Justiz Gericht verurteilt Restaurantbetreiber nach Messerattacke

SDA

1.5.2020 - 19:03

Nach einem Messerangriff ist am Freitag ein türkischstämmiger Wirt in Thun vom Gericht zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden (Symbolbild).
Nach einem Messerangriff ist am Freitag ein türkischstämmiger Wirt in Thun vom Gericht zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden (Symbolbild).
Source: KEYSTONE/JEAN-CHRISTOPHE BOTT

Ein türkischstämmiger Restaurantbetreiber ist vom Gericht in Thun nach einem Messerangriff zu einer Freiheitsstrafe von sechs Jahren verurteilt worden. Sein Vater und sein Bruder, die als Mittäter auf der Anklagebank sassen, wurden hingegen freigesprochen.

Das Regionalgericht unter der Leitung von Gerichtspräsidentin Dorothea Züllig von Allmen hatte es mit einem verworrenen Fall zu tun. Die Gerichtspräsidentin sprach denn am Freitag bei der Bekanntgabe des Urteils auch von zahlreichen Nebelpetarden, die alle Betroffenen gezündet hätten, um möglichst gut wegzukommen.

Für das Gericht war am Ende aber klar: Der Restaurantinhaber hatte Anfang Januar 2019 einen unliebsamen Konkurrenten mit einem Messer angegriffen und verletzt. Der Vater und der Bruder des Restaurantbesitzers, die ebenfalls zu dem Geschehen dazustiessen, sah das Gericht hingegen eher in der Rolle der Schlichter.

Das Gericht stützte sich auf unbeteiligte Zeugen, die die Auseinandersetzung am helllichten Tag in der Nähe des Bahnhofs Thun beobachtet hatten. Die Zeugen schilderten beispielsweise alle, dass ein älterer Mann etwas hinter zwei jüngeren Männern bei einem Auto gestanden sei, wo eine Rangelei im Gang gewesen sei.

Das Opfer hatte ausgesagt, der hinter den beiden Söhnen stehende Vater habe diese angestachelt, ihn umzubringen. «Tötet ihn» habe der ältere Mann gerufen.

Keineswegs, wie der Rentner vor Gericht sagte. Er habe gerufen «aufhören! aufhören!«. Die entsprechenden Begriffe in Türkisch und Kurdisch unterscheiden sich nur durch einen Buchstaben. Zudem kann der Begriff «töten» auch so viel wie «schlagen» heissen. Damit lagen für das Gericht keine genügend starken Beweise für einen Tötungsaufruf vor.

Der Vater, der zur Tatzeit bei seinen Söhnen in der Schweiz zu Besuch war, sitzt seit 16 Monaten in der Untersuchungshaft. Er kann entlassen werden und in sein Heimatland zurückkehren, sobald der Freispruch rechtskräftig ist. Der Bruder sass rund drei Monate in Untersuchungshaft. Beide sollen für die abgesessene Zeit hinter Gittern finanziell entschädigt werden.

Unwahrscheinliche Version

Keinen Glauben schenkte das Gericht der Tatversion des angeklagten Restaurantbetreibers. Nicht er habe ein Messer dabei gehabt, sondern sein Geschäftskonkurrent. Er habe die messerführende Hand des Kontrahenten gepackt und versucht, ihn am Zustechen zu hindern. Dabei habe sich sein Kontrahent verletzt.

Die Untersuchungen des Instituts für Rechtsmedizin belegten für das Gericht indessen, dass der Restaurantbetreiber zuerst zustach und seinen Kontrahenten an der Schulter traf. Danach habe der Angreifer noch viermal zugestochen. Damit habe der Angreifer mindestens in Kauf genommen, dass sein Widersacher sterben könnte.

Das Regionalgericht verurteilte den Angreifer deshalb wegen eventualvorsätzlicher versuchter Tötung zu einer Freiheitsstrafe von 6 Jahren. Die Staatsanwaltschaft hatte für den Mann eine etwas höhere Strafe von 7,5 Jahren verlangt, die Verteidigung einen Freispruch.

Ob der Fall an das bernische Obergericht weitergezogen wird, ist noch offen, wie die Staatsanwältin und der Anwalt des Verurteilten am Rande der Urteilsverkündigung sagten. Sie müssten dies erst mit ihren jeweiligen Klienten noch besprechen.

Einst Freunde, dann Feinde

Der Restaurantbetreiber und das Opfer waren ehemals befreundet. Die beiden wollten vor Jahren das Thuner Imbiss-Lokal gemeinsam führen und den Gewinn teilen. Doch letzteres geschah nicht, weshalb sich die beiden verkrachten.

Während der Thuner Restaurantbetreiber Karriere machte und erfolgreich geschäftete, musste sein ehemaliger Geschäftspartner Schicksalsschläge wie den Tod eines Sohnes verkraften.

Der Streit zwischen den beiden flammte erneut heftig auf, als der mutmasslich geprellte Ex-Geschäftspartner in unmittelbarer Nähe des türkischen Restaurants einen ganz ähnlichen Imbiss mit Take-away aufbauen wollte. Der Restaurantbetreiber wehrte sich mit einer Einsprache gegen das Bauvorhaben.

Bei der Messerstecherei zog sich das Opfer nicht lebensgefährliche Verletzungen zu. Dass es nicht dazu kam, sei allerdings bloss Zufall, kam das Gericht zum Schluss. Die Klinge verfehlte lebenswichtige Organe nur knapp. Der Mann ist heute physisch wieder wohlauf.

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