Der Finanzkurs der rotgrün dominierten Berner Stadtregierung wird weiter kontrovers beurteilt. Das Mitte-Rechts-Lager prangert die «Schuldenwirtschaft» an, die Linke lobt die «verantwortungsvolle Finanzpolitik».
Scharfe Kritik kam am Donnerstag nach der Präsentation der Rechnung 2023 von der FDP. Der Überschuss könne nicht darüber hinwegtäuschen, dass sich die Stadt erneut massiv verschuldet habe, weil Mittel falsch priorisiert worden seien.
Trotz deutlich höherer Steuereinnahmen habe sich die Stadt seit 2017 jedes Jahr um durchschnittlich 85 Millionen Franken neu verschuldet. Das sei unverantwortlich und kurzsichtig. Die Ausgabenfreude der rot-grünen Mehrheit führe dazu, «dass die nächsten Generationen nur unsere Lecks stopfen können».
Finanzdirektor Michael Aebersold (SP) und die rot-grüne Mehrheit im Stadtrat hätten den finanziellen Spielraum in den letzten sieben Jahren stark eingeschränkt. Statt Mittel prioritär in zwingende Infrastruktur-Vorhaben zu stecken, halte man zum Beispiel am Pensionsalter 63 der Stadtangestellten fest und leiste sich einen automatischen Teuerungsausgleich.
Rekordhohe Einnahmen hätten der Stadt einen «gesichtswahrenden Überschuss» beschert, teilten die GLP/EVP-Fraktion mit. Bei genauer Betrachtung stelle man weniger Erfreuliches fest. Trotz rekordhohen Steuererträgen liege die Neuverschuldung weit über der Grenze, die der Gemeinderat selber als nachhaltig tragbar bezeichnet habe.
Auch die SVP ist der Ansicht, dass der Gemeinderat die finanzielle Lage der Stadt Bern beschönige. Sie fordert eine «Abkehr von der frivolen rotgrünen Finanzpolitik». Statt Aufgaben zu priorisieren, lebe die Stadt über ihren Verhältnissen. Die SVP spricht dabei von «idelogisch begründeten Leuchtturmprojekten» wie das «teure und unsinnige Abfalltrennsystem».
SP gegen «Angstmacherei»
Ganz anders schätzt die SP die Lage ein. Das Ergebnis zeuge von einer soliden Finanzpolitik im Sinne eines starken Service public für alle Bernerinnen und Berner. Der dritte positive Abschluss in Folge bestätige, dass die Angstmacherei der Bürgerlichen fehl am Platz sei.
Die SP werde sich weiter für eine Finanzpolitik einsetzen, die eine lebenswerte und soziale Stadt ermögliche. Denn die Stadt müsse weiter investieren, sagte Co-Präsidentin Lena Allenspach: «In eine soziale Stadt, in mehr bezahlbaren Wohnraum, in Schul- und Sportanlagen sowie in Klimaanpassungsmassnahmen.»
Auch das Grüne Bündnis Bern zieht aus der Rechnung 2023 den Schluss, dass die Stadt Bern finanziell gut dastehe. Sie habe die Möglichkeiten, um «entschlossen Klimamassnahmen und Armutsbekämpfung zu finanzieren», hiess es in seiner Mitteilung. Das Geld reiche, damit alle «ein Leben frei von finanziellen Nöten führen» könnten.