Blitzschneller Beisser Feder-Kiefer macht Dracula-Ameise zum Rekord-Schnapper der Tierwelt

Philipp Dahm

12.12.2018

Schnappt schneller zu, als die Polizei erlaubt: Die Dracula-Ameise verdankt ihrem Namen der Tatsache, das erwachsene Tiere Blut ihres Nachwuchses trinken.
Schnappt schneller zu, als die Polizei erlaubt: Die Dracula-Ameise verdankt ihrem Namen der Tatsache, das erwachsene Tiere Blut ihres Nachwuchses trinken.
Bild: Adrian Smith 

5'000 Mal rascher als ein Wimpernschlag und 1'000 Mal fixer als ein Schnippen der Finger: Dracula-Ameisen haben den schnellsten Schnappkiefer der Welt.

Es ist ein einsamer Rekord: Dracula-Ameisen haben den schnellsten Schnappkiefer der Welt, wie ein Forscherteam der Universität von Illinois heraugefunden hat. Die Mundwerkzeuge der Insekten schnappen mit bis zu 90 Metern pro Sekunde auf – die schnellste jemals im Tierreich gemessene Bewegung.

Wie die Wissenschaftler im Fachblatt «Royal Society Open Science» schreiben, hielten den Rekord bisher Schnappkieferameisen (Odontomachus) und Fangschreckenkrebse (Stomatopoda), die ihre Gliedmassen ebenfalls explosionsartig bewegen. Tiere der Art Mystrium camillae, die zu den Dracula-Ameisen gehört und vor allem in den südostasiatischen Tropen und Australien vorkommt, toppen das jedoch.

Beute verfüttern sie an Larven

Die Insekten pressen ihre Mundwerkzeuge, Mandibeln genannt, gegeneinander und erzeugen eine Art Federspannung, die sie schliesslich ähnlich wie beim Fingerschnippen freisetzen, wenn eine Mandibel über die andere gleitet.

Dabei hilft den Ameisen die besondere Bauweise ihrer Mundwerkzeuge: «Anstatt drei verschiedene Teile für Feder, Riegel und Hebelarm zu verwenden, sind alle drei in der Mandibel zusammengefasst», erklärt Andrew Suarez, Professor für Tierbiologie und Insektenkunde an der Universität von Illinois.

Dazu passen die schrägsten neuen Tierarten, oder?

«Die Ameisen nutzen diese Bewegung, um andere Arthropoden zu schlagen, sie auf diese Weise vermutlich zu betäuben, sie gegen Tunnelwände zu hauen oder wegzudrücken.» Das Insekt schleppe seine Beute dann ins Nest, wo sie an Ameisenlarven verfüttert werde.

Erwachsene Tiere trinken Blut

Nicht nur ihre superschnellen Schnappwerkzeuge machen Mystrium camillae zu einer Besonderheit: Dracula-Ameisen haben ihren schaurigen Namen daher, dass die erwachsenen Tiere keine feste Nahrung mehr zu sich nehmen, sondern ihre eigenen Larven anbeissen und ihnen etwas Blut absaugen.

Dabei nehmen die Larven keinen wirklichen Schaden. Zudem haben Mystrium-Ameisen ein komplexeres Kastensystem als andere Ameisenarten, das Wissenschaftler immer noch vor Rätsel stellt. Zumindest bei der Erklärung der explosiven Schnappbewegung ihrer Mandibeln sind die Forscher nun ein Stück weiter.

Erst mit der Hochgeschwindigkeitskamera konnten die Forscher den Vorgang sichtbar machen.
Erst mit der Hochgeschwindigkeitskamera konnten die Forscher den Vorgang sichtbar machen.
Bild: L. Brian Stauffer

Mit Hilfe von Hochgeschwindigkeitskameras und Röntgenbildern machte Suarez gemeinsam mit Kollegen des Smithsonian National Museum of Natural History und des North Carolina Museum of Natural Sciences die Bewegung sicht- und vor allem messbar. Die Kameras nahmen dabei mit einer Frequenz von 480'000 Bildern pro Sekunde auf.

Kleiner Unterschied, grosse Wirkung

Insgesamt, so eines der zentralen Ergebnisse der Studie, sei die Schnappbewegung der Mandibeln von Mystrium camillae die derzeit schnellste bekannte Bewegung im Tierreich, so Insektenforscher Fred Larabee vom Smithsonian Institut. Er sei sich allerdings sicher, dass es Ameisen gebe, die diesen Rekord noch brechen könnten.

«Durch den Vergleich der Kieferform von schnappenden Ameisen mit beissenden Ameisen haben wir zudem gelernt, dass nur eine kleine Änderung der Form nötig ist, damit der Kiefer eine neue Funktion entwickelt: als Feder zu fungieren», so Larabee weiter.

Im nächsten Schritt wollen die Wissenschaftler nun untersuchen, wie die Ameisen ihre Mandibeln im Feld einsetzen. Dazu erklärt der Biologe Adrian Smith vom North Carolina Museum of Natural Sciences: «Wir müssen noch ihre Biologie beschreiben, wie sie Beute fangen und ihre Nester verteidigen.»

Zum Abschluss – tusch – invasive Tierarten:

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