Grosser Rat BE Berns Grosser Rat will keine Eventualantrag-"Buebetrickli» mehr

sr, sda

6.9.2021 - 14:49

Auf den Abstimmungszetteln im Kanton Bern soll künftig ein Eventualantrag des Grossen Rats nur noch erscheinen, wenn kein Volksvorschlag zustande kam.
Auf den Abstimmungszetteln im Kanton Bern soll künftig ein Eventualantrag des Grossen Rats nur noch erscheinen, wenn kein Volksvorschlag zustande kam.
Keystone

Der bernische Grosse Rat will einen parlamentarischen Kniff ausschalten, der als «Buebetrickli» bekannt geworden ist. Gemeint ist, dass im Grossen Rat Anhänger einer Vorlage nur deshalb einen Eventualantrag beschliessen, um damit einen Volksvorschlag der Vorlagengegner zu verunmöglichen.

Keystone-SDA, sr, sda

Heute steht in der Berner Kantonsverfassung, dass 10'000 Stimmberechtigte dann einen Volksvorschlag einreichen können, wenn das Kantonsparlament zuvor keinen Eventualantrag beschlossen hat. Diesen Umstand machten sich Fraktionen im bernischen Grossen Rat in der Vergangenheit wiederholt zu Nutze.

Wenn ein Volksvorschlag drohte, beschlossen sie einen Eventualantrag und verunmöglichten damit einen Volksvorschlag, der auch als konstruktives Referendum bekannt ist. So passierte es beispielsweise bei der Beratung des kantonalen Einführungsgesetzes über die Kranken-, die Unfall- und die Militärversicherung im Jahr 2015.

Damals war im Rat umstritten, ob für Prämienverbilligungen eine Zielvorgabe in diesem kantonalen Gesetz verankert bleiben soll oder nicht.

Die bürgerliche Mehrheit des Kantonsparlaments strich diese Zielvorgabe gegen den vehementen Widerstand von Links-Grün aus dem Gesetz. Danach beschlossen die Bürgerlichen auch noch einen Eventualantrag – nur um den Volksvorschlag von Links-Grün zu verhindern.

Beide Instrumente wurden laut Grossratsunterlagen in die Verfassung aufgenommen, um zu verhindern, dass eigentlich unbestrittene Geschäfte scheitern, wenn sie nur in einem Punkt umstritten sind.

Situation wird umgekehrt

Am Montag hat der Grosse Rat beschlossen, die Situation umzukehren: Bringen Gegner einer bestimmten Passage in einer Gesetzesvorlage einen Volksvorschlag zustande, entfällt der vom Grossen Rat beschlossene Eventualantrag. Der Grosse Rat beschränkt also seine eigenen Kompetenzen.

Dagegen wehrte sich die FDP-Fraktion: Ihr Sprecher Adrian Haas (Bern) sagte, Eventualanträge seien eine sinnvolle Sache. Es sei zu befürchten, dass deren Zahl bei einer Änderung der heutigen Regel zurückgehe. Der Abschaffung wäre eine «Selbstkastration» des bernischen Grossen Rats, so Haas.

Andere Fraktionssprecherinnen und -Sprecher hielten ihm aber entgegen, das Interesse des Volks sei höher zu gewichten als jenes des Kantonsparlaments. Deutlich lehnte der Rat danach den Nichteintretensantrag der FDP-Fraktion ab und stimmte mit 132 zu 13 Stimmen bei 5 Enthaltungen für die Änderung.

Noch ist die Verfassungsänderung aber nicht beschlossene Sache: Erstens muss sie der Grosse Rat noch einer zweiten Lesung unterziehen. Zweitens muss jede Verfassungsänderung obligatorisch vors Volk. Dass es zu einer Volksabstimmung kommt, scheint nach dem deutlichen Resultat im Grossen Rat aber klar.

In sechs von acht Grossratsvorlagen, bei welchen ein Eventualantrag formuliert wurde, war das Motiv hinter dem Ergreifen dieses Antrags «relativ klar» das Verhindern eines Volksvorschlags: Das stellte ein externer Gutachter laut Grossratsunterlagen fest.

Drei Alternativen geprüft

Der nun vom Rat genehmigte Änderungsvorschlag stammt von der grossrätlichen Kommission für Staatspolitik und Aussenbeziehungen (SAK). Sie beugte sich über das Verhältnis von Eventualantrag und Volksvorschlag, nachdem der Grosse Rat vor drei Jahren eine parlamentarische Initiative von Ratsmitgliedern mehrerer Parteien angenommen hatte.

Vier Vorschläge schickte die SAK im Novemer 2020 in eine Vernehmlassung: die heutige Situation, die Umkehrung der Verhältnisse gemäss dem nun angenommenen Vorschlag der SAK und die Abschaffung sowohl von Volksvorschlag als auch von Eventualantrag.

Die vierte Variante sah vor, für die Genehmigung eines Eventualantrags im Grossen Rat ein qualifiziertes Mehr einzuführen. Ein solches ist beispielsweise nötig, wenn ein defizitäres Budget genehmigt werden soll. Das Resultat der Vernehmlassung war aber eindeutig: Eine Mehrheit der Parteien war für die nun genehmigte Variante.