Vor dem Obergericht des Kantons Bern stehen am (heutigen) Freitag die Co-Präsidenten der Jungen SVP des Kantons Bern. Die beiden sind Mitte Januar vom Regionalgericht Bern-Mittelland der Rassendiskriminierung schuldig gesprochen worden und haben das Urteil angefochten.
Verurteilt wurden die beiden Co-Präsidenten Nils Fiechter und Adrian Spahr wegen einer Zeichnung. Diese wurde vor den kantonalen Wahlen vom März 2018 auf der Facebookseite der Jungen SVP Kanton Bern veröffentlicht. Die Zeichnung machte Stimmung gegen Transitplätze für ausländische Fahrende.
Im Juni 2017 hatten bis zu 500 ausländische Fahrende mit etwa 200 Wagen einen Autobahn-Rastplatz bei Wileroltigen besetzt, was für Spannungen sorgte. Es kam zu Krisensitzungen verschiedener Behörden.
Die Illustration zeigt einen Schweizer in Sennentracht, der sich vor dem Abfallhaufen einer Wohnwagensiedlung die Nase zuhält. «Wir sagen Nein zu Transitplätzen für ausländische Zigeuner!«, ist auf der Zeichnung zu lesen, die auf der erwähnten Facebookseite immer noch zu finden ist.
Der Verband Sinti und Roma Schweiz erstattete Anzeige wegen Verletzung der Rassismus-Strafnorm. Die Staatsanwaltschaft verurteilte Fiechter und Spahr daraufhin per Strafbefehl zu einer bedingten Geldstrafe. Dagegen erhoben die beiden Jungpolitiker Einsprache. Deshalb kam der Fall vors Berner Gericht.
«Zumindest in Kauf genommen»
Vor einer Berner Einzelrichterin sagte im Januar Nils Fiechter, er und Spahr hätten nie die Absicht gehabt, eine Personengruppe anzugreifen oder zu diskriminieren. Die Kampagne habe sich gegen Transitplätze gerichtet, nicht gegen Menschen. Im übrigen sei «Zigeuner» für ihn ein Synonym für «Fahrende».
So sah es auch Adrian Spahr. Nie habe es eine öffentliche Debatte um den Begriff «Zigeuner» gegeben, und das Wort «Zigeunerschnitzel» finde sich nach wie vor auf Speisekarten. Der Facebook-Post habe sich lediglich gegen das Projekt des Transitplatzes in Wileroltigen gerichtet.
Anders sah es Einzelrichterin Bettina Bochsler. Der – nicht mehr sehr gebräuchliche – Begriff «Zigeuner» stehe eindeutig für eine bestimmte Ethnie. Der unbefangene Durchschnittsleser könne den Beitrag auf Facebook als Verletzung der Menschenwürde wahrnehmen.
Natürlich seien in der politischen Debatte Kritik und auch Zuspitzungen erlaubt. Man dürfe auch sagen, dass es auf Transitplätzen Probleme gebe. «Die Frage ist einfach, wie man die Kritik äussert.»
Im vorliegenden Fall sei sie nicht sachlich, sondern pauschalisierend und abwertend. Die Rassendiskriminierung habe man zumindest in Kauf genommen.
Richterin Bochsler verurteilte die zwei Jungpolitiker zu bedingten Geldstrafen von je 30 Tagessätzen, ausmachend 3300 Franken bei Fiechter und 3600 bei Spahr.
Urteil im Verlauf des Tags
Zum Prozzess am Obergericht erschienen die beiden Jungpolitiker in Begleitung ihres Anwalts Patrick Freudiger. Die Generalstaatsanwaltschaft ist vertreten durch Staatsanwalt Christof Scheurer. Das Urteil will die zweite Strafkammer des Obergerichts im Verlauf des Freitags bekanntgeben.
Im Sommer 2017 gab der Kanton Bern bekannt, das Bundesamt für Strassen sei bereit, dem Kanton ein Areal an der A1 bei Wileroltigen für einen Transitplatz für ausländische Fahrende zur Verfügung zu stellen. Im kommenden Februar stimmt das Bernervolk über den Kredit für die Einrichtung des Transitplatzes in Wileroltigen ab.
Zurück zur StartseiteSDA