Justiz Für den "goldenen Schuss" gesorgt - Frau vor Berner Gericht

SDA

13.8.2018 - 16:40

Eine bald 27-jährige Frau steht in Bern vor Gericht, weil sie für einen Mann, der sich mutmasslich den "goldenen Schuss" setzen wollte, Drogen beschaffte und ihm diese verabreichte. Ihr wird laut Anklage unter anderem vorsätzliche Tötung vorgeworfen.

Die Drogenkonsumentin wurde Anfang November 2016 vor einem als Drogenumschlagplatz bekannten Lokal in Bern von dem Mann angesprochen. Er frage die Beschuldigte, ob sie "Stoff" und Utensilien organisieren könne, damit er eine Überdosis, einen sogenannten "goldenen Schuss", konsumieren könne.

Die Frau erklärte sich einverstanden und bekam für ihre Dienste Geld, wie aus der Anklageschrift hervorgeht. Weil sich der harte Drogen nicht gewohnte Mann den Schuss nicht selber setzen konnte, verabreichte ihm die Beschuldigte auf seinen Wunsch hin die Drogen. Der Mann kollabierte wenig später und starb an der Überdosis.

Wenig mitteilsam

Das Regionalgericht Bern hat keine leichte Aufgabe, denn zu dem Vorfall gibt es keine direkten Zeugen. Die Aussagen der Angeklagte gegenüber den Ermittlern waren zudem äusserst sprunghaft.

Am Montag war die Frau vor Gericht wenig mitteilsam. "Ich habe schon alles gesagt, ich mag nicht mehr darüber reden", wiederholte sie mehrmals.

Ob sie den Mann denn nicht gefragt habe, warum er sterben wolle, versuchte der Gerichtspräsident der Frau dennoch eine Antwort zu entlocken. "Er hat es mir nicht sagen wollen", entgegnete sie nur. Weshalb sie denn auf sein Angebot eingegangen sei, wollten die Richter weiter wissen. "Weiss nicht", war die lakonische, leicht gereizte Antwort.

Wirklich lebensmüde?

Grosse Zweifel an den Aussagen der Angeklagten hegte die Anwältin der Familie des Opfers. Der Mann habe am Morgen noch ein ÖV-Abo gekauft, um zur Arbeit zu fahren. "Niemand tut das, wenn er sich am Abend umbringen will", gab sie zu bedenken.

Die drogenabhängige Frau habe alles getan, um an Geld und Stoff zu kommen. Der Mann habe lediglich Stoff gewollt, um sich zuzudröhnen. Sie aber habe den Tod des Mannes schlicht in Kauf genommen und sich dann die Selbstmordtheorie ausgedacht. Als der Mann am Boden lag habe ihm die Angeklagte noch Portemonnaie und Handy abgenommen.

Die Anwältin forderte für die Privatklägerschaft eine Genugtuung von 30'000 Franken und eine angemessene Strafe für die Angeklagte.

Der Staatsanwalt hingegen hielt es durchaus für möglich, dass der Mann sich mit einer Überdosis umbringen wollte. Suizid sei oft eine Kurzschlussreaktion. Der Mann habe bereits einen Selbstmordversuch hinter sich gehabt. Nahestehende hätten zudem von selbstzerstörerischen Zügen des alkoholabhängigen Mannes berichtet.

"Es spricht also nichts gegen die Version der Angeklagten", schloss der Staatsanwalt. Es gebe auch keinerlei Anhaltspunkte, dass der Mann die Drogen gegen seinen Willen verabreicht bekommen habe.

Hingegen ging der Staatsanwalt davon aus, dass die Frau vorsätzlich handelte und genau wusste, was sie tat. Sie habe den Tod des Mannes mindestens in Kauf genommen, kam auch er zum Schluss.

Der Staatsanwalt forderte für die Angeschuldigte eine Freiheitsstrafe von 45 Monaten, aufgeschoben zugunsten einer stationären Suchttherapie in Kombination mit einer ambulanten Psychotherapie.

Die Verwechslung

Der Verteidiger plädierte hingegen nur auf fahrlässige Tötung und forderte eine Freiheitsstrafe von 10 Monaten, ebenfalls aufgeschoben zugunsten einer stationären Suchttherapiemassnahme.

Die Frau habe nicht mit Vorsatz gehandelt, betont ihr Anwalt. Ihr sei vielmehr ein Missgeschick unterlaufen.

Die Angeklagte hatte vor Gericht bestätigt, am Tatort an der Aare zwei Spritzen aufgezogen zu haben, "eine für mich und eine für ihn." Die Spritze für ihn enthielt eine etwas geringere Dosis Heroin. In der Spritze für die Angeklagte befand sich ein etwas höher dosiertes Heroin-Kokain-Gemisch.

Die Angeschuldigte habe dem Mann die geringere Dosis spritzen wollen, damit er nur ordentlich "zugeknallt" werde, führte ihr Anwalt aus. Doch dann habe sie irrtümlich die Spritzen verwechselt.

Für die Angeklagte spreche, dass sie die Ambulanz angefordert und bei der Einsatzzentrale ihren vollen Namen genannt habe. Das mache niemand, der einen Raubüberfall begehe, schloss der Verteidiger.

Das Regionalgericht Bern-Mittelland gibt sein Urteil am Mittwochnachmittag bekannt.

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