Im Kanton Bern sollen Notariatsgebühren künftig nach Zeitaufwand berechnet werden – statt wie bisher nach Pauschaltarifen. Dieser von der Regierung vorgeschlagene Systemwechsel ist umstritten, wie die Vernehmlassung zeigt. Der Widerstand bei SVP und FDP bleibt gross.
Die Notariatsgebühren sind im Kanton Bern ein Dauerthema. Der eidgenössische Preisüberwacher forderte wiederholt eine Senkung der aus seiner Sicht hohen Tarife. Das aktuelle Berner Notariatsgesetz stammt aus dem Jahr 2005. Schon damals wurden die staatlich garantierten Mindestgebühren kontrovers diskutiert.
Seither gab es immer wieder erfolglose Bestrebungen für eine Abkehr von staatlichen Mindestgebühren hin zu mehr brancheninternem Wettbewerb. Dies änderte sich, als der Grosse Rat im November 2015 überraschend eine Motion von SP, GLP, EVP und Grünen überwies – gegen den Willen von SVP und FDP.
Drei Jahre später gab die Regierung anfangs Januar eine Gesetzesänderung bis zum (heutigen) 17. April in die Vernehmlassung. Demnach soll neues Hauptkriterium für die Gebührenberechnung der Zeitaufwand sein, der für eine Beurkundung «sachlich notwendig» ist.
Die Stundenansätze sollen sich in einer Bandbreite von 250 bis 400 Franken bewegen. Diese Ansätze könnten für «bedürftige» oder «gemeinnützige» Klienten auch unterschritten werden.
Für die SVP zu «radikal»
Zufrieden mit der Stossrichtung der Reform sind naturgemäss die Parteien, auf deren parlamentarischen Vorstösse die Vorlage zurückgeht. Die Grünliberalen «begrüssen es sehr, dass endlich Bewegung ins bernische Notariatswesen kommt».
Die Reform angepackt hat die neue Justizdirektorin Evi Allemann (SP) wenige Monate nach ihrem Amtsantritt. Offenbar habe es einen Wechsel in der federführenden Direktion gebraucht, «um Zug in den Kamin zu bringen», hält die CVP fest und erinnert daran, dass sie die hohen Tarife schon 2013 kritisiert habe.
Die zuständige Justizdirektion war bis 2018 in den Händen von SVP-Regierungsrat Christoph Neuhaus. Seine Partei sieht nach wie vor keinen Bedarf für eine «derart radikale Reform», wie die SVP in ihrer Vernehmlassungsantwort schreibt. Das heutige System mit Mindest-, Normal- und Maximaltarif sei transparent und verlässlich.
Bei einer reinen Bemessung nach Aufwand werde es schwieriger, die endgültigen Kosten einer Beratung beim Notar abzuschätzen, was zu Missmut und Streitigkeiten führen könnte. Die SVP befürchtet, dass ein reiner Zeittarif die Existenz von Notariatsbüros in Randregionen gefährden könnte.
FDP will zwei Varianten
Skeptisch ist auch die FDP. «Wir begrüssen zwar mehr Wettbewerb im Interesse des Kunden», schreibt die Partei. Allerdings seien die genauen Auswirkungen des Systemwechsels nicht klar erkennbar. Dies bemängelt auch der Verband Bernischer Notare und fordert den Verzicht «auf das Experiment eines radikalen Systemwechsels mit unbekannten Konsequenzen».
Die FDP fordert die Regierung deshalb auf, die Auswirkungen für die Grossratsvorlage besser zu dokumentierten und dem Parlament auch noch eine zweite Variante mit «wettbewerblich angepassten» Staffel-Tarifen vorzulegen.
Für die SP hingegen ist die Bemessung der Gebühren nach Zeitaufwand ein «längst notwendiger Schritt zu einem konsumentenfreundlichen Abrechnungssystem». Denkbar sei aber, dass gewisse Dienstleistungen zu einem Pauschalpreis angeboten würden. Dies erleichtere die Preisgestaltung und biete allen Seiten mehr Transparenz.
Inkrafttreten 2021 geplant
In der Vernehmlassung nicht umstritten ist die geplante Lockerung der Organisationsvorschriften. So sollen Notarinnen und Notare ihren Beruf auch in der Rechtsform einer Aktiengesellschaft oder in einer Bürogemeinschaft mit anderen Berufen ausüben können. Dies war bislang nicht erlaubt.
Wann die Gesetzesrevision in den Grossen Rat kommt, ist noch offen. Die Regierung möchte die neuen Bestimmungen ab 2021 in Kraft setzen.
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