Die 56-jährige Bernerin, welche zum Teil wegen einer vermeintlichen Internet-Liebe Geld veruntreute und in Bern vor Gericht steht, darf auf eine bedingte Strafe hoffen. Vor dem kantonalen Wirtschaftsstrafgericht beantragten sowohl Anklage als auch Verteidigung eine Verurteilung auf Bewährung.
Staatsanwalt Peter Herren forderte am Mittwochmittag eine Freiheitsstrafe von 24 Monaten bedingt auf fünf Jahre. Verteidiger Christoph Zimmerli beantragte eine Freiheitsstrafe von maximal 15 Monaten mit einer Probezeit von drei Jahren.
Da die Frau geständig ist, bestand bei Anklage und Verteidigung Einigkeit darin, dass es sich um einen Fall von Veruntreuung und Urkundenfälschung handelt. Und dass die Frau dem Kanton Bern zuhanden des Geschädigten 113'000 Franken abliefern muss. 117'000 Franken hat sie diesem – einem Bekannten – bereits zurückgezahlt.
Uneinig waren sich Anklage und Verteidigung aber bei der Beurteilung des Verhaltens der Angeklagten: Staatsanwalt Herren sprach von einer Frau, die nicht in einer auswegslosen Situation gewesen sei und fast das gesamte Vermögen eines Bekannten verbraucht habe. Die Frau habe zuerst hartnäckig gelogen und sei nicht wirklich reuig.
Verteidiger Zimmerli sagte, bei der fraglichen Bank hätten anlässlich der Überweisungen nach Nigeria alle Alarmglocken schrillen müssen. Das habe sich strafmindernd auszuwirken.
In der Phase des «Love Scams», also als die Frau an die vermeintlich grosse Liebe einer Internet-Bekanntschaft glaubte, habe seine Klientin nicht mehr gewusst, was sie tue. Auch dies habe das Gericht zu berücksichtigen. Erst nach einem langen Gespräch habe die ehemalige Bankangestellte erkannt, was los gewesen sei.
Vorher habe sie noch gut 150'000 Franken aus eigenen Mitteln an die Internet-Bekanntschaft in den USA überwiesen. Die genauen Umstände dafür blieben am Prozess unklar. Zimmerli sagte auch, der Grund für das Abdriften der Frau im Jahr 2018 sei die Scheidung von ihrem Mann nach 20 Jahren Ehe gewesen.
«Das war nicht ich»
Bei ihrer Befragung vor dem kantonalen Wirtschaftsstrafgericht hatte die Frau am Mittwochvormittag die Vorwürfe im Wesentlichen zugegeben. Sie sei 2018 nicht sich selbst gewesen, sagte sie schluchzend: «Das war nicht ich». Sie hoffe, das veruntreute Geld zurückzahlen zu können.
Staatsanwalt Herren wirft der Frau in der Anklageschrift vor, 2018 rund 106'000 Franken nach Nigeria geschickt zu haben – für ein angebliches Projekt eines Mannes im afrikanischen Land. Dieses Geld bezog die 56-Jährige vom Konto eines guten Bekannten, der sie darum gebeten hatte, sich um sein Geld zu kümmern.
Die Frau war damals stellvertretende Leiterin einer Bank im Berner Oberland und verfügte über eine Vollmacht für die Konten ihres Bekannten.
Der Urkundenfälschung bezichtigt wird die Frau, weil sie laut Anklageschrift für die Überweisungen nach Nigeria einen Auftrag des Kontoinhabers – ihres Bekannten – fälschte. Der Vorgesetzte der Frau hatte Auskunft zu den Überweisungen nach Nigeria verlangt.
Schon zehn Jahre zuvor soll die Frau allerdings Geld ihres Bekannten unterschlagen haben, nachdem dieser ausgewandert war. Diese rund 125'000 Franken verwendete die Frau laut Anklageschrift für persönliche Bedürfnisse und für Aktienkäufe.
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