Justiz Preisgelder nicht als Einkommen deklariert: Läufer verurteilt

hn, sda

13.4.2022 - 16:18

Ein aus Äthiopien stammender Langstreckenläufer ist von einem Gericht in Bern verurteilt worden, weil er Preisgelder den Behörden nicht als Einkommen gemeldet hatte. Der Mann lebt als mittlerweile abgewiesener Asylsuchender in der Schweiz.

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Der Einzelrichter verurteilte ihn wegen unrechtmässigen Bezugs von Leistungen der Sozialhilfe und der Nothilfe zu einer bedingten Freiheitsstrafe von sechs Monaten und einer Busse von 200 Franken. Ausserdem wird der Mann fünf Jahre des Landes verwiesen.

Mit dem Urteil liegt der Berner Einzelrichter im Grossen und Ganzen auf der Linie der Staatsanwaltschaft, die eine leicht härtere Gangart bei Freiheitsstrafe und Landesverweis angeschlagen hatte.

Die Verteidigerin hatte für ihren Mandanten einen Freispruch gefordert. Ihr Mandant habe gewusst, dass er als abgewiesener Asylsuchender in der Schweiz nicht arbeiten dürfe. Aber laufen durfte er. Daher habe er auch angenommen, dass dies keine Arbeit sei. Insgesamt dürfte der Läufer gegen 50'000 Franken auf der hohen Kante gehabt haben.

Der Einzelrichter sah es als erwiesen an, dass der Mann bei seinem Asylantrag 2014 und auch beim Wechsel von Asylsozial- auf Nothilfe den Behörden die gewonnenen Preisgelder mehrfach verschwiegen hatte. Anders als die Staatsanwaltschaft erkannte der Einzelrichter nicht auf Betrug, sondern auf unrechtmässigen Bezug von Sozialhilfe.

Nicht schwer zu verstehen

In den Antragsformularen seien jeweils detaillierte Angaben zu finden, wonach jedes Einkommen und Vermögen angegeben werden müsse. Auch werde den Betroffenen klar gemacht, dass sie nur in dem Umfang Sozialhilfe oder Nothilfe erhalten, wie sie es wirklich benötigen. Ist Geld vorhanden, gibt es entsprechend weniger staatliche Hilfe.

Auch wenn Preisgelder aus Sport nicht explizit auf den Formularen erwähnt seien, hätte der Mann aus den Angaben schliessen müssen, dass er auch Preisgelder nicht einfach beiseite schaffen dürfe. Dies sei nicht kompliziert zu verstehen, kam der Einzelrichter zum Schluss.

Als abgewiesener Asylsuchender erhält der Läufer acht Franken pro Tag Nothilfe. Dass man davon keine neuen Laufschuhe für dreihundert Franken kaufen kann, räumte auch das Gericht ein. Doch beim Verein, bei dem der Äthiopier trainiere, hätte man für solche Fälle sicher eine Lösung gefunden, verwies der Einzelrichter auf entsprechende Aussagen des Trainers des Angeklagten.

Kein Härtefall

Auch einen Landesverweis sprach das Gericht gegen den Äthiopier aus. Die Dauer setzte auf das Minimum von fünf Jahren fest. Davon absehen könne das Gericht nicht, auch wenn der Angeklagte beileibe kein Schwerkrimineller sei, sondern einfach die Sozialbehörden hintergangen habe. Das Gesetz fordere auch in leichteren Fällen einen Landesverweis. Einen Härtefall erkannte das Gericht nicht.

Der Mann sei ausserhalb des Sports nicht sonderlich gut integriert und das Verhältnis zu seiner Ex-Freundin und den Kindern auch nicht unproblematisch.

Zur Ex-Freundin besteht ein Kontaktverbot, das der Mann mehrfach gebrochen hat. Die gemeinsamen Kinder sieht er im Moment einmal pro Woche mehrere Stunden. Bei diesen Besuchen wird er unterstützt.

Der Läufer habe mit seinen sieben Jahren Grundschulbildung in Äthiopien zwar auch keine guten beruflichen Aussichten, in der Schweiz seien diese aber auch nicht besser, sagte der Richter.

Ob das Urteil an die nächst höhere Instanz weitergezogen wird ist offen. Sie wolle die Sache zuerst mit ihrem Mandanten analysieren, sagte die Anwältin der Nachrichtenagentur Keystone-SDA.

Erfolge am Laufmeter

Der Äthiopier kam vor rund zehn Jahren in die Schweiz und entdeckte den Laufsport für sich. Er bestritt zahlreiche Strassenrennen und Publikumsläufe, wo er oft in den vordersten Rängen landete. Dementsprechend konnte er jeweils die meist bescheidenen Preisgelder von hundert, zweihundert, oder wenn es ganz hoch kam auch mal fünfhundert oder tausend Franken einstreichen.

Der talentierte Läufer bestritt während der Strassenlaufsaison zeitweise sehr viele Wettkämpfe, manchmal zwei an einem Sonntag. Im Jahr 2018 beispielsweise konnte er Preisgelder von insgesamt um die 25'000 Franken einkassieren.

Das Geld sparte der Mann so gut es ging und deponierte es in bar bei seiner heutigen Ex-Freundin. Die Sache flog schliesslich auf.