Sozialhilfe trotz LuxuslebenBerner Betrüger-Duo stolperte über geplatzten Steuerdeal
dmu
28.2.2024
Ein 75-jähriger Berner und seine Ex-Frau haben den Behörden ein Leben in Armut vorgetäuscht, obwohl sie im Luxus schwelgten. Zum Verhängnis wurde ihnen eine Beschwerde gegen einen geplatzten Steuerdeal.
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28.02.2024, 15:25
28.02.2024, 15:36
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Keine Zeit? blue News fasst für dich zusammen
Ein 75-jähriger Mann und seine 61-jährige Ex-Partnerin – beide in der Stadt Bern wohnhaft – müssen sich vor dem Wirtschaftsgericht unter anderem wegen mehrfachen Betrugs sowie mehrfacher Urkundenfälschung verantworten.
Sie sollen den Behörden ein Leben am Existenzminimum vorgetäuscht haben, obwohl sie Vermögenswerte in Millionenhöhe besassen.
Ins Visier der Justiz geriet der Mann, nachdem er sich im Jahr 2015 gegen einen geplatzten Steuerdeal gewehrt hatte.
Die kantonale Steuerbehörde erliess ihm zuvor rund 8,7 Millionen Franken an Steuerschulden – und verlangte lediglich die Zahlung von 25'000 Franken.
Die Stadt Bern wehrte sich erfolgreich gegen diese Abmachung.
Ein 75-jähriger Mann und eine 61-jährige Frau sollen über Jahre ein Leben am Existenzminimum vorgetäuscht haben – obwohl sie über Vermögen in Millionenhöhe verfügten. Am Mittwoch hat die Staatsanwaltschaft mitgeteilt, dass sie Anklage gegen sie erhoben hat.
Mehrfacher Pfändungsbetrug, mehrfacher versuchter und vollendeter Betrug sowie mehrfache Urkundenfälschung lauten die Vorwürfe gegen das Ex-Ehepaar. Die Pfändungsverfahren haben einen Umfang von mehr als 16 Millionen Franken.
Bei den Beschuldigten handelt sich gemäss Angaben der Staatsanwaltschaft um ein Paar, das früher verheiratet war, sich dann scheiden liess und nun vermutlich im Konkubinat zusammenlebt.
Dass der Rentner und seine mutmassliche Mittäterin ins Visier der Justiz gerieten, hat er teilweise selbst zu verantworten: Der Mann hat im Jahr 2015 beim Verwaltungsgericht Beschwerde gegen geplatzten Steuerdeal eingereicht, wie die «Berner Zeitung» bereits 2021 berichtet hatte.
Folgenschwere Beschwerde
Das hätte er besser nicht getan. Zumal die geplatzte Abmachung mit der kantonalen Steuerverwaltung unglaublich anmutet: 8,7 Millionen Franken Steuerschulden häufte der Berner über die Jahre an. Alle Pfändungen blieben erfolglos. Der Mann handelte mit den Behörden aus, dass er die Schuldscheine zurückkauft – für 25'000 Franken. Das entspricht einem Rabatt von 99,7 Prozent.
Ein Grossteil der Steuerschulden hatte der Mann bei seiner Wohngemeinde gemacht. Die Stadt Bern hatte wenig Verständnis für das grosszügige Angebot der kantonalen Behörde und legte daher ihr Veto ein. Der Mann erhielt in der Folge die 25'000 Franken zurückerstattet. Das wollte er aber so nicht auf sich sitzen lassen und klagte beim Verwaltungsgericht auf Vertragsbruch.
Die Mühlen der Justiz begannen zu mahlen – und brachten Erstaunliches zutage: Obwohl der Mann über mehrere Millionen Franken betrieben wurde, führte er ein Leben im Luxus. Die Kosten dafür rechnete er als Geschäftsaufwand über seine Firma ab.
Die Behörden konnten mehrere Autos, darunter laut «Berner Zeitung» ein Porsche Cayenne, über 180 Handtaschen, Golfausrüstungen, eine Sammlung von Weinen im höheren Preissegment sowie über ein Dutzend Pelzmäntel sicherstellen. Zudem wurden im Verlauf der Ermittlungen mehrere Bankkonten mit insgesamt über 1,5 Millionen Franken gesperrt.
Ausserdem soll der Beschuldigte Parkkarten von gehbehinderten Personen manipuliert haben, damit er selber damit parkieren konnte.
Behörden räumen Fehler ein
Die Behörden erklärten, dass sie von alldem nichts wissen konnten. Der Stadtberner Finanzdirektor sprach damals von einem Einzelfall, sagte aber dem «Bund»: «Der Steuerverwaltung ist ein Fehler unterlaufen.»
Auch die damalige Finanzdirektorin des Kantons Bern, Beatrice Simon, gab Fehler zu: «Es wurde unterlassen, vor Vertragsabschluss die Gemeinde einzubeziehen.» Derart hohe Beträge abzuschreiben, sei «sicher die Ausnahme».
Der Mann hatte zwischen 2011 und 2019 überdies Ergänzungsleistungen erhalten, bevor sie ihm gestrichen wurden. Auch dagegen wehrte er sich – und erhielt ab April 2020 tatsächlich wieder Unterstützung. Die Ausgleichskasse korrigierte diesen Umstand allerdings bereits einen Monat später und wehrte sich erfolgreich.
Die kantonale Finanzdirektion und das städtische Sozialamt machten auf Anfragen mehrerer Medien keine weiteren Angaben zu dem Fall. Es handle sich um ein laufendes Verfahren, so die Begründung.