer lerne man «das Denken in sehr fundamentalen Kategorien», sagte Zeilinger einmal. Ganz fundamental ist auch, woran der 77-jährige Experimentalphysiker seit Jahrzehnten forscht: der Teleportation von Quanten.
Sie hat ihm in Anlehnung an das legendäre «Beamen» in der Science-Fiction-Serie «Star Trek» den Spitznamen «Mr. Beam» eingebracht. Als ihm 1997 diese Teleportation – der Transport des Zustands eines Lichtteilchens – gelang, wurde der Mann mit dem weissen Vollbart bald ein gesuchter Interview-Partner. Einer, der sich in seinen Jahren als Präsident der Österreichischen Akademie der Wissenschaften (ÖAW) (2013 bis 2022) auch jenseits seines Fachs äusserte und bei Bildungsthemen für die Einrichtung von Elite-Universitäten warb.
Zeilinger gelingt, was im Feld der hochabstrakten Quantenphysik nur wenigen Forschern gegeben ist: immens komplexe Forschungsergebnisse in verständlichen Worten zu erläutern. Sein Staunen über die Welt und die Begeisterung für sein Fach sind immer noch riesig. Die Teleportation, also das verbindungslose Übertragen der Eigenschaft eines Systems auf ein anderes, habe ihn völlig verblüfft. «Das hat mich damals von den Socken gehauen und haut mich heute noch von den Socken», sagte er der österreichischen Nachrichtenagentur APA zu seinem 75. Geburtstag.
Erst vier Frauen gewürdigt
Seit der ersten Vergabe im Jahr 1901 haben bislang vier Forscherinnen und 214 Forscher den Physik-Nobelpreis erhalten – einer davon, der US-Amerikaner John Bardeen, sogar zweimal.
Am Montag war der Nobelpreis für Medizin und Physiologie dem schwedischen Forscher Svante Pääbo zugesprochen worden – für seine Erkenntnisse zur menschlichen Evolution. Er sequenzierte unter anderem als erster Wissenschaftler das Neandertaler-Genom.
Im vergangenen Jahr hatten die eine Hälfte des Physik-Nobelpreises der Hamburger Meteorologe Klaus Hasselmann und der in Japan geborene US-Amerikaner Syukuro Manabe erhalten. Beide haben eine solide physikalische Grundlage für unser Wissen über den Klimawandel geschaffen. Die andere Hälfte ging an den Italiener Giorgio Parisi für seine Arbeit zum Verstehen komplexer Systeme.
Am Mittwoch werden die Träger des Chemie-Nobelpreises verkündet. Am Donnerstag und Freitag folgen die Bekanntgaben für den Literatur- und den Friedens-Nobelpreis. Der Reigen endet am kommenden Montag mit dem von der schwedischen Reichsbank gestifteten Wirtschafts-Nobelpreis.
Die feierliche Überreichung der Auszeichnungen findet traditionsgemäss am 10. Dezember statt, dem Todestag des Preisstifters Alfred Nobel.