Sozialhilfe Kanton Bern arbeitet an Selbstbehalt-System für Gemeinden

SDA

19.8.2019 - 15:27

Wenn die Berner Gemeinden die lastenausgleichsberechtigten Kosten in der Sozialhilfe abrechnen, müssen sie eventuell künftig einen Selbstbehalt bezahlen. Der Kanton Bern ist daran, zusammen mit dem Verband Bernischer Gemeinden (VBG) ein solches Modell auszuarbeiten.

Die Arbeiten an diesem Modell hat die Berner Regierung in einer am Montag veröffentlichten Antwort auf einen Grossratsvorstoss bekanntgegeben. Grossratsmitglieder aus mehreren Parteien fordern in diesem Vorstoss die Kantonsregierung auf, Anreize für einen möglichst kostensparenden Einsatz von Sozialhilfegeldern bei den Gemeinden zu schaffen.

Dies, nachdem ein Bonus-Malus-System gescheitert ist. Der Kanton Bern sistierte den entsprechenden Artikel in der Sozialhilfeverordnung, nachdem die Gemeinde Lyss mit einer Beschwerde gegen einen Malus-Entscheid Erfolg gehabt hatte.

Die Gemeinde Lyss wehrte sich gegen einen ihr aufgebrummten Malus von fast 240'000 Franken wegen Sozialhilfekosten, die über einer vom Kantonsparlament vorgegebenen Bandbreite lagen. 2014, vor der Sistierung des Modelles, wurden sechs Gemeinden ein Malus aufgebrummt. 14 Sozialdienste sollten Boni erhalten.

Grosser Rat soll Vorstoss annehmen

Die fünf Grossratsmitglieder aus den Parteien SVP, GLP, FDP und BDP schreiben in ihrem Vorstoss, dass die Sozialhilfekosten seit Jahren anstiegen, sei problematisch. Das bestreite kaum jemand. Das wohl grösste Problem seien fehlende Sparanreize – zum einen für Sozialhilfebezüger selbst, aber auch für die Gemeinden.

Nach dem Scheitern des Bonus-Malus-Systems brauche es deshalb ein neues Anreizsystem. Dies mit einem Selbstbehalt, der mindestens 5 und maximal 20 Prozent der lastenausgleichsberechtigten Kosten der Gemeinden bei wirtschaftlicher Sozialhilfe ausmache. Der Selbstbehalt solle mittels eines Soziallastzuschusses abgefedert werden.

Die Berner Regierung empfiehlt dem Grossen Rat, den Vorstoss anzunehmen, also ihr den Auftrag zu geben, ein Modell mit einem Sozialhilfe-Selbstbehalt für Gemeinden einzuführen. Die Einführung eines Selbstbehalts hätte tatsächlich einen positiven Einfluss auf die Kosteneffizienz in der wirtschaftlichen Hilfe, findet sie.

Dieser Selbstbehalt muss nach Ansicht der Kantonsregierung kombiniert werden mit der gleichzeitigen Ausrichtung eines Zuschusses, der den individuell unterschiedlichen Soziallasten der Gemeinden Rechnung trägt.

Die kantonale Gesundheits- und Fürsorgedirektion erarbeitet das Modell ausser unter Einbezug des VBG auch in Abstimmung mit der kantonalen Finanzdirektion.

Über ein Anreizsystem in Form eines Selbstbehalts für Gemeinden diskutierten Fachleute und der Grosse Rat bereits 2012 im Rahmen der Revision des Gesetzes über den Finanz- und Lastenausgleich (FILAG). Eine knappe Mehrheit des Kantonsparlaments gab damals aber dem – inzwischen gescheiterten – Bonus-Malus-System den Vorrang.

Die Sozialhilfe gehört zu sechs Aufgaben, welche Kanton Bern und Gemeinden im Rahmen des FILAG gemeinsam erfüllen. Die Finanzierung erfolgt über einen Lastenausgleich.

Fachstelle sieht Gefahren

Die Unabhängige Fachstelle für Sozialhilferecht UFS mit Sitz in Zürich kritisierte am Montag die neuste Entwicklung. Eine Aufweichung des Lastenausgleichs durch die Einführung eines Selbstbehalts würde vor allem kleine Gemeinden stark belasten, schreibt die von einem Verein getragene Fachstelle.

In der Folge würde der Druck auf Sozialhilfebezügerinnen und -bezüger weiter ansteigen. Dies etwa, indem Gemeinden den Zuzug von Sozialhilfe beziehenden Menschen zu verhindern versuchten.

Ein Selbstbehalt dürfte finanzschwache Gemeinden zudem daran hindern, in kurzfristig teure Integrationsmassnahmen für Sozialhilfebezüger zu investieren, findet die Fachstelle. Die geplante Neuerung drohe deshalb dem vom Kanton ebenfalls angestrebten Ziel der verbesserten Integration von Sozialhilfebezügern entgegenzustehen.

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